Suche nach Liebe auf Facebook
Interview. JulietteBinoche über ihren neuen Film, Vergänglichkeit und die „Unsichtbarkeit“älterer Frauen
Im wirklichen Leben ist Claire fünfzig, doch online gibt sie sich als 24-jährige Clara aus. Auf Facebook trifft sie einen jungen Mann, mit dem sie einen innigen Austausch beginnt – bis hin zum Telefonsex. Die beiden verlieben sich. Doch als er sie persönlich kennenlernen will, gerät Claire in die Bredouille.
Juliette Binoche, 55, spielt die liebeshungrige Literaturprofessorin Claire mit Hang zum Melodrama, aber einem Bein in der Komödie: In dem Psycho-Drama „So wie du mich willst“(Kinostart: Freitag, 9. August) präsentiert die französische StarSchauspielerin erneut das weite Spektrum ihrer großen Darstellungskunst – zwischen tief empfundenen Gefühlen und befreiender Komik.
Ein Gespräch über die Angst vor der Wiederholung und den Humor, den man zum Älterwerden braucht.
Frau Binoche, Sie spielen eine Frau, die sich auf Facebook als sehr viel jünger ausgibt, als sie ist. Geht es in diesem Film um die MidlifeKrise?
Juliette Binoche: Oh ja. Und bei allen Geschichten, die man darüber hört, wirkt sich die Midlife-Krise auf Männer anders aus als auf Frauen. Im Alter von 50 verlassen die Männer oft ihre Frauen für eine Jüngere und starten eine neue Familie, als wäre nichts geschehen. Vielleicht liegt es daran, dass sie sich davor fürchten, eine neue Lebensphase zu durchlaufen, die etwas mit dem Älterwerden zu tun hat. Mit einer jüngeren Frau kann man sich davon ablenken: Das Begehren kehrt zurück, es gibt eine neue Familie, neue Kinder. Das Ego wird bestätigt und die Illusion von Jugend lebt auf – zumindest für eine bestimmte Zeit. Das ist der Klassiker. Natürlich ist dieser Re-StartVersuch eine Panik-Reaktion, aber irgendwie auch verständlich. Werwill schon sterben? (lacht erdig)
Aber macht Ihre Figur Claire nicht genau das Gleiche? Sie versucht, einen jüngeren Mann kennenzulernen.
Ja, aber es ist eine OnlineIllusion, die nicht tatsächlich stattfindet. Claire selbst wurde erst von ihrem Mann, dann von ihrem jüngeren Liebhaber verlassen. Mit ihrem Fake-Profil auf Facebook versucht sie nun, den Schmerz und die Depression zu vergessen.
Was war es, was Sie an der Rolle der Claire gereizt hat?
Ich hatte den Eindruck, dass sie eine Reise antritt. Am Anfang weiß man gar nicht, wo die Geschichte hinführen wird, und erst nach und nach eröffnen sich verschiedene Dimensionen. Claire ist jemand, der gerade eine sehr schlimme Zeit durchmacht. Sie wird mehrfach verlassen und fragt sich nun, wie sie diese Situation durchstehen soll. Facebook ist für sie nur einWerkzeug, umihreWürde zurückzugewinnen. In Wirklichkeit aber ist sie auf der Suche nach echter Liebe – nach Beweisen für echte Liebe.
Claire sagt: „Der schlimmste Feind ist der, den es eigentlich gar nicht gibt.“Können Sie das erklären?
Ja, das ist interessant. Ich glaube, dass wir uns oft von Kindheit an Überzeugungen zurechtlegen, die unser ganzes Dasein bestimmen. Dabei handelt es sich um eine Art von Trugschluss, der uns unser ganzes Leben gefangen hält. Ich gebe ein Beispiel: Viele Leute glauben von sich, dass sie eigentlich nicht liebenswert sind. Irgendetwas ist in ihrer Kindheit schiefgelaufen, und nun verfolgt sie dieser Gedanke und macht es schwierig, Beziehungen zu führen. Jedes Scheitern einer Beziehung bestätigt ihre fälschliche Annahme: Sie sind nicht liebenswert. Erst, wenn sie sich von dieser Idee befreien, ist eine Veränderung möglich. Ich will hier jetzt nicht allzu psychologisch werden, aber ich glaube, das ist es, was Claire mit ihrem Satzmeint.
Das Wettrennen mit dem Mond als Thema gewann die Kunsthalle Krems knapp: Mitte Juli wurde „Ticket to the Moon“eröffnet. Eine Woche später folgte das Museum der Moderne auf dem Mönchsberg in Salzburg. Mit „Fly Me to the Moon“liefert es aber den elaborierteren Beitrag.
Beiden Ausstellungen gemeinsam ist der Anlass, die Landung der Eagle auf dem Mond vor 50 Jahren im Rahmen der Apollo-11-Mission. Da wie dort wird das epochale Ereignis in ein größeres Ganzes eingebettet: Es geht nicht nur um den Umgang der Kunst mit der Mondlandung und den Folgen, der Kolonialisierung, sondern um den Mond an sich – und um die endlosen Weiten des Weltraums. Das Thema ufert also ein wenig aus, zumal die beiden Ausstellungen auch Materialsammlungen sind.
Die Kuratoren – Cathérine Hug in Salzburg, Andreas Hoffer in Krems – haben eben versucht, möglichst viele Aspekte zu beleuchten. Dass es dabei zu Verdoppelungen beziehungsweise Überschneidungen kommen muss, liegt auf der Hand. In beiden Ausstellungen stößt man z. B. auf Beiträge von Lena Lapschina, Sonja Leimer, Nives Widauer und Thomas Riess.
Da wie dort erklärt man zudem die „Stoned Moon Series“: Robert Rauschenberg wurde von der NASA nach Cape Canaveral eingeladen, um dem Start der Apollo-11Rakete beizuwohnen. Anschließend versorgte man den „Artist in Residence“mit Fotografien und technischen Zeichnungen. Auf Basis dieses Materials entstand ein Zyklus aus 34 Steindrucken.
Püppchen auf dem Mond Zwei Jahre später, 1971, beauftragte die NASA den belgischen Künstler Paul Van Hoeydonck, eine weder ethnisch noch geschlechtsspezifisch identifizierbare Statuette herzustellen, die an die verunglückten Astronauten und Kosmonauten erinnern soll. Die Crew der Apollo 15 hinterließ die kleine Aluminiumfigur samt einer Plakette mit den Namen von insgesamt 14 Gefallenen auf dem Mond.
Als Ergänzung ist im Museum der Moderne eine Installation von Amalia Pica zu sehen, die unter dem Titel „Moon Golem“auf „Fallen Astronaut“Bezug nimmt. Und genau diese Arbeit macht exemplarisch den Unterschied der beiden Ausstellungen aus: Cathérine Hug bietet einfach mehr – und sie lotet tiefer aus.
Erstaunlicherweise zitiert man da wie dort Songtitel: In Krems verweist man auf „Ticket to theMoon“des Electric Light Orchestras, in Salzburg mit „Fly Me to the Moon“auf Frank Sinatra. Doch das Lied, Mitte der 50er-Jahre von Bart Howard unter einem anderen Titel („In OtherWords“) komponiert, wurde nur von ihm gesungen – erst 1964. Bereits ein Jahr zuvor hatte die aus Kärnten gebürtige, in New York lebende Pop-Art-Künstlerin Kiki Kogelnik das großformatige Bild „Fly Me to the Moon“gemalt. Auch wenn es eher mit Mann–Frau und Sex denn mit Raumfahrt zu tun haben dürfte: Die Salzburger Schau, realisiert zusammen mit dem Kunsthaus Zürich, hätte sich ruhig auf dieses Bild beziehen können. Denn was auffällt: Viele Beiträge stammen von Frauen, etwa von Zilla Leutenegger, Niki de Saint Phalle, Cristina de Middel und Pipilotti Rist – und sie gehören zu den besten.
Kunstpelz auf der Venus Die Schweizer Künstlerin Sylvie Feury zum Beispiel ironisiert das männlich dominierte Bild des Raumfahrers, indem sie dem Abdruck des „Moonboots“jenen eines Stöckelschuhs zur Seite stellt („High Heels on the Moon“). Und sie überzieht die phallische Form einer Rakete mit weißem Kunstpelz („First Spaceship on Venus“). Ziemlich witzig sind auch ihre schlaffen Sitzsack-Raketen.
„Fly Me to the Moon“ist insgesamt eine äußerst unterhaltsame Sache. Werner Reiterer, ein Steirer, lässt in der
Installation „Anfänge der Raumfahrt“sein Alter Ego in lichte Höhen schweben: Die lebensgroße Puppe hängt am Schlauch einer riesigen Gasflasche; das Experiment scheitert leider bereits an der Saaldecke. Oder: Gianni Motti hat den Abdruck eines Schuhs mit tiefem Profil in Bronze gegossen. Angeblich sein „First Step in Belgium“.
Das beinahe logische Plakatmotiv stammt von Vladimir Dubossarsky und Alexander Vinogradov: Die Russen überwinden in Pop-Art-Manier den Kalten Krieg, der ein Auslöser für das Rennen zum Mond war, indem sie die USBarbie in einen UdSSR-Kosmonautenanzug stecken. Auch das Rundherum der Ausstellung (bis 3.11.) ist liebevoll gestaltet. Im Lift auf den Mönchsberg hört man natürlich David Bowie („Space Oddity“) – und die Pfeile des Wegweisers führen u. a. zum Kosmodrom Wostotschny, zum Raumfahrtzentrum Guayana, zum Mond und zum Museumsshop.
Einen Minuspunkt gibt es aber: Wenn man schon derart viel Beispiele über das Licht des Mondes in der Kunstgeschichte bringt, dann dürfte ein Caspar David Friedrich eigentlich nicht fehlen.