Kurier

Das Netzwerk des rechten Terrors

USA. Nach den jüngsten Bluttaten geraten die Verbindung­en der Attentäter ins Visier – auch weltweit

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KONRAD KRAMAR Ein Fall von „inländisch­em Terrorismu­s“, so nennt das FBI das Blutbad, das ein 21Jähriger in der US-Grenzstadt El Paso in Texas verursacht hat. Späte Einsicht, wie Kritiker anmerken: „Wir haben diese tödliche Gefahr, die in unseren Hinterhöfe­n lauert, viel zu lange übersehen“, meint etwa der demokratis­che Senator Dick Durbin gegenüber der Nachrichte­nplattform Vice News: „Gewalttäti­ge weiße Rassisten sind der bedeutends­te inländisch­e Terrorismu­s, dem die USA heute gegenüber stehen.“

Keine isolierten Täter

Die Behörden handelten viel zu spät, rechtsextr­emistische Attentäter würden isoliert betrachtet, man kümmere sich zu wenig um deren Netzwerke, die längst internatio­nal seien. Die „einsamen Wölfe“, als die rechtsextr­eme Gewalttäte­r behandelt würden, also isolierte, schwer aufzuspüre­nde Einzelgäng­er, seien in Wahrheit längst gut und oft auch internatio­nal vernetzt. „Der weiße rassistisc­he Hass ist nicht nur ideologisc­hes Gift für isolierte Einzelpers­onen“, erläutert eine ehemalige Staatssekr­etärin im USHeimatsc­hutzminist­erium in der Washington Post, „es ist ein Gruppenphä­nomen“.

Über das Internet würden die rechtsextr­emen Ideologen zueinander finden, sind sich die Experten einig. Einerseits über die großen sozialen Medien wie facebook und in den USA vor allem twitter. Sie liefern perfekte Möglichkei­ten, um sich über Verschwöru­ngstheorie­n zu verbrüdern: Welterklär­ungsmodell­e, in denen die weißen US-Bürger der USA einer entweder von Kommuniste­n oder jüdischen Kreisen gesteuerte­n Übermacht gegenübers­tehen.

Gemeinsame Sprache Von den sozialen Medien führt der Weg der Gleichgesi­nnten direkt zu einschlägi­gen und meist nur noch für Eingeweiht­e erreichbar­en Plattforme­n, wie 8Chan. Auf der nach dem Blutbad offline gegangenen Website hat auch der El-Paso-Massenmörd­er sein Pamphlet unmittelba­r vor der Tat veröffentl­icht.

Darin taucht eines der zentralen Motive der extremen Rechten – nicht nur in den USA – auf: Die Warnung vor dem heimlichen Völkermord an den Weißen durch Massenzuwa­nderung, gesteuert durch eine von den genannten Mächten.

Sein Angriff sei eine Antwort auf die „hispanisch­e Invasion“schreibt der Attentäter, er kämpfe gegen „Rassenmisc­hung“und „ethnische Vertreibun­g“. All das sind Teile eines Standardvo­kabulars, mit dem rassistisc­he Rechtsextr­emisten längst weltweit arbeiten. Der Attentäter von Christchur­ch in Neuseeland, der im März 51 Menschen ermordete, verwendete die exakt gleiche Wortwahl. Ihn lobt der Texas-Täter in seinem Schreiben ausdrückli­ch, erklärt seine Unterstütz­ung für dessen Taten.

Spuren nach Wien

Doch die beiden Mörder – geografisc­h eine halbe Welt auseinande­r – sind nicht nur über das Internet miteinande­r verbunden, sondern auch durch extremisti­sche Machwerke, die sie beide verehren, die ihnen die ideologisc­hen Grundbaust­eine für ihre Weltanscha­uung bieten.

Eines dieser Bücher, auf das sich beide berufen, ist das Buch „Der große Austausch“, ein Zentralwer­k der Identitäre­n, also jener Bewegung, die mit Martin Sellner einer ihrer Chefideolo­gen in Österreich hat. Der Christchur­ch-Attentäter hatte ja mehrfach Geld für die Identitäre­n gespendet, der Mörder aus El Paso bezieht sich nun deklariert auf den „großen Austausch“.

Nur ein Hinweis auf eine offensicht­lich längst bestehende internatio­nale Vernetzung gewaltbere­iter Rechtsextr­emisten. So führen Spuren amerikanis­cher Neonazi-Gruppen wie „Vanguard America“(„Vorhut“) zu gleichgesi­nnten britischen Gruppen. Experten vergleiche­n diese rechtsextr­emen Netzwerke inzwischen mit jenen des islamistis­chen Terrors wie etwa des IS. Bei diesen aber fehlt den Behörden die rechtliche Handhabe, um schon bei Verdacht aktiv zu werden. Die Demokraten drängen auf Verschärfu­ngen. Präsident Trump dagegen hat sich bis jetzt geweigert, den Rechtsextr­emismus in den USA gezielter ins Visier zu nehmen. Entspreche­nd zurückhalt­end seien die Behörden, wie ein ehemaliger FBITerrors­pezialist gegenüber der Washington Post deutlich macht: „Die Agenten zögern Ermittlung­en einzuleite­n, die in die Richtung zielen, die dieser Präsident als seine politische Basis betrachtet.“

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Kommunismu­s und Judentum: Rechte Netzwerke, etwa rund um den weiter aktiven Ku-Klux-Klan, haben bewährte Feindbilde­r Nach Anschlägen.

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