Radikaler Parcours der Schmerzen
Kritik. Chris Haring/Liquid Loft mit „Stand-Alones [polyphony]“im LeopoldMuseumbei ImPulsTanz
Ja, Kunst kann mitunter wehtun. Sie kann irritieren, provozieren, schockieren, verstörenund für heftige Diskussionen sorgen. Das musste bereitsEgon Schiele am eigenen Leib erfahren, dessen Werke –lange bevor sie Kult status erlangten und im Wiener Leopold Museum eine Art Heimatf anden–allerlei Anfeindungen ausgesetzt waren.
Schiele weiter gedacht Für das Festival ImPulsTanz wandelt nun ChrisHa ring mit seiner famosen Truppe Liquid Loft auf den Spuren Schieles und gibt – naturgemäß im Leopold Museum – dem Maler-Genie all seine Radikalität zurück. Aber:Ha ring und seine acht Per forme rinnen und Per form er bespielen nicht die Bilde rund spielen nicht mit ihnen. Sie bleibenin den leeren Räumendes Untergeschoßes, stellen die Motive Schieles aber perfekt zurSchau. Diederzeitlaufende (übrigens sehr sehenswerte) Ausstellung „Wien 1900“wirdausgespart, istaberdennoch omnipräsent.
Schiele neu gemacht
Wie bei einer echten Ausstellung spazieren die Besucher durch acht Räume. In jedem ist eine Performerin/ein Per form er am Werk. AusgestattetmitMP3-Playe run deinem Bluetooth- Lautsprecher kauerndie einzelnen Gestalten in den Ecken oder in der Mitte: Verzerrte Gesichter, verrenkte Beine, über den Kopf verschränkte Arme, pure Nacktheit – viele Motive Schieles werden körperlich lebendig.
Es sind großartige Bilder, die gehen, die stöhnen, die leiden, die sprechen, die sich winden. Bewegte Bilder, die das gesamte Spektrum von erotisch-pornografisch aufgeladenen Situationen bis zu schmerzverzerrten Daseins überlegungen abdecken. Es sind eben echte „Stand-Alones“, die Haring/Liquid Loft zum So und-Teppich von Andreas Berg er kreiert haben.
Der Mensch in all seiner Körperlichkeit, seiner Sexualität, seiner Verwundbarkeit, seiner Schutzlosigkeit – Haring liefert (wie Schiele) seine bewegten und bewegenden Akte dem Blick des Betrachters schonungslos aus. Kunsthistoriker haben dabei auch ihre Freude – welches Gemälde, welche Zeichnung standwofür Pate? Ein hinreißendes Vexierspiel!
Am Ende fügen sich die Miniaturen zu einem großen Ganzen, zueinemvonHaring virtuo schor eo grafierten Ensemble, zu einem echten Parcours der Schmerzen. Bildende Kunst in einer neuenDimension–fantastisch! KURIER-Wertung: