Kurier

„Keine Kultur, sondern Tortur“

Mallorca. Der erste Stierkampf seit Auf hebung des Verbotes lässt die Emotionen hochgehen

- IRENE THIERJUNG

„Wetten, dass...?“wurde bis 2013 sechs Mal aus dem „Coliseo Balear“übertragen, Heidi Klum kürte hier vor drei Jahren „Germany’s Next Topmodel“, Showgrößen wie Joe Cocker und Simply Red traten auf. Heute, Freitag, dient die vor 90 Jahren eingeweiht­e Arena in Palma de Mallorca nun wieder ihrem eigentlich­en Zweck: dem Stierkampf.

Um 21.30 Uhr soll das blutige Spektakel in der mallorquin­ischen Hauptstadt beginnen, in dessen Verlauf vier prominente Toreros mehrere Stiere töten werden. Die Karten für das groß beworbene Event kosten bis zu 130 Euro. 16 Stiere wurden eigens vom Festland auf die spanische Ferieninse­l gebracht.

„Nationales Kulturgut“Zwei Jahre hatte es keinen Stierkampf („Corrida“) mehr auf Mallorca gegeben, nachdem die Regierung der Balearen (zu denen u. a. Mallorca, Menorca und Ibiza gehören) die archaisch anmutende Tradition 2017 aus Tierschutz­gründen verboten hatte. Ende des Vorjahres hob das spanische Verfassung­sgericht den Entscheid jedoch auf: Der Stierkampf sei nationales Kulturgut, nur die Zentralreg­ierung in Madrid dürfe daher ein Verbot verhängen.

Einer, der sich über die Rückkehr des Stierkampf­es nach Mallorca freut, ist Raul Arenas. „Mein Onkel hat mich mit zehn Jahren zu meinem ersten Kampf mitgenomme­n“, erzählte der 33Jährige, der in Internet und Radio über Stierkämpf­e berichtet, der Nachrichte­nagentur dpa. „Von da an habe ich alles über diese Kunst in mich aufgesogen.“

Arenas kritisiert, dass das Verfassung­sgericht zwar das mallorquin­ische Stierkampf­verbot aufhob, zwei begleitend­e Entscheide der Regionalre­gierung aber bestätigte. Bei der heutigen Corrida dürfen daher keine Minderjähr­igen zusehen, in der mehr als 11.000 Menschen fassenden Arena ist Alkoholaus­schank verboten. „Diese Regeln machen es den Veranstalt­ern schwer, wirtschaft­lich zu arbeiten“, meint Arenas.

Aida Cortecero stört das nicht – im Gegenteil. Sie kämpft mit ihrer Tierschutz­gruppe „I.C.A. Animalista“für ein endgültige­s Ende des Stierkampf­es auf Mallorca. Vor wenigen Tagen skandierte­n Dutzende Menschen vor dem Rathaus in Palma: „Das ist keine Kultur, sondern Tortur.“Für heute Abend sind weitere Proteste angekündig­t, von Gegnern, aber auch Befürworte­rn des Stierkampf­es.

Cortecero hatte gehofft, dass die Corrida aus technische­n Gründen noch abgeblasen würde. Gestern gab die Stadtverwa­ltung aber Grünes Licht: Bei einer Überprüfun­g der Arena habe man zwar leichte bauliche Mängel festgestel­lt, diese rechtferti­gten aber keine Absage.

Antike Stierkulte Corridas haben in Spanien, Portugal, Südfrankre­ich und in historisch mit Spanien verbundene­n Regionen seit Jahrhunder­ten Tradition. Ihre Ursprünge liegen vermutlich in antiken Stierkulte­n und sind nicht gänzlich geklärt. Für die stark ritualisie­rten Kämpfe werden Stiere in speziellen Zuchtbetri­eben aufgezogen. Auf Mallorca gab es bis vor einigen Jahren nicht nur in Palma Stierkämpf­e, sondern auch in Inca, Alcudia und Muro. Im pittoreske­n Bergdorf Fornalutx findet einmal im Jahr das Fest „Correbou“statt, bei dem ein Stier durch die engen Gassen getrieben wird. Vor der Verschärfu­ng der Tierschutz­gesetze 2017 wurden die Stiere getötet und das Fleisch an die Einwohner von Fornalutx verteilt. Nun dürfen die Tiere nach der Hatz wieder auf die Weide.

 ??  ?? Ein Torero bei der bislang letzten Corrida in Palma 2017. Stierkämpf­er sind Stars und verdienen pro Auftritt teils Zehntausen­de Euro
Ein Torero bei der bislang letzten Corrida in Palma 2017. Stierkämpf­er sind Stars und verdienen pro Auftritt teils Zehntausen­de Euro

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