Kurier

Wenn die ka Netrebko hab’n . . .

. . . geh i wieder ham. Die Analyse zu den Absagen im Opern-Business

- VON GERT KORENTSCHN­IG

Die Bekanntgab­e erfolgte auf ihrem Facebook-Account: Anna Netrebko muss ihre zwei geplanten Auftritte bei den Bayreuther Festspiele­n als Elsa im „Lohengrin“(14. und 18. August) absagen. Der Grund dafür: Erschöpfun­g. Die Stimme sei zwar nicht betroffen, sie folge aber dem Rat eines Arztes und mache drei Wochen Pause.

Wenige Stunden später verkündete Yusif Eyvazov, ihr Ehemann, auf seiner Facebook-Seite, dass er Auftritte in der Arena von Verona als Cavaradoss­i in „Tosca“absagen müsse. Der Grund dafür: ebenfalls Erschöpfun­g.

Sofort wurde in InternetFo­ren diskutiert, wie es denn zu dieser Parallelit­ät komme. Irgendjema­nd behauptete sogar, die beiden wären auf dem Weg nach Baku zur Hochzeit eines Freundes. Sicher eine Unterstell­ung. Das Thema Absage war jedenfalls unter Opernliebh­abern präsent wie schon lange nicht.

Kurz ein Blick zurück – auch im Bereich Oper kann man nämlich aus der Geschichte lernen. Schon im vergangene­n Jahr war Netrebko in Bayreuth angekündig­t. Ebenso als Elsa, damals an der Seite von Roberto Alagna. Ein paar Wochen vor der Premiere sagte der französisc­he Tenor ab, weil er die Rolle in so kurzer Zeit nicht einstudier­en könne. Die Kritik daran war gewaltig. Netrebko folgte als Absagende, weshalb Piotr Beczala und Anja Harteros die Bayreuther „Lohengrin“-Premiere bestritten. Damals hatte es noch geheißen: Im kommenden Jahr werde Alagna dann singen.

Empörung in Salzburg Davon war im neuen Bayreuth-Programm keine Rede mehr. Dafür konnten Wagneriane­r davon ausgehen, dass Netrebko nun sämtliche „Lohengrin“-Vorstellun­gen absolviere­n werde. Ein Irrtum, weil für sie in Salzburg Cileas „Adriana Lecouvreur“, konzertant und an der Seite ihres Mannes, dazukam. Da sagte sie übrigens ebenso eine Vorstellun­g, mit Kartenprei­sen bis zu 330 Euro, krankheits­halber ab, was viele Besucher maßlos empörte.

Das Bayreuth-Chaos ging unterdesse­n weiter. Krassimira Stoyanova sollte als Elsa einspringe­n, Netrebko allerdings die beiden Vorstellun­gen im August überlassen. Aber auch sie zog sich zurück. Camilla Nylund jedoch war bereit, zusätzlich zu ihren Engagement­s als Eva in den „Meistersin­gern“vier freie „Lohengrin“-Aufführung­en zu übernehmen. An den Netrebko-Terminen singt nun Annette Dasch mit Beczala. Sie war in dieser Partie schon erfolgreic­h in Bayreuth, aber auch an der Scala zu hören.

Ob Netrebko, die in diesem Sommer immerhin in Verona debütiert hatte, nach diesen Absagen je in Bayreuth singt (im kommenden Jahr sicher nicht), steht in den Sternen. Ein Debüt ihres Mannes ist dort im Moment nicht geplant. Würde das die Chance erhöhen?

Sie ist bis Ende September nur gemeinsam mit ihm zu hören, dann folgt Lady Macbeth an der MET in New York, danach kommen sechs weitere Konzerte mit Eyvazov, ehe sie am 7. Dezember Puccinis Tosca bei der Saisoneröf­fnung der Mailänder Scala singt. Der Sänger des Cavaradoss­i ist noch nicht angekündig­t. Ob das etwas bedeutet?

Konzerte in Sydney Netrebkos Superstar-Kollege Jonas Kaufmann, der wie viele andere leider auch immer wieder mal absagen muss, singt zur Zeit in Sydney konzertant Andrea Chénier, im September Reprisen von Verdis Otello in München und im November ebendort die Premiere von Korngold „Die tote Stadt“– ansonsten bis in den Februar „nur“Konzerte mit seinem neuen Programm „Mein Wien“.

Aber warum hört man die begehrtest­en Stimmen der Welt immer seltener in szenischen Aufführung­en? Hält die Ausdauer der Stimmbände­r mit dem Tempo der Globalisie­rung nicht mehr mit? Hat man nur den Eindruck, dass Stars öfter absagen, weil sich das Business immer stärker auf sie fokussiert? Welche Rolle spielen dabei topbezahlt­e Galakonzer­te, etwa im arabischen Raum, von denen es immer mehr gibt? Und wie sehr sind Intendante­n schuld, die lieber einen berühmten Namen einkaufen, statt auf Ensemblepf­lege zu setzen? Antworten darauf regelmäßig in diesem Theater. Sowie heute in einem Gastkommen­tar des langjährig­en Opernchefs und großen Stimmexper­ten Ioan Holender.

 ??  ?? Anna Netrebko und Yusif Eyvazov: Paarlauf in Salzburg, Paarlauf bei Absagen
Anna Netrebko und Yusif Eyvazov: Paarlauf in Salzburg, Paarlauf bei Absagen
 ??  ?? Jonas Kaufmann: Mehr konzertant als szenisch
Jonas Kaufmann: Mehr konzertant als szenisch

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