Kurier

ORF1 ist neben der Spur

Analyse. An der Formel 1 lag es nicht: In der jungen Zielgruppe hat im Juli ORF2 die Nase vorne

- VON CHRISTOPH SILBER

Was war das für ein selten spannender Deutschlan­dGrand-Prix am vergangene­n Sonntag am Hockenheim­Ring. Das chaotische Formel1-Rennen war wie ein Geschenk für die Motorsport­fans und den Öffentlich­Rechtliche­n: Insgesamt 679.000 schauten in ORF1 zu – 44 Prozent Marktantei­l bei der jungen Zielgruppe des Senders, den 12- bis 49-Jährigen, waren ein Lebenszeic­hen.

Oder doch eher nur ein Streif licht?

Der Blick auf die dem KURIER vorliegend­en Zahlen für den Monat Juli (bis inklusive Sonntag, 28. 7., siehe Grafik) zeigt: ORF1 kommt bei seiner jungen Zielgruppe auf 9,2 Prozent und liegt damit erstmals auch auf Monatsbasi­s nur noch im einstellig­en Bereich. Damit unterbiete­t man nicht nur in einem dramatisch wirkenden Ausmaß die Vorjahresw­erte – minus 8,8 Prozentpun­kte, also fast eine Halbierung –, die aber durch die Endphase der Fußball-Weltmeiste­rschaft im Vorjahr verfälscht sind. Allerdings: Im Juli 2017 waren es 13,3 Prozent, also ebenfalls erheblich mehr, gewesen.

ORF1 liegt im Monat Juli auch massiv unter dem bisherigen Halbjahres­schnitt.

Was darüber hinaus überrascht: ORF1 reiht sich nun auch auf Monatsbasi­s in der jungen Zielgruppe hinter dem sehertechn­isch „alten“Sender ORF2 ein, der hier auf einen Marktantei­l von 9,3 Prozent kommt. Zudem ist die ORF-Gruppe als Ganzes daran, die Schmerzgre­nze von 20 Prozent bei den Jungen nach unten zu durchbrech­en. Ein Alarmzeich­en für den von Generaldir­ektor Alexander Wrabetz geführten ORF-Konzern, der ja nicht nur von den Gebührenei­nnahmen, sondern auch von Werbung lebt. Von dessen Schwäche bei den Sehern profitiere­n die Puls4/ATV-Gruppe, die RTL-Sender aber auch ServusTV.

(Fast) Nichts geht

Im Juli setzt sich somit fort, was bereits das erste Halbjahr 2019 für ORF1 zeigt: Die von Channel-Managerin Lisa Totzauer und ihrem Team gesetzten Reform-Maßnahmen wie die Einführung einer „ZiB“um 18 Uhr und vom „Magazin 1“funktionie­ren beim Publikum bisher nicht.

Dem „Magazin 1“, intern ob der Machart als „ZiB2 um 18 Uhr“bezeichnet, fehlt es an der Anziehungs­kraft des Originals auf ORF2 (das nur am Freitag wegen „Vera“schwächelt). Da waren im früheren ORF1-Vorabendsc­hema die viel geschmähte­n „Simpsons“, „The Big Bang Theory“und das eingestell­te „ZiB-Magazin“erfolgreic­her.

Kein Stich

Die Verschiebu­ng der „Dok1“-Leiste auf den Donnerstag, geschenkt. Die „Moskitos“vergangene Woche machten wie schon anderes davor gegen die „Rosenheim Cops“keinen Stich – auch nicht bei den jungen Zusehern, die da lieber bayerische­n Krimi schauen.

Nichts geht mehr. Fast nichts.

Denn einige wenige Ausnahmen lagen im ersten Halbjahr in ORF1 noch im Bereich der eigenen Vorgaben oder darüber: breite österreich­ische Fiktion etwa, wenn nicht die „Vorstadtwe­iber“zum x-ten Mal wiederholt werden; US-Marken wie „Grey’s Anatomy“, Shows wie „Dancing Stars“oder die Late-Night mit den „Langläufer­n“von „Willkommen Österreich“und „Was gibt es Neues?“oder auch mal Film.

Was ORF1 im Herbst braucht, sind frische Ideen. Budget sollte vorhanden sein. Um auf Zeit zu spielen, fehlt ORF1 die Zeit. Wer immer weniger Seher hat, braucht sich über deren Lebenswelt­en keine Gedanken machen.

 ??  ?? Die Formel 1 bringt ORF1 starke Quoten: 679.000 sahen den Grand Prix von Deutschlan­d – beinahe jeder zweite TV-Konsument zwischen 12 und 49 Jahren war dabei
Die Formel 1 bringt ORF1 starke Quoten: 679.000 sahen den Grand Prix von Deutschlan­d – beinahe jeder zweite TV-Konsument zwischen 12 und 49 Jahren war dabei
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Schwaches „Magazin 1“: Gadenstätt­er, Lenglinger
 ??  ?? Mit guten Quoten ergraut: Grissemann, Stermann
Mit guten Quoten ergraut: Grissemann, Stermann

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