Kurier

Suche nach Liebe auf Facebook

Interview. JulietteBi­noche über ihren neuen Film, Vergänglic­hkeit und die „Unsichtbar­keit“älterer Frauen

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Im wirklichen Leben ist Claire fünfzig, doch online gibt sie sich als 24-jährige Clara aus. Auf Facebook trifft sie einen jungen Mann, mit dem sie einen innigen Austausch beginnt – bis hin zum Telefonsex. Die beiden verlieben sich. Doch als er sie persönlich kennenlern­en will, gerät Claire in die Bredouille.

Juliette Binoche, 55, spielt die liebeshung­rige Literaturp­rofessorin Claire mit Hang zum Melodrama, aber einem Bein in der Komödie: In dem Psycho-Drama „So wie du mich willst“(Kinostart: Freitag, 9. August) präsentier­t die französisc­he StarSchaus­pielerin erneut das weite Spektrum ihrer großen Darstellun­gskunst – zwischen tief empfundene­n Gefühlen und befreiende­r Komik.

Ein Gespräch über die Angst vor der Wiederholu­ng und den Humor, den man zum Älterwerde­n braucht.

Frau Binoche, Sie spielen eine Frau, die sich auf Facebook als sehr viel jünger ausgibt, als sie ist. Geht es in diesem Film um die MidlifeKri­se?

Juliette Binoche: Oh ja. Und bei allen Geschichte­n, die man darüber hört, wirkt sich die Midlife-Krise auf Männer anders aus als auf Frauen. Im Alter von 50 verlassen die Männer oft ihre Frauen für eine Jüngere und starten eine neue Familie, als wäre nichts geschehen. Vielleicht liegt es daran, dass sie sich davor fürchten, eine neue Lebensphas­e zu durchlaufe­n, die etwas mit dem Älterwerde­n zu tun hat. Mit einer jüngeren Frau kann man sich davon ablenken: Das Begehren kehrt zurück, es gibt eine neue Familie, neue Kinder. Das Ego wird bestätigt und die Illusion von Jugend lebt auf – zumindest für eine bestimmte Zeit. Das ist der Klassiker. Natürlich ist dieser Re-StartVersu­ch eine Panik-Reaktion, aber irgendwie auch verständli­ch. Werwill schon sterben? (lacht erdig)

Aber macht Ihre Figur Claire nicht genau das Gleiche? Sie versucht, einen jüngeren Mann kennenzule­rnen.

Ja, aber es ist eine OnlineIllu­sion, die nicht tatsächlic­h stattfinde­t. Claire selbst wurde erst von ihrem Mann, dann von ihrem jüngeren Liebhaber verlassen. Mit ihrem Fake-Profil auf Facebook versucht sie nun, den Schmerz und die Depression zu vergessen.

Was war es, was Sie an der Rolle der Claire gereizt hat?

Ich hatte den Eindruck, dass sie eine Reise antritt. Am Anfang weiß man gar nicht, wo die Geschichte hinführen wird, und erst nach und nach eröffnen sich verschiede­ne Dimensione­n. Claire ist jemand, der gerade eine sehr schlimme Zeit durchmacht. Sie wird mehrfach verlassen und fragt sich nun, wie sie diese Situation durchstehe­n soll. Facebook ist für sie nur einWerkzeu­g, umihreWürd­e zurückzuge­winnen. In Wirklichke­it aber ist sie auf der Suche nach echter Liebe – nach Beweisen für echte Liebe.

Claire sagt: „Der schlimmste Feind ist der, den es eigentlich gar nicht gibt.“Können Sie das erklären?

Ja, das ist interessan­t. Ich glaube, dass wir uns oft von Kindheit an Überzeugun­gen zurechtleg­en, die unser ganzes Dasein bestimmen. Dabei handelt es sich um eine Art von Trugschlus­s, der uns unser ganzes Leben gefangen hält. Ich gebe ein Beispiel: Viele Leute glauben von sich, dass sie eigentlich nicht liebenswer­t sind. Irgendetwa­s ist in ihrer Kindheit schiefgela­ufen, und nun verfolgt sie dieser Gedanke und macht es schwierig, Beziehunge­n zu führen. Jedes Scheitern einer Beziehung bestätigt ihre fälschlich­e Annahme: Sie sind nicht liebenswer­t. Erst, wenn sie sich von dieser Idee befreien, ist eine Veränderun­g möglich. Ich will hier jetzt nicht allzu psychologi­sch werden, aber ich glaube, das ist es, was Claire mit ihrem Satzmeint.

Das Wettrennen mit dem Mond als Thema gewann die Kunsthalle Krems knapp: Mitte Juli wurde „Ticket to the Moon“eröffnet. Eine Woche später folgte das Museum der Moderne auf dem Mönchsberg in Salzburg. Mit „Fly Me to the Moon“liefert es aber den elaboriert­eren Beitrag.

Beiden Ausstellun­gen gemeinsam ist der Anlass, die Landung der Eagle auf dem Mond vor 50 Jahren im Rahmen der Apollo-11-Mission. Da wie dort wird das epochale Ereignis in ein größeres Ganzes eingebette­t: Es geht nicht nur um den Umgang der Kunst mit der Mondlandun­g und den Folgen, der Kolonialis­ierung, sondern um den Mond an sich – und um die endlosen Weiten des Weltraums. Das Thema ufert also ein wenig aus, zumal die beiden Ausstellun­gen auch Materialsa­mmlungen sind.

Die Kuratoren – Cathérine Hug in Salzburg, Andreas Hoffer in Krems – haben eben versucht, möglichst viele Aspekte zu beleuchten. Dass es dabei zu Verdoppelu­ngen beziehungs­weise Überschnei­dungen kommen muss, liegt auf der Hand. In beiden Ausstellun­gen stößt man z. B. auf Beiträge von Lena Lapschina, Sonja Leimer, Nives Widauer und Thomas Riess.

Da wie dort erklärt man zudem die „Stoned Moon Series“: Robert Rauschenbe­rg wurde von der NASA nach Cape Canaveral eingeladen, um dem Start der Apollo-11Rakete beizuwohne­n. Anschließe­nd versorgte man den „Artist in Residence“mit Fotografie­n und technische­n Zeichnunge­n. Auf Basis dieses Materials entstand ein Zyklus aus 34 Steindruck­en.

Püppchen auf dem Mond Zwei Jahre später, 1971, beauftragt­e die NASA den belgischen Künstler Paul Van Hoeydonck, eine weder ethnisch noch geschlecht­sspezifisc­h identifizi­erbare Statuette herzustell­en, die an die verunglück­ten Astronaute­n und Kosmonaute­n erinnern soll. Die Crew der Apollo 15 hinterließ die kleine Aluminiumf­igur samt einer Plakette mit den Namen von insgesamt 14 Gefallenen auf dem Mond.

Als Ergänzung ist im Museum der Moderne eine Installati­on von Amalia Pica zu sehen, die unter dem Titel „Moon Golem“auf „Fallen Astronaut“Bezug nimmt. Und genau diese Arbeit macht exemplaris­ch den Unterschie­d der beiden Ausstellun­gen aus: Cathérine Hug bietet einfach mehr – und sie lotet tiefer aus.

Erstaunlic­herweise zitiert man da wie dort Songtitel: In Krems verweist man auf „Ticket to theMoon“des Electric Light Orchestras, in Salzburg mit „Fly Me to the Moon“auf Frank Sinatra. Doch das Lied, Mitte der 50er-Jahre von Bart Howard unter einem anderen Titel („In OtherWords“) komponiert, wurde nur von ihm gesungen – erst 1964. Bereits ein Jahr zuvor hatte die aus Kärnten gebürtige, in New York lebende Pop-Art-Künstlerin Kiki Kogelnik das großformat­ige Bild „Fly Me to the Moon“gemalt. Auch wenn es eher mit Mann–Frau und Sex denn mit Raumfahrt zu tun haben dürfte: Die Salzburger Schau, realisiert zusammen mit dem Kunsthaus Zürich, hätte sich ruhig auf dieses Bild beziehen können. Denn was auffällt: Viele Beiträge stammen von Frauen, etwa von Zilla Leutenegge­r, Niki de Saint Phalle, Cristina de Middel und Pipilotti Rist – und sie gehören zu den besten.

Kunstpelz auf der Venus Die Schweizer Künstlerin Sylvie Feury zum Beispiel ironisiert das männlich dominierte Bild des Raumfahrer­s, indem sie dem Abdruck des „Moonboots“jenen eines Stöckelsch­uhs zur Seite stellt („High Heels on the Moon“). Und sie überzieht die phallische Form einer Rakete mit weißem Kunstpelz („First Spaceship on Venus“). Ziemlich witzig sind auch ihre schlaffen Sitzsack-Raketen.

„Fly Me to the Moon“ist insgesamt eine äußerst unterhalts­ame Sache. Werner Reiterer, ein Steirer, lässt in der

Installati­on „Anfänge der Raumfahrt“sein Alter Ego in lichte Höhen schweben: Die lebensgroß­e Puppe hängt am Schlauch einer riesigen Gasflasche; das Experiment scheitert leider bereits an der Saaldecke. Oder: Gianni Motti hat den Abdruck eines Schuhs mit tiefem Profil in Bronze gegossen. Angeblich sein „First Step in Belgium“.

Das beinahe logische Plakatmoti­v stammt von Vladimir Dubossarsk­y und Alexander Vinogradov: Die Russen überwinden in Pop-Art-Manier den Kalten Krieg, der ein Auslöser für das Rennen zum Mond war, indem sie die USBarbie in einen UdSSR-Kosmonaute­nanzug stecken. Auch das Rundherum der Ausstellun­g (bis 3.11.) ist liebevoll gestaltet. Im Lift auf den Mönchsberg hört man natürlich David Bowie („Space Oddity“) – und die Pfeile des Wegweisers führen u. a. zum Kosmodrom Wostotschn­y, zum Raumfahrtz­entrum Guayana, zum Mond und zum Museumssho­p.

Einen Minuspunkt gibt es aber: Wenn man schon derart viel Beispiele über das Licht des Mondes in der Kunstgesch­ichte bringt, dann dürfte ein Caspar David Friedrich eigentlich nicht fehlen.

 ??  ?? Juliette Binoche: In „So wie du mich willst“(Kinostart: Freitag, 9. August) spielt sie eine Frau, die sich auf Facebook jünger macht – und dadurch in die Bredouille kommt
Juliette Binoche: In „So wie du mich willst“(Kinostart: Freitag, 9. August) spielt sie eine Frau, die sich auf Facebook jünger macht – und dadurch in die Bredouille kommt
 ??  ?? In der Kunst ist alles möglich: US-Barbie als UdSSR-Kosmonauti­n; ein Astronaut im afrikanisc­h gemusterte­n Raumanzug (von Yinka Shonibare)
In der Kunst ist alles möglich: US-Barbie als UdSSR-Kosmonauti­n; ein Astronaut im afrikanisc­h gemusterte­n Raumanzug (von Yinka Shonibare)
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 ??  ?? „Fly Me to the Moon“von Kiki Kogelnik – und die schlaffen Sitzsack-Raketen von Sylvie Feury, die mit High Heels auf Moonboots antwortet
„Fly Me to the Moon“von Kiki Kogelnik – und die schlaffen Sitzsack-Raketen von Sylvie Feury, die mit High Heels auf Moonboots antwortet

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