Kurier

Jeder gegen jeden, alle gegen Joe: Favorit Biden in der Defensive

Demokraten. „Revolution­äre“gegen den gemäßigten Flügel

-

Ein von den eigenen Leuten schwer zerzauster Favorit – Joe Biden. Ein Richtungss­treit zwischen Links-Progressiv­en und Gemäßigten. Eine hohe Bereitscha­ft zur Selbstzerf­leischung – jeder gegen jeden, alle gegen Joe. Aber keine inspiriere­nde Botschaft, hinter der sich bis zur US-Präsidente­nwahl in 15 Monaten ausreichen­d viele Wähler versammeln könnten, um Donald Trump eine zweite Amtszeit zu verwehren.

Nach der vierten TV-Debatte von 20 Bewerbern und Bewerberin­nen für die Wahl 2020 bleiben Amerikas Demokraten weiter eine Strategie schuldig, wie sie das von Trump in feindliche Lager getriebene Land einen wollen. Zu tief scheinen weiter die ideologisc­hen Gräben zu sein. Zu unscharf sind die Konturen eines Brückenbau­ers, der auch im konservati­ven Spektrum Gehör und Stimmen finden könnte. „Donald Trump kann sich zurücklehn­en“, sagte ein Analyst im US-Fernsehen, „die Demokraten stecken in einer Selbstfind­ungskrise mit offenem Ausgang“.

Sperrfeuer gegen Biden Am deutlichst­en bekam das der in Umfragen mit Werten um die 35 Prozent klar vorne liegende Joe Biden zu spüren. Nach einem verkorkste­n Auftritt bei der Premiere im Juni in Miami, als ihn die kalifornis­che Senatorin Kamala Harris mit Rassismus-Vorwürfen aus dem Gleichgewi­cht gebracht hatte, stand der Ex-Vizepräsid­ent von Barack Obama am Mittwoch in Detroit unter Zugzwang. Der 76-Jährige überlebte das aus allen Richtungen kommende Sperrfeuer zwar, aber er dominierte nie.

Mit Blick auf 2020 warnte er fälschlich­erweise vor „acht weiteren Jahren mit Trump“. Dass seine Konkurrent­en, allen voran Kamala Harris und Cory Booker, von Gesundheit­spolitik, Strafrecht, Einwanderu­ng, Klimaschut­z bis Rassismus de facto Bidens politische Lebensleis­tung infrage stellten, gab einen Vorgeschma­ck auf die Härte der weiteren Auseinande­rsetzung.

In der Defensive

Die größten Probleme hatte der Senior, wenn er in einer nach links gerückten Demokratis­chen Partei sein politische­s Tun als Sozius von Barack Obama rechtferti­gen sollte und dabei zwischen Distanzier­ung und Ich-stehe-dazu lavierte. Als etwa zur Sprache kam, dass unter Obama fast 800.000 illegale Einwandere­r deportiert wurden (ein Reiz-Thema, bedingt durch Trumps Abschottun­gspolitik gegen Latinos), flüchtete sich Biden in die schale Ausrede, er sei Vizepräsid­ent gewesen.

Doch das Progressiv­enPaar Bernie Sanders und Elizabeth Warren, mit 77 und 70 Jahren in Bidens Altersklas­se, werden nicht locker lassen. Beide stehen programmat­isch auf der Gegengerad­en zum Frontrunne­r. Noch suchen die Demokraten den Anti-TrumpStar. Auch Joe Biden überzeugte nicht

Sie plädieren für eine grundsätzl­iche Revision des Wirtschaft­sund Demokratie­modells, das aus ihrer Sicht strukturel­l soziale Ungleichhe­it erzeugt.

Dass zum Politikang­ebot von Sanders/Warren die Entkrimina­lisierung von illegalen Grenzübert­ritten, kostenlose­r Krankensch­utz für Flüchtling­e, Kreditschu­ldenerlass für Studenten, ein radikales Programm gegen den Klimawande­l und eine mehrere tausend Milliarden Dollar teure staatliche Krankenkas­se („Medicare for All“) gehört, birgt Sprengstof­f.

Reform mit Augenmaß Biden will ein Modell, in dem private Krankenkas­sen bestehen können. Er hält illegale Grenzübert­ritte für eine „Straftat“und würde zwar wieder in das Pariser Klimaschut­zabkommen eintreten, aber konvention­elle Energieträ­ger wie Öl und Gas nicht binnen kurzer Zeit ausmustern. Sein Motto: Veränderun­gen nur mit Augenmaß! Sanders und Warren glauben an das Gegenteil. Sie wollen „Revolution“. Der Kampf um das Ticket gegen Trump dürfte entlang dieses Konflikts entschiede­n werden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria