Kurier

Wir müssen draußen bleiben

Attersee. Die Politik entdeckt denWert des freien Seezugangs. DieVerhält­nisse kann sie aber kaumändern

- VON MATTHIAS NAGL (siehe Kasten).

Auch Gustav Mahler hat ein Hütterl am Attersee. Nach einer langjährig­en fachfremde­n Karriere als Campingpla­tz-Klosett erfüllt das Komponierh­ütterl direkt am Seeufer in Steinbach nun als Mini-Museum wieder seinen Zweck. Als der Komponist zwischen 1893 und 1896 hier seine dritte Symphonie komponiert­e, war das Ufer des größten zur Gänze in Österreich liegenden Sees noch kaum verbaut. Und diese Verbauung war auch noch kein Thema. Heute ist das ganz anders. 76 Prozent des Seeufers sind mittlerwei­le in Privatbesi­tz, nur 13 Prozent sind öffentlich zugänglich, enthüllte kürzlich Addendum.

Georg Föttinger sitzt an einem wolkenverh­angenen Sommertag der vergangene­n Woche auf der Terrasse seines Hotels in Steinbach am Attersee und erzählt, wie es dazu kam: „Das Ganze ist in der Großeltern-Generation geschehen. Die meisten Seeflächen waren früher im Besitz der Bauern.“Diese nutzten das Seeufer als Lagerplatz für das Holz aus den umliegende­nWäldern, das für die Salinen des Salzkammer­guts oder später die Holzwirtsc­haft fortgeflöß­tworden ist.

„Nach dem Krieg haben die Bauern die Flächen nicht mehr gebraucht, für den Anbau waren sie aufgrund der Nähe zum See ungeeignet. Darum sind sie großteils verkauft worden“, erklärt Föttinger.

Unterach als Vorbild

Und darum reiht sich heute am Ufer Hecke an Hecke, Zaun an Zaun und „Privat“Schild an „Betreten verboten“-Schild. Die Szenerie wird nur von einzelnen frei zugänglich­en Flächen durchbroch­en. In den Anrainerge­meinden gibt es öffentlich­e Strandbäde­r. In Österreich gibt es nur am Wörthersee mehr Privatbesi­tz am Seeufer.

An einer der frei zugänglich­en Stellen, am öffentlich­en Badeplatz in Unterach am Attersee, sitzt Patricia Dvorak auf einem Steg. Die Wienerin verbringt hier mit ihrem Sohn einige Tage Urlaub. „Ich finde, dass es zu wenige öffentlich­e Badestelle­n hier gibt. Es wäre schön, wenn es mehr wären“, sagt sie. Wobei es Dvorak nicht um die Kostenfrei­heit geht. „Ein Strandbad finde ich genauso super“, meint sie. Wenige Meter von ihrem Sitzplatz entfernt hat 2016 die Gemeinde Unterach mit Unterstütz­ung des Landes ein Stück Seeufer angekauft und der Öffentlich­keit zur Verfügung gestellt.

Eine Zunahme solcher Flächen fordert Gottfried Hirz mit Vehemenz. Er ist Klubobmann der Grünen im Landtag und dort Abgeordnet­er für den Bezirk. „Wir haben ein Verhältnis, das sich in Richtung Öffentlich­keit verändern sollte“, sagt Hirz. „Es war relativ wenig Bewusstsei­n dafür da. Inzwischen gibt es ein bisschen ein Umdenken“, erklärt er und spricht das Beispiel Unterach an. Vor Kurzem haben die Grünen einen Etappensie­g errungen

„Gibt genug Zugänge“

Es gibt aber auch andere Meinungen. „Dadurch, dass der Hotel-Tourismus in der Region relativ tot ist, gibt es genug öffentlich­e Flächen“, sagt Christophe­r Titze, der in der Nähe des Seeswohnt. „Es gibt entlang des Sees zwischen den Privatplät­zen immer wieder freie Zugänge. Auch dieser Platz hier ist sehr selten wirklich voll“, sagt Titze über den Badeplatz in Unterach. Urlauberin Dvorak würde sich über mehr freie Seezugänge freuen

Föttinger, der auch im Aufsichtsr­at des Tourismusv­erbandes Attersee-Attergau sitzt, sieht wenig Änderungsb­edarf noch -möglichkei­ten an der aktuellen Situation. „Sicher wäre es schön, wenn wir Uferpromen­aden hätten, aber das wird es nicht spielen“, sagt er. „Die Zeit ist vorbei, wo diese Flächen leistbar waren“, erklärt Föttinger. Zudem sei die Situation mittlerwei­le seit Jahrzehnte­n konstant.

„Es hat kaum Situatione­n gegeben, wo öffentlich­e Flächen verkauft worden sind“, sagt der Hotelier. Auch er glaubt, dass Flächen eher in öffentlich­en Besitz kommen werden. „Wo es Möglichkei­ten gibt, wird das Land zuschlagen“, sagt er.

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Die Allgemeinh­eit muss draußen bleiben. Am Attersee ist das der Regelfall, auch wenn der Zugang nicht überall so abgeriegel­t ist wie hier
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 ??  ?? Hotelier Georg Föttinger hat Gustav Mahlers Komponierh­äuschen revitalisi­ert. Er sieht wenig Chance auf mehr freie Zugänge. Die Zeit der leistbaren Flächen sei vorbei
Hotelier Georg Föttinger hat Gustav Mahlers Komponierh­äuschen revitalisi­ert. Er sieht wenig Chance auf mehr freie Zugänge. Die Zeit der leistbaren Flächen sei vorbei
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