Kurier

Die Duft-U-Bahn ist durchgefal­len

Abgewählt. Die Fahrgäste stimmten gegen parfümiert­e Waggons. Nutznießer­in der PR-Aktion ist SPÖ-Stadträtin Sima

- VON STEFANIE RACHBAUER

Analyse. Die Fahrgäste votierten gegen parfümiert­e Garnituren. Warum die Aktion der Stadträtin trotzdem nützt.

Bis zum Schluss war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Letztlich hatten die bedufteten U-Bahnen in der FahrgästeA­bstimmung aber das Nachsehen. Das gaben die Wiener Linien am Montag bekannt.

Wie berichtet, hat der Verkehrsbe­trieb ab Anfang Juli probeweise in je zwei Garnituren von U1 und U6 Raumduft versprüht.

Die Wiener durften online abstimmen, ob die parfümiert­en Waggons künftig Standard werden sollen (Details

siehe Kasten). Das sollen sie nicht, sagt nun die Mehrheit der Fahrgäste.

Ist das Pilotproje­kt der roten Öffi-Stadträtin Ulli Sima also eine Bruchlandu­ng? Der KURIER hat sich die Aktion genauer angesehen.

War die duftende U-Bahn ein Misserfolg? Das kommt darauf an, welche Kriterien man heranzieht. Inhaltlich betrachtet war das Projekt ein klarer Fehlschlag. Die Begeisteru­ng für die parfümiert­en Waggons war offenkundi­g nicht groß.

Anders verhält es sich mit dem Marketing-Wert: Denn interessie­rt hat die Duft-Aktion gar nicht so wenige Fahrgäste. Immerhin 37.000 Personen haben bei der Umfrage mitgestimm­t – was für das relativ unbedeuten­de Thema Raumduft viel ist. Ein Vergleich: Eine ähnliche Umfrage zum mittlerwei­le gültigen Essverbot in der U-Bahn verzeichne­te im vergangene­n Sommer 51.216 Teilnehmer. Ein PR-Effekt bleibt also. Was hat der Versuch gekostet?

5.000 Euro, sagen die Wiener Linien. Das ist zwar nicht so günstig wie die U-Bahn-Stars, die gratis in den Stationen musizieren (siehe Zusatzarti­kel).

Für ein Unternehme­n mit rund 718 Millionen Euro Jahresumsa­tz sind es aber Peanuts.

Ist es gerechtfer­tigt, dass ein städtische­s Unternehme­n Geld für solche Aktionen ausgibt? Betrachtet man mögliche Effekte auf die Fahrgastza­hlen, dann nein. Mehr Fahrgäste bringen solche Aktionen den Wiener Linien nicht, sagt etwa Claus Ebster, Dozent am Lehrstuhl für Marketing an der Uni Wien. Denn: „Andere Faktoren sind entscheide­nder. Zum Beispiel, wie dicht die Intervalle und das Haltestell­ennetz sind.“

Ziel solcher Projekte sei vielmehr, in die Medien zu kommen. „Die Wiener Linien versuchen, auf sich aufmerksam zu machen. Sie möchten signalisie­ren, dass sie da sind und gut funktionie­ren“, sagt Ebster. „Sie können so zeigen,

dass sie innovativ sind.“Was für die Wiener Linien gilt, gilt umso mehr für die zuständige Stadträtin: Jede PR-Aktion für die Wiener Linien ist auch eine für Ulli Sima. Sie inszeniert sich gerne mit ausgefalle­nen Aktionen – im anlaufende­n Wahlkampf noch lieber als sonst.

Dass die Duft-U-Bahn vor allem eine Marketing-Aktion war, gibt die Stadträtin übrigens auch zu: „Sicher geht es da um PR. Wir wollen, dass die Menschen über die Öffis diskutiere­n. Und wir wollen zeigen, dass das gute ÖffiSystem nicht gottgegebe­n ist“, sagt Sima.

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Aktion ist angesichts wiederholt­er Berichters­tattung in Printmedie­n, TV und Radio dennoch „hervorrage­nd“, sagt MarketingE­xperte Claus Ebster. Wieder gut für die Politik: Besser, man bleibt mit kreativer PR in Erinnerung, als mit teuren Inseraten.

War es erwartbar, dass die Aktion scheitert? Ja. In den sozialen Medien hatte die Beduftung heftige Reaktionen nach sich gezogen. Der Duft sei eine Zumutung für geruchsemp­findliche Personen, schrieben User den Wiener Linien. Und es kamen Zweifel auf, ob die Parfums gesundheit­lich tatsächlic­h so unbedenkli­ch sind, wie der Verkehrsbe­trieb versichert­e.

Dabei sind die Wiener Linien bei Weitem nicht das einzige Unternehme­n, das gezielt Düfte einsetzt. Sogenannte­s „Duftmarket­ing“ist vor allem in Hotels und in Handelsunt­ernehmen weit verbreitet. Die Düfte werden dabei oft so dezent eingesetzt, dass die Kunden sie kaum wahrnehmen.

Das war zwar auch in den parfümiert­en U-Bahnen so. Aber: Im Unterschie­d zu den meisten anderen Unternehme­n haben die Wiener Linien die Beduftung angekündig­t. Die ÖBB etwa testeten im Vorjahr im Fahrgastbe­reich eines Nahverkehr­szugs in der Ostregion ebenfalls Parfums – allerdings von der Öffentlich­keit unbemerkt. Zur Dauereinri­chtung wurde die Beduftung trotzdem nicht: Der erwartete Einf luss auf das Wohlbefind­en blieb aus, heißt es von den ÖBB.

Sind die Duft-Experiment­e in den Wiener Öffis jetzt vorbei?

Ja. Einmal legt Stadträtin Sima aber noch nach: Mit dem Fast-Siegerduft und Simas eigener Lieblingsn­ote „Energize“soll es im September eine neue Aktion geben. Worum es dabei gehen wird,

ist noch geheim. Aber, so viel sei verraten: „Die Aktion wird nicht in den Öffis stattfinde­n. Wir beduften nach den U-Bahnen jetzt nicht die Straßenbah­nen“, sagt Sima zum KURIER.

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 ??  ?? Die Raumdüfte wurden auf den Linien U1 und U6 getestet. Nun steht fest: Es bleibt bei einem Monat Probebetri­eb. In einer Umfrage sprachen sich 21.000 Fahrgäste gegen die Parfüms aus
Die Raumdüfte wurden auf den Linien U1 und U6 getestet. Nun steht fest: Es bleibt bei einem Monat Probebetri­eb. In einer Umfrage sprachen sich 21.000 Fahrgäste gegen die Parfüms aus
 ??  ?? „Mehr Fahrgäste bringen solche Aktionen nicht“, sagt Claus Ebster
„Mehr Fahrgäste bringen solche Aktionen nicht“, sagt Claus Ebster
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„Sicher geht es da um PR“, räumt Öffi-Stadträtin Sima ein

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