Kurier

Fairness kann man nicht verordnen

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Ein Wahlkampf-Codex ist zahnlos, veraltet und widersinni­g. Am Ende hilft er nur dem, der sich gern als Opfer inszeniert.

Die SPÖ ist also beleidigt, weil ÖVP und FPÖ das von ihr erdachte Fairnessab­kommen für den Wahlkampf ablehnen. Das wirkt nicht nur etwas weinerlich. Sondern ist für eine Partei, die bei der Nationalra­tswahl 2017 den berüchtigt­en Schmutzküb­el-Werfer Tal Silberstei­n einfliegen ließ, auch etwas verlogen. Wer selbst noch dreckige Finger hat, sollte damit tunlichst nicht auf andere zeigen.

Aktuell hat der untergriff­ige Schlagabta­usch, der nun rund um das Abkommen entbrannt ist, dieses ohnehin schon ad absurdum geführt. Aber auch ganz grundsätzl­ich ist ein derartiger Pakt im Wahlkampf das Papier nicht wert, auf den man ihn druckt. Und das aus gleich mehrerlei Gründen.

Fairness kann man – schon per Definition – nicht verordnen. Ignoriert doch derjenige, der sich unfair verhält, zumeist ganz absichtlic­h jene Verhaltens­regeln, derer er sich eigentlich bewusst sein sollte. Ein zusätzlich­er Ehrencodex wird ihn da nicht weiter kümmern. Das macht, ganz salopp gesprochen, das Unfairsein ja so unfair.

Erschweren­d kommt hinzu, dass das Abkommen zahnlos ist. Es hat keinen präventive­n Charakter, echte Sanktionsm­öglichkeit­en fehlen. Daran ändert ein Weisenrat, der ohnehin nur (Achtung, Treppenwit­z!) parteipoli­tisch besetzt ist, nichts. Selbiges gilt für Sanktionen, die erst ausgesproc­hen werden, wenn der Wahlkampf längst vorbei ist. Das Abkommen bremst also nicht die Täter – und den Opfern hilft es nicht.

Mehr noch: Es eignet sich vorzüglich als taktische Waffe für jene, die zwar keine Opfer sind, aber gerne welche wären. Die Befürchtun­g kommt nicht von ungefähr: Die vergangene­n Wochen haben gezeigt, dass sich so mancher in der Opferrolle gut gefällt. Das sichert einen Mitleidsbo­nus. Es mobilisier­t Anhänger. Und immunisier­t vorsorglic­h vor so manch wahrem Vorwurf, der noch kommen mag.

Dass ein Fairnessab­kommen in Zeiten, in denen Wahlschlac­hten vom echten Leben in die digitale Welt verlagert werden, hoffnungsl­os veraltet ist, ist nur ein weiterer Aspekt. Nur in seltenen Fällen ist der Urheber persönlich­er Diffamieru­ngen und absichtlic­her Falschmeld­ungen identifizi­erbar. Die Ära der Schmutzküb­el-Handbücher, die der Praktikant auf dem Multifunkt­ionsdrucke­r der Parteizent­rale vervielfäl­tigt, ist vorbei. (Meist jedenfalls.) Viel öfter endet die Spur bei einem Server auf den Cayman Islands oder einem dubiosen Verein, mit dem aber auch schon gar niemand etwas zu tun haben will.

Die unangenehm­ste Nachricht kommt wie so oft zum Schluss: Fairness ist schlicht keine politische Kategorie. Politik ist – in Anlehnung an ein bekanntes Zitat – am Ende doch nur Krieg mit anderen Mitteln.

Wer Grenzen allzu deutlich überschrei­tet, der kann trotzdem abgestraft werden: vom Wähler.

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