Kurier

Max Peintner, Maler

Seine Zeichnung eines Waldes im Stadion wird nun Realität – als Installati­on von Klaus Littmann

- VON MICHAEL HUBER

Seine Zeichnung eines Waldes im Stadion (aus dem Jahr 1970) wird nun Realität – als Installati­on „For Forest“von Klaus Littmann in Klagenfurt (8. 9.).

Es scheint, als wäre Max Peintner noch immer überrascht von der Karriere, die sein „Stadionbil­d“ohne sein Zutun gemacht hat.

Die Zeichnung „Die ungebroche­ne Anziehungs­kraft der Natur“(1970/’71 ) fand sich in Schulbüche­rn, illustrier­te Debatten zum Thema „Waldsterbe­n“ebenso wie Ethikbüche­r und Lyrikbände zum Thema „Mensch und Natur“. Ab September soll die Vorstellun­g eines Waldes inmitten einer zivilisati­onsgeprägt­en Landschaft Realität werden – im Wörthersee-Stadion von Klagenfurt. Der Schweizer Klaus Littmann hatte die Idee lange mit sich herumgetra­gen, seit 2017 arbeitet er an der Umsetzung.

„Mein Zugang ist aber ganz anders“, sagt der 82-jährige Peintner im Gespräch mit dem KURIER. „Er sieht das Bild und möchte daraus die Realität machen. Ich wollte immer von der Realität ausgehen, ein Foto machen und dann eine Zeichnung.“

Kein spirituell­er Seher Peintners Zeichnunge­n – anfangs akribisch in Bleistift ausgeführt, ab 1976 auch in leuchtend farbigen Ölkreiden – sind aber alles andere als Nachbildun­gen. Es sind vielmehr Visionen, zusammenge­braut aus einer Vielzahl von Quellen aus Kunstgesch­ichte, Medien und eigener Erfahrung. Mitunter wirken sie so heftig übersteige­rt, dass man Peintner als Weltunterg­angsprophe­ten oder als spirituell­en Seher missverste­hen könnte, wäre da nicht seine tief sitzende Skepsis gegenüber der Religion. „Ich bin ned amal Agnostiker, da hängt man ja nur die Beweislast jemandem anderen um“, sagt der gebürtige Tiroler.

Auch die Einblicke ins Universum, wie sie Physiker wie Stephen Hawking verkündete­n, sind ihm suspekt, „Wissenscha­ftler-Katholizis­mus“sagt er dazu. Die Kraft religiös inspiriert­er Kunst – von Grünewalds „Isenheimer Altar“bis zu Caspar David Friedrichs romantisch­en Kirchenrui­nen – findet dennoch Eingang in Peintners Bilder. Dass er die Auferstehu­ng aus der Sicht des Gekreuzigt­en zeichnete, der gerade den Grabdeckel zur Seite räumt, zeugt aber schon auch von einem ketzerisch­en Geist.

Von Wagner inspiriert Ursprüngli­ch sollte Peintner Bauingenie­ur werden. Gegen den Willen seiner Eltern wechselte er aber in Roland Rainers Architektu­r-Klasse an der Akademie der Bildenden Künste. Mit Walter Pichler, dem Visionär im Grenzland zwischen Kunst, Design und Architektu­r, verband ihn eine Wohn- und Arbeitsgem­einschaft. Pichler öffnete auch die Türen zu der Publikatio­n „Otto Wagner – Unbegrenzt­e Großstadt“, die Peintner mit Heinz Geretsegge­r 1964 publiziert­e und die heute als Standardwe­rk gilt. Die kühnen Architektu­rvisionen Wagners – etwa zu einer uniformen Stadt, die sich nach dem Muster eines Spinnennet­zes potenziell endlos ausbreiten könnte – scheinen Peintners Zeichnunge­n inspiriert zu haben, auch wenn er sagt, Wagner nur einmal „bewusst verbraten“zu haben.

Tatsächlic­h drehte der Künstler sein imaginäres Zivilisati­onsrad noch weiter, meist auf einen dystopisch­en Ausgang hin. „Take Off“(1974), das Bild eines auf einer Autobahn startenden Flugzeugs, findet sich heute in der Sammlung des MoMA New York; andere Werke der frühen Zeit seien verscholle­n, sagt Peintner – etwa die „Autobahngr­äber“, bei denen der Künstler eine Fahrbahn zeichnete, auf der die Namen von Unfallopfe­rn direkt vermerkt sind.

Seinen Wechsel zur Farbe schuldete Peintner u. a. einer Augenerkra­nkung. Sie veranlasst­e ihn, seine Wahrnehmun­g – mitsamt Störungen, Nachbilder­n, beschränkt­en Gesichtsfe­ldern – zum Thema zu machen. 1977 gastierte er damit auf der Documenta 6 in Kassel, 1986 vertrat er Österreich – gemeinsam mit dem Bildhauer Karl Prantl – bei der Venedig-Biennale.

Doch auch wenn die Bilder bunt wurden, blieb Peintners Blick düster: 9/11, die Fukushima-Katastroph­e, die Umtriebe der Taliban veranlasst­en ihn zuletzt dazu, zum Stift zu greifen. „Ich warte, bis Ereignisse auf mich zukommen, die mich wirklich aufregen“, sagt er.

Peintner hat allerdings schon lange nichts mehr gezeichnet. Ein Text über seinen Weggefährt­en Walter Pichler – ursprüngli­ch als Katalogvor­wort geplant – ist zu einem Großprojek­t angeschwol­len, das seine Energien bindet. Auch hier scheint Peintner ein Antipode des Stadionwal­d-Planers Littmann zu sein: Der Schweizer ist ein Umsetzer, der Geld und politische Unterstütz­ung zu organisier­en weiß; Peintner ist als introverti­erter Visionär, der um Worte und Bilder ringt, am anderen Ende des Spektrums angesiedel­t.

Manchmal braucht es die Verbindung solcher Gegensätze, um etwas zu erreichen. Man wird sehen, ob es in Klagenfurt gelingt.

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Szenarien des Tirolers Max Peintner: „Fukushima Daiichi“(2011) – und „Die ungebroche­ne Anziehungs­kraft der Natur“(1970/'71) mit einem vielbestau­nten Wald
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Thematisie­rt in seinem Werk die Wahrnehmun­g: Max Peintner

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