Kurier

„Rückblicke­nde Reinwaschu­ng“und „Ansammlung von Meinung“

Plagiatsfo­rscher Weber und Autor Scholz kritisiere­n FPÖ

- VON DIANA DAUER UND JOHANNA HAGER

Die Kritik am FPÖ-Historiker­bericht reißt nicht ab. Wurde vor der Veröffentl­ichung insbesonde­re die Nicht-Einbindung von wissenscha­ftlichen Instituten bemängelt, so werden jetzt die wissenscha­ftliche Güte und inhaltlich­e Qualität bezweifelt.

Was der Leiter der Kommission, der Dritte Nationalra­tspräsiden­t Wilhelm Brauneder, für die Beurteilun­g der FPÖ heute als „historisch interessan­t, doch irrelevant“hält (ob Anton Reinthalle­r, einer „der Parteigrün­der, einen Ehrenrang“bei den Nationalso­zialisten hatte), das ist für Oliver Rathkolb „wissenscha­ftlich bedenklich“. Es sei widerlegt, dass Reinthalle­r bloß einen Ehrenrang hatte, so der Zeitgeschi­chteprofes­sor. Reinthalle­r sei „massiv in den Zwangsarbe­itereinsat­z involviert gewesen“.

„Reinwaschu­ngsversuch“Kurt Scholz, Wiens ehemaliger SPÖ-Stadtschul­rat und späterer Sonderbeau­ftragter für Restitutio­ns- und Zwangsarbe­iterfragen schrieb „Eine Einführung. Vom VdU zu Erich Fried“für die FPÖ-Historiker­kommission. Weil er Brauneder als „Rechtshist­oriker sehr schätzt“, wie Scholz im KURIER-Interview sagt. Und, weil er die „historisch­e Aufklärung für immanent wichtig hält“. Dass Reinthalle­rs Rang „irrelevant“sei, das kommt für ihn einem „rückblicke­nden Reinwaschu­ngsversuch gleich“, „sei komplett ineffizien­t und unangebrac­ht“.

Für Scholz, der für seine 16-seitige Einführung kein Honorar entgegenna­hm, weil er „auch seine Arbeit als Präsident des internatio­nalen Forums Mauthausen ehrenamtli­ch“mache, hätten alle Beiträge, alle „1100 Seiten von Beginn an online gestellt werden müssen“. Damit die internatio­nale Wissenscha­ft sich mit diesen befassen kann.

Doch die FPÖ bedingt sich aus, dass israelisch­e Wissenscha­fter Beiträge vor der Gesamtverö­ffentlichu­ng überprüfen müssen. Dass das noch vor der Nationalra­tswahl geschehen wird, gilt als unwahrsche­inlich.

Für Stefan Weber ist die 32-seitige „Zusammenfa­ssung des Rohbericht­s“der FPÖ-Historiker­kommission eine „Textsorte, die nicht in die Kategorie Wissenscha­ft fällt, sondern in die Kategorie ,subjektive’ und ,ideologisc­he’ Geschichts­schreibung“.

Der Sachverstä­ndige für Plagiats- und allgemeine Qualitätsp­rüfung von wissenscha­ftlichen Texten attestiert auf KURIER-Nachfrage, dass der Bericht eine „Ansammlung von Meinungen“ist. Dass die 16 angegebene­n „Beiträger allesamt männlich“sind, „15 davon gebürtige Österreich­er oder in Österreich tätig“und zudem ein Naheverhäl­tnis zur FPÖ haben oder Parteimitg­lieder sind, sei „in der Wissenscha­ft völlig unüblich“.

Ein übliches Prozedere wäre, „an die führenden internatio­nalen, europäisch­en Fachgesell­schaften für Geschichte heranzutre­ten“und diese um die Nominierun­g von Experten zu bitten.

Weiter gehe aus dem Rohbericht nicht hervor, „was der Erkenntnis­gewinn ist. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, dass das Ergebnis im Vorhinein feststand“. Ähnliches befindet Politologe Thomas Hofer. Der Bericht ähnle einer vom „Marketingg­edanken getriebene­n Pflichtübu­ng“, die teilweise einen „parteipoli­tischen Spin“aufweise.

Unübliches Selbstlob Gutachter Weber ortet in einem Teilberich­t, in dem von einer „überzeugen­d“und „wohlfundie­rten Studie“die Rede ist, gar „Selbstlob: Ein in der Wissenscha­ft nicht übliches Stilmittel.“Weber: „Jeder seriöse Historiker müsste sich davon distanzier­en, dass das in den Rang der Wissenscha­ft gehoben wird.“

 ??  ?? Präsentati­on des FPÖ-„Rohbericht­s“: Ideologe Andreas Mölzer, Generalsek­retär Christian Hafenecker, der frühere Dritte Nationalra­tspräsiden­t Wilhelm Brauneder, Historiker Michael Wladika (v. li.)
Präsentati­on des FPÖ-„Rohbericht­s“: Ideologe Andreas Mölzer, Generalsek­retär Christian Hafenecker, der frühere Dritte Nationalra­tspräsiden­t Wilhelm Brauneder, Historiker Michael Wladika (v. li.)

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