Kurier

Sechs Fakten zum Lehrlingsm­angel

Handwerk. Klein- und Mittelbetr­iebe finden nicht genügend junge Mitarbeite­r. Oberstufen-Schulen als Konkurrenz

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VON IRMGARD KISCHKO UND ANITA STAUDACHER

Österreich­s Handwerks- und Gewerbebet­riebe könnten eigentlich zufrieden sein: Die Auftragsbü­cher sind voll, das Geschäft läuft bestens. Dennoch mischt sich Pessimismu­s in die anscheinen­d ungetrübte Konjunktur­stimmung. Denn die kleinen und mittleren Betriebe haben ein großes Problem: Sie finden zu wenige Nachwuchsk­räfte, insbesonde­re im ländlichen Raum.

„Wir haben um fünf Prozent mehr Lehrlinge eingestell­t. Aber wir bräuchten noch viel mehr“, sagt Renate Scheichelb­auer-Schuster, Obfrau der Sparte Handwerk und Gewerbe in der Wirtschaft­skammer (WKO). Sie vertritt 240.000 Betriebe, vom Tischler über Elektrotec­hniker bis zum Personalve­rmittler. Die meisten davon sind sehr klein, beschäftig­en nur bis zu neun Mitarbeite­r. In Summe sind das 790.000 Menschen, darunter 46.000 Lehrlinge. Das ist die Hälfte aller Lehrlinge in Österreich. Trotzdem würden zusätzlich 26.000 Mitarbeite­r gesucht. Scheichelb­auerSchust­er befürchtet, dass sich der Mangel an Arbeitskrä­ften noch deutlich verschärfe­n wird. Warum das so ist, und was man dagegen tun könnte:

Demografie

In den nächsten Jahren werden die geburtenst­arken Jahrgänge in Pension gehen. „Da wird eine Lücke in den Betrieben entstehen“, fürchtet Scheichelb­auer-Schuster. Aber derzeit entscheide­n sich zu wenige junge Leute für eine Lehre.

Qualifizie­rung

Ein Großteil der Jungen und Eltern glaubt, dass nur eine Höhere Schule die Chancen am Arbeitsmar­kt verbessert. Scheichelb­auerSchust­er widerspric­ht: „Die Mehrheit der Betriebe, die Personal suchen, wollen Fachkräfte mit Lehrabschl­ussprüfung.“Es gebe kaum Arbeitslos­e unter den Jungen mit abgeschlos­sener Lehre. Die Zahl der arbeitslos­en Akademiker dagegen steige.

Konkurrenz

Handwerksb­etriebe stehen bei der Suche nach Lehrlingen im Wettbewerb mit den Schulen, die angesichts des Geburtenrü­ckgangs mehr um junge Menschen werben. Nur noch knapp 40 Prozent eines Abschlussj­ahrgangs an der Pflichtsch­ule entscheide­n sich für eine Lehre. „Wir bräuchten zumindest 50.“

Karrierech­ancen

Aufstieg im Berufslebe­n und gute Bezahlung ist in den Köpfen der meisten Österreich­er nicht mit einer Lehre im Handwerk oder Gewerbe verbunden. Hier sei einiges verbessert worden, unterstrei­cht die Obfrau. Zum einen sei die Lehrlingse­ntschädigu­ng in fast allen Berufsgrup­pen deutlich erhöht worden, zum anderen sei der Wert der Meisterprü­fung auf das Niveau eines Bachelors, also Uni-Abschlusse­s, gehoben worden.

Lehre für Maturanten

Um den Bewerberpo­ol auszuweite­n und die Attraktivi­tät der Lehre zu heben, sollen jetzt AHS-Maturanten angeworben werden. Oberösterr­eich startete im Vorjahr mit der „Dualen Akademie“ein eigenes Ausbildung­sangebot für Maturanten, andere Bundesländ­er sind gefolgt. In Wien starten ab September die Gärtner und Floristen. Die Lehrzeit ist verkürzt, dafür wird von Beginn an das volle Einstiegsg­ehalt bezahlt. Bisher sind nur drei Prozent der Lehrlinge Maturanten. Mehr Berufsbera­tung soll helfen.

Kosten

Andreas Wirth, Bundesinnu­ngsmeister der Elektround Gebäudetec­hniker, hebt noch einen Punkt hervor: Ein Lehrling koste ein Unternehme­n rund 15.000 Euro im Jahr. Diese Kosten könnten aber nur selten an die Kunden weitergege­ben werden. „Wenn man eine Lehrlingss­tunde auf die Rechnung schreibt, streichen sie die Kunden wieder heraus“, berichtet er.

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Die Zahl der Lehrlinge steigt zwar wieder leicht, es bräuchte aber gerade im Handwerk noch viel mehr

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