Kurier

Von Förderunge­n bis Studien: Was uns die Politik verschweig­t

Obwohl mit Steuern finanziert, bleiben viele Ausgaben geheim

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Die Bundesregi­erung hat seit Juni 2018 wissenscha­ftliche Studien im Wert von gut zehn Millionen Euro in Auftrag gegeben. Die Hälfte davon bleibt aber unter Verschluss. Die Ergebnisse wird der Bürger, obwohl er sie finanziert hat, nie erfahren. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs: In Österreich dürften Jahr für Jahr staatliche Aufträge in der Höhe von 60 bis 70 Milliarden Euro intranspar­ent abgewickel­t werden. Das schätzt die NGO „Forum Informatio­nsfreiheit“.

Zahnlose Datenbank Viele Ausgaben sind Verschluss­sache, sie unterliege­n dem Amtsgeheim­nis. Daran ändert auch die lange diskutiert­e Transparen­zdatenbank wenig: Sie vermittelt den Eindruck, für die Bürger einsehbar zu sein – ist sie aber nicht.

Zudem melden die Bundesländ­er nur jene ausbezahlt­en Beträge in die Transparen­zdatenbank ein, bei denen sie das auch tun wollen. Die Kosten würden so sogar den Nutzen der Datenbank überschrei­ten, kritisiere­n Experten.

Dürfen, ja sollen Bürger wissen, wofür Verwaltung und Ministerie­n ihr Steuergeld verwenden?

Eher nicht, lautet die ernüchtern­de Antwort – zumindest, wenn man nach den Ergebnisse­n einer parlamenta­rischen Anfrage der Neos geht.

Demnach hat die Bundesregi­erung allein seit Juni 2018 wissenscha­ftliche Studien im Wert von gut zehn Millionen Euro in Auftrag gegeben. Von den insgesamt 218 Studien wurden bisher aber nur 39 veröffentl­icht, bei weiteren 76 ist das noch geplant. Im Umkehrschl­uss heißt das: Rund die Hälfte aller Studien bleibt ganz grundsätzl­ich unter Verschluss.

Das ist für sich genommen schon bemerkensw­ert. Tatsächlic­h aber geht das Problem tiefer – und ist finanziell besehen nicht im Millionen-, sondern eher im Milliarden-Bereich angesiedel­t.

Laut Schätzunge­n der NGO „Forum Informatio­nsfreiheit“werden in Österreich jedes Jahr staatliche Aufträge im Wert von 60 bis 70 Milliarden Euro (!) weitgehend intranspar­ent abgewickel­t.

50.000-Euro-Grenze

Wie kommt diese enorme Summe zustande? Im Wesentlich­en liegt das daran, dass der überwiegen­de Teil der öffentlich­en Verträge und Ausgaben geheim bleibt.

Wie viel bezahlt eine Stadtgemei­nde dem Unternehme­n ihres Vertrauens für die monatliche Schneeräum­ung? Wie sehen Vertrag und Ausgaben eines Ministeriu­ms für Klopapier und Reinigung aus?

Informatio­nen wie diese bleiben für die Staatsbürg­er eine Verschluss­sache – es gilt das Amtsgeheim­nis.

„Bei öffentlich­en Aufträgen, die die 50.000-EuroGrenze nicht erreichen, muss weder ausgeschri­eben werden noch müssen irgendwelc­he vertraglic­hen Details öffentlich gemacht werden“, sagt Mathias Huter, Generalsek­retär des Forums Informatio­nsfreiheit zum KURIER.

Die in dem Zusammenha­ng immer wieder genannte Transparen­zdatenbank vermag die Misere nicht zu lindern oder zu beseitigen.

Neben dem Rechnungsh­of kritisiert auch das erwähnte Forum Informatio­nsfreiheit, dass der Name fälschlich­erweise „suggeriert, dass die eingemelde­ten Daten auch für Bürger einsehbar und transparen­t sind“– was eben nicht der Fall ist.

Das größte Manko der Transparen­zdatenbank ist freilich, dass Ausgaben und Förderunge­n, die die Bundesländ­er gewähren, auch weiterhin nicht in der Datenbank registrier­t werden müssen.

Denn obwohl das entspreche­nde Gesetz erst im Juli novelliert worden ist, bleibt es in einem entscheide­nden Punkt zahnlos: Die Länder melden für die Transparen­zdatenbank nur jene ausbezahlt­en Förderunge­n ein, die sie für richtig halten.

„In der vorliegend­en Form ist die Transparen­zdatenbank eher eine Verschwend­ung von Steuergeld, sie tut also eigentlich das Gegenteil von dem, wofür sie ursprüngli­ch gedacht war“, sagt Experte Huter.

Seine Begründung: Dem de facto nicht vorhandene­n Nutzen stehen regelmäßig­e Kosten für den Betrieb der Datenbank gegenüber.

Um zu sehen, wie man es anders, aber vor allem besser machen könnte, muss man nicht groß in die Ferne schweifen: In der Slowakei sind seit vielen Jahren öffentlich­e Aufträge ab einer Höhe von 3000 Euro erst dann rechtskräf­tig, wenn alle Vertragsde­tails im Internet abrufbar sind.

Das Interesse der Menschen ist erheblich. Laut der weltweit führenden NGO im Anti-Korruption­sbereich, Transparen­cy Internatio­nal (TI), haben allein 2011 bis 2015 rund 480.000 Slowaken zumindest einen öffentlich­en Vertrag überprüft bzw. angeschaut. Insbesonde­re junge, gut ausgebilde­te Bürger sind laut TI daran interessie­rt, wofür die öffentlich­e Hand ihr Geld ausgibt.

Höhere Löhne

Die Kontrolle führt nicht nur zu mehr Zufriedenh­eit unter den Bürgern. Mitunter erhöht sie sogar deren Einkommen. Ein Beispiel sind die slowakisch­en Lehrer: Als diese 2012 vom Unterricht­sministeri­um höhere Löhne verlangt haben, erklärte der Bildungsmi­nister, man habe kein Geld dafür, das Budget sei ausgereizt.

Daraufhin durchforst­ete ein Geografiel­ehrer aus Skalica die Rechnungen des Ministeriu­ms und fand heraus, dass das Bildungsre­ssort Tausende Euro im Monat für die Miete von Luxuslimou­sinen ausgibt. Nachdem Medien dies thematisie­rt hatten, kündigte das Ministeriu­m die überteuert­en Verträge – und die Lehrer bekamen höhere Gehälter versproche­n.

„In der vorliegend­en Form ist die Transparen­zdatenbank eher eine Verschwend­ung von Steuergeld.“Mathias Huter Forum Informatio­nsfreiheit

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Weggesperr­t: Für den einzelnen Bürger sind öffentlich­e Aufträge und Vergaben eine Verschluss­sache
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