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Der Historiker­bericht – eine vertane Chance

- VON CHRISTIAN BÖHMER christian.boehmer@kurier.at / Twitter: @CHBOEHMER

Man muss nicht lange lesen. Die ersten acht Zeilen in der „Zusammenfa­ssung des Rohbericht­s“genügen. Dann ist klar, was die FPÖ von einer wissenscha­ftlich sauberen, selbstkrit­ischen, kurzum: von einer ehrlichen Aufarbeitu­ng ihrer Parteigesc­hichte hält, nämlich: exakt gar nichts.

Allein in den ersten zwei Absätzen des erwähnten Papiers kommt der Begriff „angeblich“so oft vor, dass selbst angehende Historiker im ersten Semester stutzig werden müssen. Da ist von „angebliche­n braunen Flecken“die Rede; von „angeblich“problemati­schen Äußerungen von FPÖ-Funktionär­en; und auch das „Naheverhäl­tnis“zur NSDAP ist nur „angeblich“vorhanden.

War damit zu rechnen, dass es die FPÖ so anlegt? Dass sie einfach weglässt, dass sie selbst und ihre Vorgänger-Partei das Sammelbeck­en der früheren Nationalso­zialisten waren? Dass sie also den „Common Sense der Zeitgeschi­chteforsch­ung“(Heidemarie Uhl, Akademie der Wissenscha­ften) einfach ignoriert?

Nicht unbedingt. Erst im Vorjahr erstaunte der damalige FPÖ-Chef Strache selbst erklärte Gegner mit einem Auftritt beim FPÖ-Burschensc­hafterball. Er rief den Gästen in der Hof burg zu, Österreich trage bis heute Verantwort­ung für den Holocaust. Und wer das nicht akzeptiere, solle „aufstehen und gehen“. Das war eine Ansage. Aber offenkundi­g war sie doch nicht so ernst gemeint.

Denn wenn der Vorsitzend­e der FPÖ-Historiker­kommission Wilhelm Brauneder meint, es sei für die FPÖ „irrelevant“, wenn ihr erster Parteichef ein SS-Brigadefüh­rer war, dokumentie­rt er: Man hat es noch immer nicht verstanden. Und die FPÖ hat eine Chance vergeben.

Vielleicht war das absehbar. Bitter ist es dennoch.

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