Welche Urlaubsmängel bares Geld wert sind
Die jüngsten Urteile bei Urlauberfrust
Wiener Liste. Vier mehrstündige Stromausfälle bei einem zweiwöchigen Urlaub: Dafür bekamen Reisende 15 Prozent vom Pauschalpreis retour. Ein fehlender frontaler Meerblick trotz Zusage war immerhin noch 5 Prozent wert. Wenn die Nächte allerdings zur Qual werden, weil vor der Tür beim Volksfest bis in die Morgenstunden gefeiert wird, ist das ein wesentlicher Mangel: 40 Prozent zurück. Geld gab es auch für eine pfeifende Bewässerung und während der Nachtruhe bellende Hunde in der Hotelanlage: 7 Prozent. Keine Abgeltung wurde bei Beschwerden über Sand im Strandhotel-Zimmer fällig: Das entspricht der Lebenserfahrung, urteilte ein Gericht.
MICHAELA REIBENWEIN
Lange Schlangen am Buffet, erhebliche Wartezeiten, bis der Kellner das Essen an den Tisch bringt, manchmal verschmutztes Besteck: Wenn die Reiselust beim Essen getrübt wird, kann das als Urlaubsmangel gelten. Zehn Prozent der Reisekosten kann das den enttäuschten Urlaubern bringen. Kann. Denn die Richter am Handelsgericht haben auch schon entschieden: Wartezeiten sind kein Mangel. Sie sind im Zeitalter des Massentourismus’ hinzunehmen.
DerWiener Rechtsanwalt Eike Lindinger – er ist auf Reiserecht spezialisiert – sammelt alljährlich die aktuellsten Rechtssprechungen zu Urlaubsmängeln und veröffentlicht sie als „Wiener Liste“. Die Dauerbrenner bei den Beschwerden sind naheliegend: „Essen und Schimmel finden sich immer wieder“, sagt Lindinger. Aktuell besonders beliebt (weil immer wieder Thema von Beschwerden) dürfte Kuba als Destination sein.
Andere Standards Traumhafte Strände, amerikanische Oldtimer, Rum und Zigarren: Kuba ist das Sehnsuchtsziel vieler Österreicher. Die Realität dürfte einige Urlauber aber enttäuschen. Spätestens dann, wenn das Hotel den Ansprüchen nicht gerecht wird. Was einigen Reisenden nicht klar ist: Fünf Sterne in Kuba sind selten mit Fünf-Stern-Unterkünften in Österreich vergleichbar. Dennoch: Weil die Reinigung in einem Beschwerdefall deutlich mangelhaft und ein Fleck auf der Klomuschel war, gab es fünf Prozent des Pauschalreisepreises retour.
Zwar sei in Kuba mit einem gewissem Auftreten von Schimmel zu rechnen, meinte man im Bezirksgericht für Handelssachen in Wien. Wenn der aber sogar im Kleiderschrank zu finden Zimmerwechsel im Hotel: Wurden bisher oft „Übersiedelungs-Halbtage“zugestanden, gab es zuletzt nur 2,89 Euro für die Unannehmlichkeit Anwalt Lindinger durchforstet alljährlich die Rechtssprechung ist, sei „eine Grenze der Unannehmlichkeit“überschritten. In dem Fall gab es zehn Prozent Preisminderung.
In einem anderen Fall fiel der Strom aus – bei einem zweiwöchigen Aufenthalt gleich viermal (was jeweils rund sieben Stunden dauerte und auch die Wasserversorgung betraft) – dafür gab es 15 Prozent zurück.
Ein Klassiker bei den Beschwerden: Der fehlende frontale Meerblick vom Zimmer – das war immerhin fünf Prozentwert.
Lärm ist nicht gleich Lärm. Musik am Strand etwa ist in Kauf zu nehmen. „Es entspricht der Lebenserfahrung, dass tagsüber am Strand in den Sommermonaten Leben herrscht“, urteilte das Gericht. Dass am Strand Tavernen vorhanden sind, in denen auch Musik gespielt wird, ist normal – darauf muss auch nicht im Katalog hingewiesenwerden.
Nächtliches Volksfest Wenn der Lärm aber speziell nachts dafür sorgt, dass der Urlauber kein Auge zumachen kann, sieht die Sache schon anders aus. So haderte ein Reisender mit dem allnächtlichen Halligalli eines Volksfests. Das ist Lärmbelästigung, sagt das Handelsgericht und sprach 40 Prozent für die vomLärmbetroffenen Nächte zu.
Eine pfeifende Bewässerungsanlage und bellende Hunde in der Hotelanlage brachten einem Urlauber immerhin sieben Prozent. Kein Geld wiederum gab es für „hellhörige Zimmer“– der Urlauber konnte die Telefongespräche des Zimmernachbarnmithören.
Ein besonderes Erlebnis sollte eine Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn werden. Was der Reisende allerdings nicht bedacht hatte: Die Platzverhältnisse im Abteil sind eng, das Gepäck passte nicht unter die Liegebank und musste oberhalb des Gangs verstaut werden – für bewegungseingeschränkte Personen eine Herausforderung, bemängelte er. Zudem habe es nur eine winzige Waschgelegenheit und keine Duschmöglichkeit gegeben. Vor Gericht blitzte der Reisende ab. Die Erwartung des Reisenden sei vielleicht höher gewesen, die Leistung entsprach aber der gebuchten zweiten Klasse.
Wenn ein Zimmer in der Größe von 68 Quadratmetern gebucht wird, es tatsächlich aber nur 46 Quadratmeter plus Balkon hat, steht dem Urlauber aber sehr wohl Entschädigung zu: Zehn Prozent.
Wird ein Zimmerwechsel innerhalb des Hotels nötig, sprachen Gerichte bisher häufig einen „Übersiedelungshalbtag“zu – also 50 Prozent des Tagesreisepreises. Nun entschied das Bezirksgericht für Handelssachen anders: 15 Minuten für das Auspacken, 15 Minuten für das wieder Einpacken und übersiedeln. Bei einem Tagesreisepreis von 138,63 Euro bekamen die Urlauber nur 2,89 Euro für die Unannehmlichkeit.
Sand im Strandhotel Keinen einzigen Euro gab es für die Beschwerde, dass beim Essen im Freien Vögel anwesend waren. „Das ist eine natürliche Tatsache. Die Tische wurden einwandfrei gereinigt.“Ebenfalls kein Geld gab es bei einer Fotoreise für den Umstand, dass die Fotografin während der zweistündigen Fahrt die schwere Tasche auf dem Schoß unterbringen musste. Und wer in Griechenland Urlaub macht, muss damit rechnen, dass auch Sand im Zimmer des Strandhotels sein kann – das ist kein Mangel.