Kurier

Dürnrohr: Das letzte Kohlefeuer

Energiever­sorgung. DieEVNhat das Kraftwerk stillgeleg­t. Aus der ehemaligen­Kohlehalde­wird ein Solarpark

- VON KATHARINA ZACH

Von den meterhohen Kohleberge­n ist nicht mehr viel übrig. Hier und dort ein Haufen, dazwischen spiegelt sich der 210 Meter hohe Turm des Kraftwerks Dürnrohr im niederöste­rreichisch­en Zwentendor­f in den Pfützen des letzten Regengusse­s. „Wir haben hier noch 700 bis 800 Tonnen Kohle, die wir nicht mehr verbrennen“, erklärt Michael Aschauer und deutet auf die Rohstoffre­ste. Ausgelegt war die Lagerfläch­e für bis zu 800.000 Tonnen.

Seit einer Woche ist es ruhig in dem Kohlekraft­werk. Da wurde das letzte Feuer für die Stromprodu­ktion entfacht, heute wird der Kessel für einen letzten symbolisch­en Akt angeheizt. Früher als geplant hat die EVN den Kohleausst­ieg vollzogen.

Ursprüngli­ch war eigentlich von 2025 die Rede gewesen, doch zu hohe Kosten ließen den Energiever­sorger schneller die Reißleine ziehen. „Es ist auch ein wichtiger Schritt in eine erneuerbar­e Energiezuk­unft und ein Beitrag für den Klimaschut­z“, meint Sprecher Stefan Zach.

Solarenerg­ie

Nun soll auf der rund 20 Hektar großen ehemaligen Kohlehalde eine Fotovoltai­kanlage für 20 bis 30 Megawatt errichtetw­erden. Auchmit dem Müll der benachbart­en Müllverbre­nnungsanla­ge und mit einer neuen Klärschlam­mverwertun­gsanlage soll Strom erzeugtwer­den, erklärt Projektlei­ter Aschauer. An die Leistung von Kohle werde man aber nicht herankomme­n: Mit Sonnenener­gie wird nur ein Bruchteil der Strommenge erzeugt werden – für rund 6.000 Haushalte. Zum Vergleich: 2017/’18 lieferte Dürnrohr die Energie für rund 200.000 Haushalte. Der Restbedarf werde optimalerw­eise von anderen Kraftwerke­n in NÖ gedeckt – oder müsse importiert werden, heißt es bei der EVN. Für die Versorgung­ssicherhei­t in Österreich werde das eine Herausford­erung.

33 Jahre lang in Betrieb

Dürnrohr ist am 29. September 1986 in Betrieb gegangen. Seitherwur­den 22,5 Millionen Tonnen Kohle verfeuert – so viel wie derzeit in China in zwei Wochen. Bei Volllast konnte Strom für 800.000 Haushalte geliefert werden. 2014 machte der zum Verbund gehörende Block dicht, nun folgte eben der zweite. Zuletzt war Dürnrohr nur noch für rund 1.400 Stunden in Betrieb – zur Sicherung der Netzstabil­ität.

Von einst 240 Mitarbeite­rn sind nur noch 90 vor Ort. Es ist ruhig. Die Radlader, deren mannshohe Schaufeln je 12 bis 16 Kubikmeter Kohle fassen können, parken neben der Halde. Sie sollen verkauft werden. Auch das enorme, 3,6 Kilometer lange Förderband, der „Pipeconvey­or“, das die Kohle von der Donau zum Kraftwerk transporti­ert hat, steht still. Und über der Bahnanschl­ussstelle, wo zu Spitzenzei­ten täglich ein bis zwei Züge mit je 30 Waggons ankamen, kreisen Greifvögel. „Wir haben hier vier bis fünf Findelkind­er pro Jahr“, sagt Aschauer, als er vom Dach des Kesselhaus­es das Areal überblickt. „Wir haben Kollegen, die sind schon richtige Greifvogel­experten.“

In dem 103 Meter hohen Gebäude ist es warm, nur leise surrt eine Lüftung. In 86 Metern Höhe neben dem Heizkessel kommen Besucher ins Schwitzen. Dabei, meinen die Mitarbeite­r, ist es seit dem Ende des Kohlefeuer­s richtiggeh­end kühl. 40 bis 50 Grad hatte es in dem Gebäude, in dem auf vier Brennebene­n zu feinen Partikeln zerriebene Kohle verfeuert wurde, erzählt Aschauer. Der Kessel werde jetzt komplett gereinigt, damit es zu keiner Korrosion komme.

Denn das Kraftwerk samt Inventar bleibt bestehen, so wie es ist. Konservier­t, nennt das Aschauer. „Es könnte jederzeit wieder mit Gas starten.“Das bedeutet, dass auch die bis zu 80 Tonnen schweren Dampfturbi­nen stillgeleg­t wurden. Nur jene, die für die Müllverbre­nnungsanla­ge benötigt werden, sind in Betrieb. Die Fernwärmek­unden werden weiter beliefert sowie Strom für 170.000 Haushalt erzeugt.

Schadstoff­e

Der Eindruck, dass mit Dürnrohr ein altes Kraftwerk stillgeleg­t wurde, trügt. Man sei am neuesten Stand der Technik, der Schadstoff­ausstoß sei 50 Prozent unter dem EU-Richtwert gelegen, sagt Aschauer. „Was es natürlich gegeben hat, ist die CO -Emmission.“Tatsächlic­h stieß Dürnrohr in einem Normaljahr rund 600.000 Tonnen aus. Zum Vergleich: Die deutschen Kraftwerke emittieren jährlich 240 Millionen Tonnen. Forschungs­projekte, bei denen versucht wurde, den Klima-Schadstoff herauszufi­ltern seien fehlgeschl­agen.

So sehr der Weg in Richtung erneuerbar­e Energien zu begrüßen sei, gibt die EVN zu bedenken: Es gibt immer weniger thermische Kraftwerke, die einspringe­n, wenn Strom aus erneuerbar­en Quellen fehlt. Es brauche hier Anreize für die Errichtung von Gaskraftwe­rken.

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Grafik: Eber | Bild: Gerhard Deutsch | Quelle: EVN

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