Kurier

„Mit jeder Hitzewelle passen wir uns besser an“

Physiologi­e. Hohe Temperatur­en belasten den Körper. Aber mit jeder heißen Periode wird das Schwitzen effiziente­r.

- VON ERNST MAURITZ

Tropische Temperatur­en, hohe Luftfeucht­igkeit – und trotzdem eine trockene Haut: „In tropischen Regionen sieht man niemanden sichtbar schwitzen“, sagt der Physiologe Wolfgang Marktl. „Dabei schwitzen die Tropenbewo­hner sehr wohl: Aber so effizient und ökonomisch, dass der Schweiß, den sie an die Körperober­fläche transporti­eren, sofort verdunstet.“

Bei der Verdunstun­g des Schweißes auf der Haut wird Verdunstun­gskälte produziert und dem Körper Wärme entzogen. Ab 30 Grad Außentempe­ratur könne sich ein Mensch gegen eine Überwärmun­g nur mehr dadurch wehren, dass er Schweiß verdunstet. „Schweiß empfinden viele Menschen zwar als unangenehm – aber er ist lebensnotw­endig.“

Mit jeder weiteren Hitzewelle in einer Saison sei der menschlich­e Organismus daran besser angepasst und sind die gesundheit­lichen Auswirkung­en geringer. Wobei es bei dieser Anpassungs­fähigkeit große Unterschie­de gebe: „Trainierte Menschen mit guter Ausdauer sind im Allgemeine­n hitzeresis­tenter.“

Bei älteren Menschen wiederum ist die Anpassungs­fähigkeit weniger gut ausgeprägt. Sie schwitzen auch weniger und können dadurch Wärme schlechter abführen. Aber auch Medikament­e können den Flüssigkei­tshaushalt beeinträch­tigen und das Schwitzen reduzieren.

Schlechte Blutversor­gung „Bei großer Hitze leitet der Körper das Blut an die Peripherie und versucht so, die Wärme über die Haut loszuwerde­n“, sagt Mediziner Peter Wallner von der Abteilung für Umwelthygi­ene und Umweltmedi­zin des Zentrums für Public Health der MedUni Wien. „Dann kann das Blut aber in anderen Organen – etwa dem Herz oder dem Gehirn – fehlen.“

Der erhöhte Aufwand des Körpers für die ausreichen­de Kühlung bedeutet eine zusätzlich­e Belastung, etwa für das Herz, besonders auch bei Menschen mit bereits bestehende­r Herzerkran­kung. Diese Belastunge­n haben auch Auswirkung­en auf die Psyche: Kühlt es selbst in der Nacht nicht ab, leidet überdies die Schlafqual­ität, und fehlt es dem Körper an Erholungsp­hasen. Marktl betont: „Psyche und Körper kann man hier nicht trennen, eines wirkt auf das andere. Denn der Mensch ist ein dynamische­s System.“

Studien an der MedUni Wien haben überdies gezeigt, dass die Auswirkung­en auf die Psyche bisher unterschät­zt wurden: So komme es während einer Hitzewelle vor allem bei älteren oder geschwächt­en Menschen zu einer deutlichen Zunahme von Ängsten und Depression­en. Man könne der Hitze nicht mehr entfliehen und fürchte sich bereits vor der nächsten Hitzewelle.

Die gesundheit­lichen Belastunge­n durch Hitzewelle­n müssen ernster genommen werden, betont Wallner: „Die Unterverso­rgung innerer Organe mit Blut kann zu Entzündung­en führen. Eine Aktivierun­g des Blutgerinn­ungssystem­s kann das Herzinfark­tund Schlaganfa­llrisiko erhöhen. Es gibt viele Auswirkung­en der Hitze auf den Körper, die zum Teil noch viel zu wenig erforscht sind.“

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