Ist das Schwert des Gesetzes“
Masken – wie die regierungskritischen Aktivisten in Hongkong.
Eine militärische Niederschlagung der Proteste könnte sich aber zum Bumerang für Peking erweisen. Das würde die Position Chinas in der Welt „dramatisch verändern“und „sicher die Regierung von Xi Jinping bedrohen“, sagte der Berliner China-Experte Klaus Mühlhahn der APA. Eine Militäraktion in der früheren britischen Kronkolonie wäre „ein unglaublicher Fehler“, weil sich dann eine „gewaltige internationale Front“gegen China bilden würde. Dieses sei ohnehin schon wegen des Handelsstreits international unter Druck.
Andererseits ortet der Sinologe einen Autoritätsverlust Pekings. China sei in einer Lose-Lose-Situation. Ob China tatsächlich Militär einsetzt oder nicht, sei schwer zu sagen. Auch 1989 habe „niemand für möglich gehalten, dass die Regierung Panzer losschickt“, zog Mühlhahn einen Vergleich zur Niederschlagung der Proteste am Tiananmen in Peking. „Hongkong ist in einer sehr gefährlichen Situation. Es sieht nach mehr Gewaltanwendung aus.“
Hongkongs Polizei, die durch ihren Gewalteinsatz massiv in die Kritik geraten ist, ging am Dienstag jedenfalls medial in die Offensive. Sie stellt sich einer Pressekonferenz. Ihre Bilanz des Montags: 800 Patronen Tränengas wurden abgefeuert und 148 Streikende und Demonstrierende festgenommen (95 Männer und 53 Frauen von 13 bis 63 Jahre).
„Schwert des Gesetzes“Insgesamt nahm die Polizei seit 9. Juni demnach 502 Personen fest. Den „skrupellosen und gewalttätigen Kriminellen“unter den Demonstranten drohen harte Strafen, kündigte Pekings Mann für Hongkong, Yang Guang, an: „Was sie in der Zukunft erwartet, ist das Schwert des Gesetzes.“
Skrupellose Kriminelle – den Vorwurf wollten die Regierungskritiker nicht auf sich sitzen lassen. Zum ersten Mal seit Beginn der seit neun Wochen laufenden Proteste traten drei maskierte Demonstranten offiziell an die Öffentlichkeit. Sie erneuerten vor Journalisten ihren Anspruch auf „Demokratie, Freiheit und Gleichheit“und riefen die Hongkonger Regierung auf, „die Macht an die Bevölkerung zurückzugeben und auf die Forderungen der Hongkonger einzugehen“.
Dazu zählt die definitive Rücknahme des Gesetzes von Regierungschefin Carrie Lam, das die Auslieferung von Hongkongern an die Justiz in Festlandchina ermöglicht. Die Angst davor hat zwei der acht Millionen Hongkonger auf die Straße getrieben. Lam erklärte darauf hin das Gesetz für „tot“, zog es aber nicht zurück. Seitdem gehört der Ruf nach ihrem Rücktritt zu den Dauerforderungen der Aktivisten. „Aber es geht den Menschen nicht nur um Politik“, erzählt ein europäischer Wirtschaftstreibender in Hongkong dem KURIER. „Die Lebenskosten der Hongkonger sind in den vergangenen Jahren explodiert. Hongkong ist die teuerste Stadt der Welt. Vor allem Wohnen ist unvorstellbar teuer. Soziale Wohnbauten wären dringend nötig, aber die Regierung der Finanzmetropole sitzt auf dem prall gefüllten Geldkoffer und rückt nichts dafür raus.“
Gewandsäcke in U-Bahnen
Die Wut sei groß. Mittlerweile würden sogar Polizistenkinder in der Schule beschimpft, erzählt er. Breite Teile der Bevölkerung unterstützten die Aktivisten. „Sie bringen Säcke mit Gewand zu den U-Bahnstationen, weil die Aktivisten ihre schwarzen T-Shirts wieder los werden müssen, um nicht erwischt zu werden.“Auch Tickets würden verschenkt, weil die Demonstranten mit ihren personifizierten Fahrausweisen sonst auffliegen würden. Wer die Anführer der Bewegung sind, ist völlig unbekannt. Diese Lektion haben die Hongkonger aus der „Regenschirm-Revolte“2014 gezogen.