Die Aufarbeitung von SPÖ und ÖVP
Aufarbeitung. Die Historikerberichte der anderen Parteien liegen teils seit Jahrzehnten vor
Lange vor der FPÖ haben SPÖ und ÖVP die dunklen Kapitel ihrer Parteigeschichte ausgeleuchtet. Was waren die Ergebnisse?
Vor ziemlich genau 19 Jahren stand der designierte Bundesparteiobmann der SPÖ, Alfred Gusenbauer, im Parlament und verlas ein neun Seiten langes Schreiben, das durchaus erstaunte.
Es war ein Bekenntnis zu den Fehlern, die die SPÖ im Umgang mit der NS-Zeit begangen hatte.
Mit Fehlern meinte der spätere Regierungschef beispielsweise die Tatsache, dass die SPÖ offenkundig Schwierigkeiten damit hatte, einen klaren Trennstrich zu Tätern und begeisterten Funktionären des NS-Regimes zu ziehen. Und das, obwohl die Nazis die SPÖ verboten und deren Funktionäre verfolgt und ermordet hatten.
Exemplarisch nannte Gusenbauer SPÖ-Politiker wie Justizminister Christian Broda. Dessen Errungenschaften würden nicht dadurch geschmälert, dass man die Rolle der Justiz bei der mangelhaften Verfolgung von NS-Tätern aufarbeitet. Und auch angesichts der Karriere, die die SPÖ-geführte Stadt Wien NSÄrzten wie Heinrich Gross ermöglicht hatte, müsse man sich, so Gusenbauer, „zutiefst schämen“.
Wesentlich an der internen Aufarbeitung der roten Parteigeschichte war, dass auch die problematische Rolle jener fünf Politiker behandelt wurde, die trotz NS-Vergangenheit unter Regierungschef Bruno Kreisky in Ministerämter kamen. Oskar Weihs – ab 1932 NSDAP-Mitglied – wurde Landwirtschaftsminister. Hans Öllinger, Angehöriger der SS, war vor Weihs SPÖ-Landwirtschaftsminister. Und auch Verkehrsminister Erwin Frühbauer, Bautenminister Josef Moser und dessen Nachfolger Otto Rösch waren NSDAP-Mitglieder gewesen – und für den damaligen SPÖ-Chef trotz allem ministrabel.
Fünf Jahre nach Gusenbauers denkwürdigem Auftritt legte die SPÖ noch einen zweiten Historikerbericht vor. Und in diesem widmeten sich die Wissenschafter der Frage, wie viele SPÖ-Parlamentarier eine Vorgeschichte im Nationalsozialismus hatten. Das Ergebnis: elf Prozent.
Mitgliedschaften
Recht ähnlich ging – wenn auch viele Jahre später – die Volkspartei mit ihrer NS-Vergangenheit um: 2018 veröffentlichte sie eine Studie, laut der der Anteil an namhaften ÖVP-Mandataren mit NS-Vergangenheit ungefähr dem Anteil der NSDAP-Mitglieder an der Gesamtbevölkerung entsprach.
Von 560 untersuchten Funktionären waren 36 (6,4 Prozent) Mitglied der NSDAP; 17 Personen werden als zweifelhaft umschrieben, kurzum: die Bandbreite der Mitgliedschaften liegt bei bis zu 9,5 Prozent.
Zu den prominentesten Fällen der Studie gehört ExBundespräsident Kurt Waldheim: Dieser hat seine Mitgliedschaft in der SA und seine Stationierung als Stabsoffizier am Balkan lange verschwiegen. Wie die ÖVP in ihrer Untersuchung festhält, hat Waldheim zwar nicht aktiv an Kriegsverbrechen teilgenommen. Er hat mit seiner Arbeit aber dazu beigetragen, dass Unterdrückung und „Säuberungsmaßnahmen“stattfinden konnten.