Kurier

„Es wird aWein sein...“

Der Heurige. AnheißenTa­gen wie diesen zieht es dieWiener in schattigeW­eingärten. Und das seit 1200 Jahren schon

- NLK FILZWIESER GEORG MARKUS

Geschichte­n mit Geschichte

Wen es in diesen heißen Tagen zu einem kühlen „G’spritzten“in einen schattigen Weingarten zieht, der wird wohl kaum daran denken, dass die Institutio­n des Wiener Heurigen schon mehr als 1200 Jahre alt ist. Die Winzer dieser Stadt wurden im Jahr 795 das erste Mal aufgeforde­rt, ihren selbst angebauten Wein auszuschen­ken. Das war die Geburtsstu­nde des Heurigen, an dessen Grundprinz­ipien sich bis heute nicht viel geändert hat: Ein am Eingang eines Winzerhaus­es befestigte­r „Buschen“aus grünen Föhrenzwei­gen zeigt Freunden edler Tropfen an, dass es hier Wein „der letzten Fechsung“gibt.

Die Blütezeit

Es sollten dann fast 1000 Jahre vergehen, bis Kaiser Joseph II. die gesetzlich­e Grundlage für den Heurigen schuf. Als er am 17. August 1784 jedem Hauer gestattete, „selbst erzeugte Lebensmitt­el, Wein und Most wie, wann und in welchem Preise er will, zu verkaufen oder auszuschen­ken.“Damit begann die Blütezeit des Heurigen, die vorerst ihr Ende fand, als Wiens Vorstädte eingemeind­et und auf diese Weise riesige Weingebiet­e in Bauland umgewidmet­wurden. Auch heute noch werden alte Winzerhäus­er an Immobilien­träger verkauft und abgerissen, aber dies ändert nichts an der Gesamtzahl der rund 100 Wiener Heurigenbe­triebe, da immer wieder neue hinzukomme­n. „In Wien gibt es jedenfalls kein Heurigenst­erben“, sagt Elmar Feigl vom „Verein derWiener Heurigen“.

Verbotener Wein

Viel älter als der Heurige ist natürlich der Wein selbst, den gibt es schon seit 7000 Jahren. Vor zwei Jahrtausen­den passierte dann Schrecklic­hes, als nämlich Rom den Weinanbau in all seinen Provinzen untersagte. Womit auch in und um Vindobona, der weinseligs­ten Stadt des Reiches, das Pflanzen der Reben verboten war. Der Grund: Die bekannterm­aßen dem Alkoholgen­uss zugeneigte­n Römer fürchteten – nicht ganz zu Unrecht wohl –, dass unser Tropfen ihrem eigenen eine allzu starke Konkurrenz sein könnte.

Der Kaiser Probus

Erst der römische Kaiser Probus hob das Verbot wieder auf, was wir ihm nie vergessen werden: Im Wiener Heurigenvi­ertel Heiligenst­adt erinnert heute noch eine Gasse an ihn, und das populäre Heurigenli­ed „Es steht ein alter Nussbaum“besingt ihn mit der schönen Zeile: „Ja, der Kaiser Probus, kennt den ganzen Globus“.

Zwar zählt Österreich zu den führenden Weinländer­n Europas, doch wurde hier in früheren Zeiten wesentlich mehr angebaut als heute. Hauptgrund für den dramatisch­en Rückgang war ein katastroph­ales Weingarten­sterben im 19. Jahrhunder­t, als weite Teile des Landes von der Reblaus befallen wurden.

Dieses mit den Worten „I muss im früher’n Leben a Reblaus g’wesen sein“oft besungene, aber keineswegs liebenswer­te Tier war 1872 durch kalifornis­che Reben eingeschle­ppt worden und verbreitet­e sich so rasant, dass der Rebenhande­l zeitweise zum Erliegen kam. Ganze Weinberge mussten gerodet werden, Winzer verarmten, und doch konnte man der Reblaus jahrzehnte­lang nicht Herrwerden.

Moser und die „Reblaus“Hans Moser, der berühmtest­e Interpret der „Reblaus“, hasste das Lied, weil darin ein Schmarotze­r besungen wurde, der den Wein zerstörte. Er selbst saß auch privat gern beim Heurigen. Als einer von vielen Künstlern, die zu allen Zeiten die anregende Atmosphäre der Buschensch­anken zu schätzen wussten.

Allen voran Franz Schubert, der sich 1821 im Wiener Vorort Salmannsdo­rf im ersten Stock eines Winzerhaus­es einmietete und diese Nachbarsch­aft mit seinen Zechkumpan­en ausgiebig zu nutzen wusste. Nachdem er bei einem Grinzinger Heurigen eingekehrt war, notierte sein Freund Hartmann: „Wir alle waren rauschig, besonders aber Schubert. Um zwölf Uhr nachHause.“

Heurigen-Prominenz

Oft gesehen in Buschensch­anken wurden auch Ludwig van Beethoven – dessen 35 Wiener Wohnungen großteils in Heurigenge­genden lagen –, Anton Bruckner, Franz Grillparze­r und Ferdinand Raimund. Erwähnensw­ert in diesem Zusammenha­ng, dass die Leber des Volksdicht­ers – wie seinem Obduktions­befund zu entnehmen ist – „widernatür­lich groß“gewesen sei.

Der Heurige und der Tod Apropos: So fesch kann die Hetz gar nicht sein, dass beim Heurigen der Tod nicht ständig präsent wäre. Vor allem dann, wenn „aufg’spielt“wird. Kaum ein Heurigenli­ed, in dem das Sterben nicht besungen wird: „Es wird aWein sein und wir werden nimmer sein“, „Warum gibt´s im Himmel kann heurigen Wein“, „Verkauft’s mei G’wand, i fahr in Himmel“oder .„Erst wenn’s aus wird sein mit aner Musi und anWein“.

Klimawande­l

Doch geeichte Drahrer wissen, dass es so bald nicht aus sein wird mit ana Musi und schon gar nicht mit an Wein. Der Heurige hat alle Katastroph­en überlebt, die je über unser Land hereingebr­ochen sind: das Weinbauver­bot der Römer ebenso wie Kriege, die Pest und den Glykolskan­dal im Jahr 1985.

Gedanken machen sich die Winzer und Heurigenwi­rte dennoch über den Klimawande­l. Dieser habe bisher zwar keine Auswirkung­en auf die Qualität der Eigenbauwe­ine, hört man aus dem „Verein der Wiener Heurigen“, aber die große Hitze verleitet immer mehr Wiener an Nachmittag­en ins Schwimmbad statt zum Heurigen zu gehen.

 ??  ?? Kaiser Joseph II. schuf die gesetzlich­e Grundlage für die Institutio­n des Wiener Heurigen. Ein Blick zurück ins Jahr 1891 durch die Zeichnung „Beim Heurigen“von Wilhelm Gause
Kaiser Joseph II. schuf die gesetzlich­e Grundlage für die Institutio­n des Wiener Heurigen. Ein Blick zurück ins Jahr 1891 durch die Zeichnung „Beim Heurigen“von Wilhelm Gause
 ??  ?? Sie waren begeistert­e Heurigenge­her: Schubert, Beethoven, Ferdinand Raimund (von oben)
Sie waren begeistert­e Heurigenge­her: Schubert, Beethoven, Ferdinand Raimund (von oben)
 ??  ?? Begnadetes Musikerqua­rtett beim Heurigen: Hans Moser, Hans Holt, Paul Hörbiger und Fritz Imhoff (von links) in dem Film „Schrammeln“
Begnadetes Musikerqua­rtett beim Heurigen: Hans Moser, Hans Holt, Paul Hörbiger und Fritz Imhoff (von links) in dem Film „Schrammeln“
 ??  ?? In Wien gibt es rund 100 Heurigenlo­kale: hier der Mayer am Pfarrplatz
In Wien gibt es rund 100 Heurigenlo­kale: hier der Mayer am Pfarrplatz
 ??  ?? Ein am Winzerhaus befestigte­r „Buschen“aus grünen Föhrenzwei­gen zeigt an, dass hier „ausg’steckt is“
Ein am Winzerhaus befestigte­r „Buschen“aus grünen Föhrenzwei­gen zeigt an, dass hier „ausg’steckt is“
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