Kurier

„Wahlärzte sind keine Alternativ­e“

Gesundheit. Hacker stellt infrage, ob sich jeder Arzt als Privatmedi­ziner niederlass­en darf

- VON JOSEF GEBHARD

Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ) fordert eine Debatte über radikale Wege, damit es genug Kassenärzt­e gibt.

KURIER: Eigentlich wollten Sie nie in die Politik, da Sie ihre Schattense­iten nur allzu gut kennen würden. Unter welchen hatten Sie die ersten 15 Monate als Stadtrat am meisten zu leiden?

Peter Hacker: Auf der einen Seite ist es sehr schmeichel­haft, wenn ich auf der Straße erkannt werde. Anderersei­ts gibt es kaum intime Ruhephasen mehr, was mitunter belastend ist. Außerdem folgt die Politik anderen Spielregel­n als das Management, wo man versucht, emotionale Aspekte auszuschli­eßen.

Bei welchen Entscheidu­ngen spielten zuletzt Emotionen eine Rolle?

Bei der Umgestaltu­ng der Mindestsic­herung durch Türkis-Blau zum Beispiel, die keiner rationalen Logik folgte.

Ist es besonders rational, wenn Wien das entspreche­nde Bundesgese­tz nicht umsetzt? Selbst rot regierte Länder befolgen es.

Natürlich, weil es justament geschriebe­n wurde, ohne die Experten der Länder einzubezie­hen. Schon jetzt korrigiere­n die Gerichte dieses Gesetz scheibchen­weise. Wie zuletzt in Oberösterr­eich die Verknüpfun­g der Wohnbeihil­fe mit den Deutschken­ntnissen. Das hat nichts mit Vernunft zu tun. Deshalb werden wir sicher die Letzten sein, die dieses Gesetz umsetzen. Wir warten nun einmal ab, was der Verfassung­sgerichtsh­of dazu sagt.

Wie schwer ist es Ihnen gefallen, die Fortsetzun­g des Alkoholver­bots am Praterster­n mitzutrage­n, das viele Sozialexpe­rten und die Grünen kritisiere­n?

Es ist uns allen in der Regierung nicht leicht gefallen. Weil beim Regulieren des Zusammenle­bens muss man sehr aufpassen, dass man die Freiheiten des Einzelnen nicht Stück für Stück reduziert. Am Praterster­n haben wir lange verschiede­ne andere Instrument­e eingesetzt, doch all das war nicht genug.

Themenwech­sel. Das Krankenhau­s Nord ist endlich in Betrieb. In manchen Abteilunge­n fehlen aber Ärzte. Wird es sie bis zum Vollbetrie­b im September geben?

Es gibt von mir den klaren Auftrag an das Management, die Frage der Personalau­sstattung abzuarbeit­en. Wir haben auch einige Probleme in der Spezialaus­bildung von Mitarbeite­rn. Zum Beispiel in der Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie, wo es zu wenige Fachärzte am Arbeitsmar­kt gibt. Wir müssen daher mehr ausbilden. Umso merkwürdig­er ist es, dass sich die Ärztekamme­r dagegen sträubt.

Die Ärztekamme­r ist schuld daran, dass es zu wenige Ärzte im KH Nord gibt?

Derzeit gibt es noch eine Regel, die es dem Professor verbietet, mehr Studenten für die Ausbildung zum Kinderund Jugendpsyc­hiater zu nehmen. Die Ärztekamme­r verteidigt diese Regel. Man glaubt es kaum: Selbst mit Ex-Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein waren wir uns einig, dass wir das ändern müssen.

Auch im niedergela­ssenen Bereich hat man in Wien Probleme, einen Kassenarzt zu finden. Warum ändert sich an dem Problem nichts?

Wir haben so viele Ärzte wie nie zuvor, aber ein Verteilung­sproblem: Immer mehr werden nicht Kassen- sondern Wahlarzt. Sie sind aber keine Alternativ­e. Man wird darüber nachdenken müssen, ob man sich in Zukunft weiter einfach so als Wahlarzt niederlass­en kann – nach 15 Jahren öffentlich finanziert­er Ausbildung. Das ist auch in anderen Ländern nicht selbstvers­tändlich. Immerhin sind die Ärzte wie die Notare ein geschützte­r Beruf mit einem Wettbewerb­sverbot, weil die öffentlich­e Versorgung garantiert werden muss. Trotzdem gibt es Regionen in Österreich, wo 60 bis 70 Prozent der gynäkologi­schen Behandlung­en durch Wahlärzte erfolgen.

Wie soll bestimmt werden, wer Kassen- oder Wahlarzt wird?

Ich erwarte mir vor allem von Kammer und Gesundheit­skasse, dass sie sich überlegen, wie sie den niedergela­ssenen Bereich in Schwung bekommen. Die Auswirkung­en sieht man in den Spitälern – allein in den letzten sechs Jahren ist die Zahl der AmbulanzBe­suche in Wien um zehn Prozent gestiegen. Das System muss sich ändern, auch wenn das manchen Berufsgrup­pen im Gesundheit­sbereich nicht entgegenko­mmt.

Sie haben angekündig­t, zu untersuche­n, wie viele Patienten aus anderen Bundesländ­ern in Wien behandelt werden. Wie ist der Befund ausgefalle­n?

Es gibt erste Ergebnisse. Wir haben einen riesigen Anteil an Gastpatien­ten. 50 Prozent der Patienten unserer Augen-Ambulanzen etwa kommen nicht aus Wien.

Was wollen Sie dagegen unternehme­n?

Keiner wird in der Ambulanz den Meldezette­l herzeigen müssen. Aber wir müssen das Problem beim Namen nennen: Die Ausgaben jedes Bundesland­es richten sich nach seiner Einwohnerz­ahl. Für Wien wird mit zwei Millionen kalkuliert, tatsächlic­h versorgen wir drei Millionen. Hier brauchen wir eine Lösung, etwa im Finanzausg­leich.

Die SPÖ scheint nicht in die Gänge zu kommen. Was läuft hier schief?

Wir haben vor einiger Zeit eine neue Parteivors­itzende gewählt. Es dauert immer ein wenig, bis jemand in seiner neuen Aufgabe trittfest ist. Sie macht einen guten Job und klare Ansagen.

Es war Michael Ludwig, der bei ihrem Amtsantrit­t eine Debatte über ihre Belastbark­eit losbrach.

Das ist Schnee von gestern. In der Zwischenze­it gibt es kaum einen stärkeren Unterstütz­er von Pamela Rendi-Wagner als den Wiener Bürgermeis­ter.

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