Bearbeitungen
Nachverfolgbar
Ein deutscher IT-Unternehmer hat ein Werkzeug entwickelt, mit dem man anonyme WikipediaBearbeitungen, die aus Ministerien stammen, nachverfolgen kann.
Best of Ministerien
Jemand aus dem Finanzministerium ergänzt im Artikel des ÖVP-Arbeitnehmerverbands, ÖAAB aller bisherigen Generalsekretäre (01.09.2017). Jemand aus dem Innenministerium legt Wert darauf, dass der Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner nicht den „unabhängigen“, sondern den „hauptsächlich von den Grünen unterstützten“Alexander Van der Bellen unterstützt hat (11.10.2016). Jemand aus dem Parlament legt Wert darauf, dass der ÖVPPolitiker Karl-Heinz Kopf Träger des Goldenen Ehrenzeichens der Republik Österreich ist (01.07.2016).
Jemand aus dem Bundeskanzleramt ergänzt eine OECD-Studie und kommt zum Schluss, dass Österreich einen „vergleichsweise“schlanken Staat habe (16.08.2017). terreichischen WikimediaVerein. „Ich gehe davon aus, dass der Artikel zur Ibiza-Affäre vorwiegend aus dem Umfeld der SPÖ geschrieben wurde“, sagt er dem KURIER. In der SPÖ-Zentrale hat man auf Anfrage noch nie von diesem User gehört; man hätte gar keinen Mitarbeiter, der sich um Wikipedia kümmert.
Auffallend sei an „Kritischer Berichterstatter“auch, dass er sich bloß für ein Thema interessiert
Außerdem hat Planinger als Administrator, also als offizieller Wikipedia-Mann, Zugriff auf die IP-Adressen der User. So sieht er, wenn jemand aus einer Parteizentrale oder dem Parlament an einem Artikel herumdoktert.
Silberstein von rechts
Auch der Sprachstil sei aufschlussreich: „Ich erkenne meist nach einigen Wörtern, wenn der Autor hauptberuflich Presseaussendungen schreibt. Das ist eine eigene Sprache, die normale Leute nicht verwenden.“Planinger geht auch davon aus, „dass die SilbersteinAffäre hauptsächlich aus dem ÖVP-Umfeld geschrieben wurde – auch, wenn ich nicht ausschließen möchte, dass die FPÖ ebenfalls daran beteiligt war“. Die Zahlen legen es nahe. 82 Prozent des Artikels stammen vom User „Genderforschung.“Dieser Benutzer schrieb 65.000 Zeichen
zum Thema Silberstein. Wer macht das in seiner Freizeit?
Der User namens „Genderforschung“ist jemand, der die Polit-Szene gut kennt und vor allem in eine Richtung denkt. So glaubt er etwa zu wissen, dass 2006 Silberstein und Gusenbauer „ein Jahr lang gezielt“eine Negativkampagne gegen die ÖVP geplant hätten. „Genderforschung“bearbeitet auch regelmäßig – eher zu deren Nachteil – die Artikel von SPÖ-Playern (Matznetter, Gusenbauer, Niedermühlbichler, Pelinka, Kern, Pöchhacker ...).
Man solle sich nicht vom vermeintlich linken Benutzernamen ablenken lassen, fügt Planinger hinzu. Das sei eine beliebte Taktik. Auch die ÖVP dementiert auf Anfrage, einen Wikipedia-Beauftragten zu haben oder etwas mit „Genderforschung“zu tun zu haben. Es wäre auch nicht klug für Parteien, das zugegeben. Planinger: „Manche Parteien machen es verdeckt, manche tun es mit einem offiziellen Account – wie etwa die Grünen Vorarlberg oder die FPÖ Steiermark.“Aber eins sei ganz sicher: „Alle Parteien bearbeiten Wikipedia-Artikel“, sagt Planinger. Ob sie wirklich dafür bezahlt werden oder die stundenlange Arbeit nur aus politischer Überzeugung machen, könne man letztendlich nicht sagen.
Schreibender Bursch
Während die Zahl der Artikel auf Wikipedia ständig steigt, sinkt die Zahl der Autoren. „Wenn wir noch mehr verlieren, besteht die Gefahr, dass die lautesten Autoren gewinnen“, warnt Planinger. Derzeit hat die österreichische Szene bloß 57 sehr aktive User, die mehr als 100 Bearbeitungen pro Monat vornehmen. Nicht mehr als zehn davon, meint Planinger, kümmern sich um politische Artikeln aus Österreich – ziemlich viel Verantwortung auf wenig Schultern. 98 Prozent des Silberstein-Artikels etwa wurden von nur drei Usern verfasst.
Sehr aktiv ist „Pappenheim“mit bisher 26.000 Bearbeitungen – die meisten davon galten Artikeln zu den Themen Strache, Akademikerball, Martin Graf, FPÖ, Barbara Rosenkranz etc. Er sei kein Schreiberling oder Mitglied einer Partei, erzählt er dem KURIER. Eine politische Vorliebe, „Mitte rechts“, könne er jedoch nicht bestreiten. Als Mitglied der schlagenden Burschenschaft Gothia Wien war er auch am Akademikerball. Das würde jedoch seine „ausgewogene“Wikipedia-Arbeit nicht beeinflussen: „Wikipedia-Artikel sind zu wichtig, als dass man User fuhrwerken lässt, die ihre politischen Bremsspuren hinterlassen.“
Während „Pappenheim“ein „linkes Netzwerk“in der Autorenschaft vermutet und nur noch ihm wichtige Artikel aktualisiert, beklagt Philip Kopetzky Angriffe von rechts. Kopetzky hat jahrelang politische Artikel bearbeitet und zu Rechtsextremismus recherchiert – bis ein WikipediaUser seine privaten Daten ins Netz stellte, um ihn einzuschüchtern.