Kurier

Radikaler Parcours der Schmerzen

Kritik. Chris Haring/Liquid Loft mit „Stand-Alones [polyphony]“im LeopoldMus­eumbei ImPulsTanz

- VON PETER JAROLIN

Ja, Kunst kann mitunter wehtun. Sie kann irritieren, provoziere­n, schockiere­n, verstörenu­nd für heftige Diskussion­en sorgen. Das musste bereitsEgo­n Schiele am eigenen Leib erfahren, dessen Werke –lange bevor sie Kult status erlangten und im Wiener Leopold Museum eine Art Heimatf anden–allerlei Anfeindung­en ausgesetzt waren.

Schiele weiter gedacht Für das Festival ImPulsTanz wandelt nun ChrisHa ring mit seiner famosen Truppe Liquid Loft auf den Spuren Schieles und gibt – naturgemäß im Leopold Museum – dem Maler-Genie all seine Radikalitä­t zurück. Aber:Ha ring und seine acht Per forme rinnen und Per form er bespielen nicht die Bilde rund spielen nicht mit ihnen. Sie bleibenin den leeren Räumendes Untergesch­oßes, stellen die Motive Schieles aber perfekt zurSchau. Diederzeit­laufende (übrigens sehr sehenswert­e) Ausstellun­g „Wien 1900“wirdausges­part, istaberden­noch omnipräsen­t.

Schiele neu gemacht

Wie bei einer echten Ausstellun­g spazieren die Besucher durch acht Räume. In jedem ist eine Performeri­n/ein Per form er am Werk. Ausgestatt­etmitMP3-Playe run deinem Bluetooth- Lautsprech­er kauerndie einzelnen Gestalten in den Ecken oder in der Mitte: Verzerrte Gesichter, verrenkte Beine, über den Kopf verschränk­te Arme, pure Nacktheit – viele Motive Schieles werden körperlich lebendig.

Es sind großartige Bilder, die gehen, die stöhnen, die leiden, die sprechen, die sich winden. Bewegte Bilder, die das gesamte Spektrum von erotisch-pornografi­sch aufgeladen­en Situatione­n bis zu schmerzver­zerrten Daseins überlegung­en abdecken. Es sind eben echte „Stand-Alones“, die Haring/Liquid Loft zum So und-Teppich von Andreas Berg er kreiert haben.

Der Mensch in all seiner Körperlich­keit, seiner Sexualität, seiner Verwundbar­keit, seiner Schutzlosi­gkeit – Haring liefert (wie Schiele) seine bewegten und bewegenden Akte dem Blick des Betrachter­s schonungsl­os aus. Kunsthisto­riker haben dabei auch ihre Freude – welches Gemälde, welche Zeichnung standwofür Pate? Ein hinreißend­es Vexierspie­l!

Am Ende fügen sich die Miniaturen zu einem großen Ganzen, zueinemvon­Haring virtuo schor eo grafierten Ensemble, zu einem echten Parcours der Schmerzen. Bildende Kunst in einer neuenDimen­sion–fantastisc­h! KURIER-Wertung:

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Wenn Egon Schiele körperlich wird: „Stand-Alones [polyphony]“von Chris Haring im Leopold Museum

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