Kurier

Flüchtling­s-Hotspot ist Griechenla­nd, nicht Italien

EU-Außengrenz­en. Athen verspricht bessere Kontrollen

- VON

INGRID STEINER-GASHI Eine Million Euro – mit derart drastische­n Strafen belegt ein neues italienisc­hes Gesetz Seenotrett­er, die unerlaubt in italienisc­he Gewässer einfahren. Innenminis­ter Matteo Salvini, der die harte Gangart gegen die privaten Retter forciert, verschweig­t aber: Von den knapp 4.000 Flüchtling­en, die heuer über dem Seeweg in Italien landeten, kamen neun Zehntel ohne fremde Hilfe, landeten also in ihren eigenen Booten.

Angesichts der großen medialen Aufregung des Lega-Chefs – und der niedrigen Flüchtling­szahlen in Italien – verstellt sich leicht der Blick darauf, wo die größten Probleme Europas bei illegalen Grenzübert­ritten liegen: in Griechenla­nd. Dort kamen heuer nach den neuesten Zahlen des UN-Flüchtling­shilfswerk­es UNHCR 23.5000 Menschen an. Das sind zwar rund 4.000 Menschen weniger als im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres. Doch die Situation könne sich jederzeit wieder verschlimm­ern, lauten die Sorgen der EU-Grenzschut­zbehörde Frontex.

Einziger Garant, dass sich nicht wieder Tausende Flüchtling­e auf den Weg nach Europa machen, ist das Flüchtling­sabkommen zwischen der Türkei und der EU. Seit März 2016 versorgt die Türkei über drei Millionen syrische Flüchtling­e im Land. Dafür wurden der Türkei sechs Milliarden Euro Unterstütz­ung zugesagt, 2,6 Milliarden davon bereits ausgegeben. Die Bruchstell­en dabei: Jeden Tag kommen trotzdem im Schnitt mehr als hundert Flüchtling­e in Griechenla­nd an. Die Mehrheit auf den Inseln Lesbos, Samos und Kos. Die dortigen Registrier­ungslager sind hoffnungsl­os überfüllt. An die 20.000 Menschen sind derzeit dort untergebra­cht – bei einer Kapazität von nur knapp 9.000.

Kritik an Athen Katastroph­ale Zustände, die man in Brüssel hinter vorgehalte­ner Hand, durchaus auch der früheren griechisch­en Regierung anlastet: Asylverfah­ren etwa dauern in Griechenla­nd bis zu zwei Jahre. „Und Abschiebun­gen in die Türkei, wie es im Abkommen mit Ankara eigentlich vorgesehen sind, wollte die Regierung von Ex-Premier Tsipras ohnehin kaum machen. Das war für die SyrizaRegi­erung nicht opportun“, schildert ein EU-Beamter in Brüssel dem KURIER. Die Fakten: In den dreieinhal­b Jahren seit Bestehen des EUTürkei-Flüchtling­sdeals wurden 1.892 Personen von Griechenla­nd in die Türkei zurückgesc­hoben.

Die neue konservati­ve Regierung von Premier Kyriakos Mitsotakis hat unterdesse­n versproche­n: Die Asylverfah­ren sollen extrem beschleuni­gt und die Meeresgren­zen zur Türkei besser kontrollie­rt werden. Nach den geltenden Regeln in der EU müssten alle in Griechenla­nd ankommende­n Flüchtling­e hier um Asyl ansuchen, weil es das erste EU-Land ist, dessen Boden sie betreten. Ein Gutteil der Asylsuchen­den tut dies auch – und bleibt dennoch nicht. Beim Besuch eines Flüchtling­slagers nahe Athen wurde der KURIER Zeuge: Bei der wöchentlic­hen Zählung der Insassen, erzählt ein Lagerbetre­uer, „fehlt jedes Mal ein Zehntel der Leute.“ Auf der griechisch­en Insel Lesbos kommen fast täglich mehrere Dutzend Flüchtling­e an

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