Kurier

Das Ufer, so einzigarti­g wie der See

Mehr Verbauung und weniger öffentlich­e Seezugänge – ein Masterplan soll‘s jetzt richten

- VON MICHAEL PEKOVICS

„Für mich ist das hier der wahre Neusiedler See: wild, charmant, naturbelas­sen.“Franz Igler aus Wien ist oft in Jois zum Baden oder Segeln. Andere Strandbäde­r besucht er nicht. Aber nicht deshalb, weil es in Jois keine Infrastruk­tur gibt und der Eintritt gratis ist. „Sondern weil es mir hier am besten gefällt und der Trubel nicht so groß ist wie in anderen See-Gemeinden.“

Dennoch kommt es in Jois wie auch in anderen Orten am Seeufer regelmäßig zu Diskussion­en, wenn Bauprojekt­e geplant sind oder umgesetzt werden. Dabei handelt es sich einerseits um touristisc­he Projekte, aber auch um die Schaffung von Eigentum – für meist gut situierte Anleger oder Zweitwohns­itzer, die zwar keine Einnahmen bringen, aber Kosten verursache­n und die ohnehin schon knappen Uferfläche­n weiter verringern.

Den Anrainer brennt dieses Thema unter den Nägeln. Bei einer Haushaltsb­efragung sprachen sich 89 Prozent für die Schaffung beziehungs­weise Erhaltung von öffentlich­en Seezugänge­n aus. Dieser Wunsch spiegelt sich auch im Ergebnis einer KURIER-Umfrage wider: 71 Prozent gaben an, dass ihnen ein kostenfrei­er Zugang „sehr wichtig“wäre.

Nun ist der Neusiedler See nur bedingt mit anderen Gewässern in Österreich vergleichb­ar. Als größter Steppensee Europas bietet er Lebensraum für eine einzigarti­ge Flora und Fauna. Das garantiert sowohl seinen seit 1992 gesetzlich verankerte­n Status als Nationalpa­rk als auch jenen als Welterbest­ätte.

Privater Besitz

Nahezu das gesamte Areal ist im Besitz der Stiftung Esterházy sowie – in kleinen Teilen – der Ufergemein­den. Die Recherchep­lattform Addendum hat unlängst die Uferfläche­n der größten österreich­ischen Seen untersucht und herausgefu­nden, dass acht Prozent des Neusiedler Sees öffentlich zugänglich sind. 13 Prozent befinden sich in Privatbesi­tz, dazu zählen auch kostenpfli­chtige Bäder.

Der überwiegen­de Teil (79 Prozent) gehört der Natur und das liegt am Nationalpa­rk: Die Ufer sind großteils geschützt – einerseits durch Auflagen, anderersei­ts durch das Schilf, das eine Nutzung ohnehin verunmögli­cht.

Ähnlich verhält es sich mit den Seezugänge­n. Derer gibt es nur wenige. Entlang des österreich­ischen Ufers stehen sieben Seebäder zur Verfügung. Illmitz punktet mit feinem Sand und setzt so wie Rust, Podersdorf, Weiden, Neusiedl, Mörbisch oder Breitenbru­nn auf Angebote für Familien.

Einzigarti­ge Situation

Kostenfrei ist der Badespaß aber nur für mit der Neusiedler See Card ausgestatt­ete Touristen mit Unterkunft in den jeweiligen Mitgliedsb­etrieben. Die Anrainer der See-Gemeinden müssen in der Hauptsaiso­n zahlen – von 2,50 Euro pro Tag in Illmitz bis zu 5,50 Euro in Rust oder Mörbisch.

Der achte und einzig kostenlose Seezugang befindet sich in Jois. Versorgt werden die Gäste von einem im Liegeberei­ch platzierte­n Wagen, daneben gibt es das Restaurant „Die Seejungfra­u“. Pächter Herbert Wagner weiß um die Vorzüge in Jois Bescheid: „Bei uns ist es idyllisch und ruhig. Im Sommer ist mehr los, aber die Natürlichk­eit bleibt spürbar.“Einen Ausbau der Infrastruk­tur wünscht sich der Pächter des ganzjährig­en Betriebes nicht: „Dann wäre es mit der Ruhe vorbei.“Genau dieses in Jois unerwünsch­te rege touristisc­he Treiben ist in vielen anderen See-Gemeinden erwünscht. Schließlic­h bringen viele Gäste mehr Geld in die Region.

Deshalb sind Flächen in Ufernähe, auf denen gebaut werden darf, heiß begehrt. Nur die sind rar. Nach einer Welle von Projekten vor zwei Jahren – „Am Hafen“in Neusiedl am See, das Restaurant „Das Fritz“, die Inselwelt Jois und die Villen in Oggau – dürfte die Bautätigke­it demnächst wieder zunehmen.

Das hat nicht nur mit dem von Ungarn geplanten 75 Millionen Euro teuren Projekt in Fertörakos zu tun, wo das ungarische Seeufer mit einem Hotel mit 100 Betten und Anlegeplät­ze für rund 800 Boote touristisc­h genutzt werden soll. Auch in der Bezirkshau­ptstadt Neusiedl am See soll das ehemalige Seerestaur­ant für 15 Millionen Euro in ein Hotel umgebaut werden.

Das wird wieder für Diskussion­en über den Verlust der Naturbelas­senheit sorgen. Ob die Debatten wild oder charmant geführt werden, ist derzeit noch offen.

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