Neue Wege für den Tanz – hin zu den Besuchern
Kritik. Arbeiten von Jonathan Burrows und Wim Vandekeybus bei ImPulsTanz in Wien
Sie könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch wirkt das eine Stück wie ein performativer Kommentar zum anderen: Jonathan Burrows fulminantes Solo „Rewriting“als Performance über die Kunst der Choreografie und Wim Vandekeybus mitreißendes „Go Figure Out Yourself “zählen zu den Höhepunkten in der letzten Woche von ImPulsTanz.
Mittendrin
Das junge Publikum will nicht mehr bloß zusehen, sondern auch direkt in die Aufführung einbezogen werden. Wie schon so oft in seiner langen Karriere findet Vandekeybus daher zu einem neuen Format für den zeitgenössischen Tanz.
Vandekeybus und die fünf Tänzerinnen und Tänzer seiner Compagnie Ultima Vez lassen also die Bühne hinter sich und mischen sich in der mumok Hofstallung unter die Besucher.
Hautnah
Es ist nicht nur grandios, den energiegeladenen Tanzstil von Vandekeybus so hautnah zu erleben und zu spüren. Vielmehr greift er auch ein aktuelles Thema auf: Wie entsteht Vertrauen zu einer/einem Unbekannten? Wem wollen wir folgen?
Und da setzt ein beunruhigendes Spiel um Fake News und Manipulationen ein, brechen Gefühle von Sympathie bis Aggression auf. Jeder einzelne Performer versucht, mittels direkten Zugehens auf das Publikum Macht aufzubauen.
Eine für Vandekeybus ungewöhnliche Arbeit ohne große technische Hilfsmittel, ohne Film und ohne Livemusik, aber dennoch eine seiner stärksten der letzten Jahre.
Umgeschrieben
Ganz anders, klar strukturiert und wunderbar fantasievoll folgt im Leopold Museum der englische Tänzer und Choreograf Jonathan Burrows mit „Rewriting“. Gedanken und Notizen über das Entstehen von Stücken und zu seiner Kunst werden als Notizzettel wie Spielkarten gemischt.
Während Burrows den Tanz im Kopf in Worte zu fassen versucht, bewegt er an einem Tisch sitzend Hände und Arme in einer sehr poetischen Choreografie.
Mit Seitenhieben auf manche Entwicklungen der Tanzszene ist ein Stück über den Schaffensprozess entstanden, das viel über jene Anziehungskräfte von Menschen, Räumen und Gegenständen enthüllt, um die es auch bei Vandekeybus geht.
KURIER-Wertung: