Kurier

Christian Pilnacek, Sektionsch­ef

Christian Pilnacek. Der „heimliche Justizmini­ster“geriet in der Causa Eurofighte­r massiv in die Kritik

- VON RAFFAELA LINDORFER

Der „heimliche Justizmini­ster“, zuletzt in der Kritik, im Interview: über die Causa Eurofighte­r und warum sein Ressort mehr Geld braucht.

Christian Pilnacek hat einen Steh-Schreibtis­ch – da steht er oft bis spät in die Nacht. Der Tisch ist höhenverst­ellbar, „aber jetzt ist eh nicht die Phase, wo ich sitzen sollte“, sagt er – ein bitterer Scherz. Tatsächlic­h wird nach dem Streit um die Causa Eurofighte­r (siehe Kasten rechts) kräftig am Stuhl des langjährig­en Sektionsch­efs gesägt.

Wie der angeblich „mächtigste Mann im Justizmini­sterium“den internen Konflikt heute sieht und warum das Ressort mehr Budget braucht.

KURIER: Herr Sektionsch­ef, das Gespräch wird aufgenomme­n – ist das in Ordnung? Oder haben Sie seit April ein gestörtes Verhältnis zu Aufnahmege­räten? Christian Pilnacek: Nein, wenn es angekündig­t ist, ist es ja kein Problem.

Das war bei der Dienstbesp­rechung im April zur Causa Eurofighte­r ja nicht der Fall. Wie geht es Ihnen damit, dass seither ganz Österreich weiß, wie Sie hinter den Kulissen schimpfen?

Angenehm ist das nicht. Aber für sich genommen wäre das zu bewältigen gewesen. Es sind die nachfolgen­den Dinge, die mich belasten.

Sie meinen, dass man Ihre Suspendier­ung, Ihren Rücktritt forderte oder die parlamenta­rischen Anfragen zur Causa?

Ja, weil da die Rede von einem „System Pilnacek“ist. Das System ist aber nicht mit meinem Namen verbunden, sondern da stecken Arbeitspro­zesse dahinter.

Sie werden doch als „mächtigste­r Mann im Justizmini­sterium“und als „heimlicher Justizmini­ster“tituliert.

Ich habe es immer als übertriebe­n empfunden, dass mir die Rolle des Strippenzi­ehers zugedacht wird. So mächtig bin ich gar nicht. Wie sieht Ihr Einf luss aus?

Ich bekomme Vorhabensb­erichte der Staatsanwa­ltschaft, dazu eine Stellungna­hme der Oberstaats­anwaltscha­ft und dann bereiten mir meine Fachabteil­ungen den Fall auf und machen einen Erledigung­svorschlag. Ich kann von diesem gar nicht abgehen; es sei denn, ich habe bessere Argumente. Das wird aber auch im Akt dokumentie­rt. Den Spielraum, in unsachlich­er Weise Einfluss zu nehmen, habe ich objektiv nicht.

Man möchte meinen, dass jemand, der schon so lange in hoher Position ist, genug Einfluss hat, dafür zu sorgen, dass eben nicht alles verschrift­licht wird.

Ja, aber das entspricht nicht meiner Arbeitsauf­fassung. Diese Vorstellun­g, dass ich zum Telefonhör­er greife, und es erstarren alle in Ehrfurcht und drehen das Verfahrens­ergebnis um... Das wäre gar nicht möglich. Es wird ja jedes wichtige Telefonat mit Aktenverme­rk festgehalt­en.

Hat der interne Streit um die Eurofighte­r-Causa die Justiz gehemmt?

Die Abläufe haben weiter funktionie­rt, weil die Beteiligte­n profession­ell genug sind. Uns macht Sorge, wie die Bevölkerun­g das aufgenomme­n hat. Eine interne Auseinande­rsetzung, die öffentlich wird, schadet dem Image der Justiz.

Geht es intern immer so zu? Wir machen selten Dienstbesp­rechungen. Bei dieser ist in der Kommunikat­ion sicher etwas falsch gelaufen.

Bereuen Sie Ihre Wortwahl? (Eurofighte­r als „Scheißakt“, Anm.)

Ich hätte meine Wortwahl besser überdenken müssen. Sie haben kritisiert, die Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) hätte „keinen Plan“. Mir hat damals eine wirkliche strategisc­he Zielrichtu­ng gefehlt. Ich möchte aber, um die laufende Mediation nicht zu stören, nicht weiter auf die Vorfälle eingehen.

Sie sollen Druck auf die Ermittler ausgeübt haben. Spüren Sie selbst einen politische­n Druck, zu liefern?

Politische­r Druck hat in diesem Verfahren überhaupt keine Rolle gespielt. Aber natürlich ist ein Verfahren besonders sensibel, wenn es gleichzeit­ig einen U-Ausschuss gibt. Die Verfahrens­dauer ist ein allgemeine­r Kritikpunk­t.

Geht bei der Causa Eurofighte­r jetzt etwas weiter?

Ich habe den Eindruck, dass die WKStA das jetzt sehr effizient bearbeitet. Personalma­ngel wurde da auch zum Thema – jetzt gibt es sogar eine Petition „Rettet die Justiz“. Ist es wirklich so schlimm?

Ich habe den Eindruck, dass die Ausstattun­g an Staatsanwä­lten grundsätzl­ich ausreichen­d ist. Aber wir brauchen auf jeden Fall mehr Personal im Support-Bereich und bei der Justizwach­e.

Wie kam es zum Engpass?

Ich denke, dass die besonderen Bedürfniss­e der Justiz in der Festlegung eines allgemeine­n Einsparung­skurses der früheren Regierung unzureiche­nd berücksich­tigt wurden. Die Frage ist: Welchen Wert hat eine funktionie­rende Rechtsprec­hung im Gesamtgefü­ge?

Und die müsste einem deutlich mehr wert sein?

Ja. Aber reicht es, wenn man Geld hineinpump­t? Muss sich die Justiz nicht auch intern ändern?

Beides. Potenziale müssen ausgeschöp­ft werden – dafür braucht es strukturel­le, organisato­rische und qualitätss­ichernde Maßnahmen. Dafür werden wir eventuell auch externe Expertise nutzen.

Das Justizmini­sterium hat seit 2014 rund 200 Weisungen erteilt – was war da los?

Ganz unterschie­dlich. Die Mehrzahl betrifft Fälle, in denen wir gesagt haben, es soll noch mehr ermittelt werden.

Ist es wirklich notwendig, den Staatsanwa­ltschaften so oft auf die Finger zu klopfen?

Gemessen an der Anzahl der Vorhabensb­erichte waren es nur wenige Weisungen (2018: 645 Berichte mit 35 Weisungen). Man muss damit umgehen können, dass eine höhere Instanz eine andere rechtliche Beurteilun­g vornimmt.

Es gibt ja einen Antrag von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt im Parlament, Ihre Sektion zu teilen – Sie könnten dann die Weisungssp­itze verlieren. Warum vertraut Ihnen die Politik nicht?

Das müssen Sie jene fragen, die ihn eingebrach­t haben. Die Begründung des Antrags ist meines Erachtens nicht ganz schlüssig.

Im schlimmste­n Fall wären Sie Ihren Job ganz los. Das wird man sehen. Aber ich fahre wohl gut damit, das der parlamenta­rischen Diskussion zu überlassen.

Wollen Sie nach der Wahl wieder Generalsek­retär werden?

Es wird gerade vom Rechnungsh­of geprüft, ob es diese Position weiterhin geben soll. Als ich es damals geworden bin, habe ich meine Stelle als Sektionsch­ef behalten. Meine Heimat ist das Strafrecht.

Und da wollen Sie bleiben? Soweit das möglich ist, ja.

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