Das Ufer, so einzigartig wie der See
Mehr Verbauung und weniger öffentliche Seezugänge – ein Masterplan soll‘s jetzt richten
„Für mich ist das hier der wahre Neusiedler See: wild, charmant, naturbelassen.“Franz Igler aus Wien ist oft in Jois zum Baden oder Segeln. Andere Strandbäder besucht er nicht. Aber nicht deshalb, weil es in Jois keine Infrastruktur gibt und der Eintritt gratis ist. „Sondern weil es mir hier am besten gefällt und der Trubel nicht so groß ist wie in anderen See-Gemeinden.“
Dennoch kommt es in Jois wie auch in anderen Orten am Seeufer regelmäßig zu Diskussionen, wenn Bauprojekte geplant sind oder umgesetzt werden. Dabei handelt es sich einerseits um touristische Projekte, aber auch um die Schaffung von Eigentum – für meist gut situierte Anleger oder Zweitwohnsitzer, die zwar keine Einnahmen bringen, aber Kosten verursachen und die ohnehin schon knappen Uferflächen weiter verringern.
Den Anrainer brennt dieses Thema unter den Nägeln. Bei einer Haushaltsbefragung sprachen sich 89 Prozent für die Schaffung beziehungsweise Erhaltung von öffentlichen Seezugängen aus. Dieser Wunsch spiegelt sich auch im Ergebnis einer KURIER-Umfrage wider: 71 Prozent gaben an, dass ihnen ein kostenfreier Zugang „sehr wichtig“wäre.
Nun ist der Neusiedler See nur bedingt mit anderen Gewässern in Österreich vergleichbar. Als größter Steppensee Europas bietet er Lebensraum für eine einzigartige Flora und Fauna. Das garantiert sowohl seinen seit 1992 gesetzlich verankerten Status als Nationalpark als auch jenen als Welterbestätte.
Privater Besitz
Nahezu das gesamte Areal ist im Besitz der Stiftung Esterházy sowie – in kleinen Teilen – der Ufergemeinden. Die Rechercheplattform Addendum hat unlängst die Uferflächen der größten österreichischen Seen untersucht und herausgefunden, dass acht Prozent des Neusiedler Sees öffentlich zugänglich sind. 13 Prozent befinden sich in Privatbesitz, dazu zählen auch kostenpflichtige Bäder.
Der überwiegende Teil (79 Prozent) gehört der Natur und das liegt am Nationalpark: Die Ufer sind großteils geschützt – einerseits durch Auflagen, andererseits durch das Schilf, das eine Nutzung ohnehin verunmöglicht.
Ähnlich verhält es sich mit den Seezugängen. Derer gibt es nur wenige. Entlang des österreichischen Ufers stehen sieben Seebäder zur Verfügung. Illmitz punktet mit feinem Sand und setzt so wie Rust, Podersdorf, Weiden, Neusiedl, Mörbisch oder Breitenbrunn auf Angebote für Familien.
Einzigartige Situation
Kostenfrei ist der Badespaß aber nur für mit der Neusiedler See Card ausgestattete Touristen mit Unterkunft in den jeweiligen Mitgliedsbetrieben. Die Anrainer der See-Gemeinden müssen in der Hauptsaison zahlen – von 2,50 Euro pro Tag in Illmitz bis zu 5,50 Euro in Rust oder Mörbisch.
Der achte und einzig kostenlose Seezugang befindet sich in Jois. Versorgt werden die Gäste von einem im Liegebereich platzierten Wagen, daneben gibt es das Restaurant „Die Seejungfrau“. Pächter Herbert Wagner weiß um die Vorzüge in Jois Bescheid: „Bei uns ist es idyllisch und ruhig. Im Sommer ist mehr los, aber die Natürlichkeit bleibt spürbar.“Einen Ausbau der Infrastruktur wünscht sich der Pächter des ganzjährigen Betriebes nicht: „Dann wäre es mit der Ruhe vorbei.“Genau dieses in Jois unerwünschte rege touristische Treiben ist in vielen anderen See-Gemeinden erwünscht. Schließlich bringen viele Gäste mehr Geld in die Region.
Deshalb sind Flächen in Ufernähe, auf denen gebaut werden darf, heiß begehrt. Nur die sind rar. Nach einer Welle von Projekten vor zwei Jahren – „Am Hafen“in Neusiedl am See, das Restaurant „Das Fritz“, die Inselwelt Jois und die Villen in Oggau – dürfte die Bautätigkeit demnächst wieder zunehmen.
Das hat nicht nur mit dem von Ungarn geplanten 75 Millionen Euro teuren Projekt in Fertörakos zu tun, wo das ungarische Seeufer mit einem Hotel mit 100 Betten und Anlegeplätze für rund 800 Boote touristisch genutzt werden soll. Auch in der Bezirkshauptstadt Neusiedl am See soll das ehemalige Seerestaurant für 15 Millionen Euro in ein Hotel umgebaut werden.
Das wird wieder für Diskussionen über den Verlust der Naturbelassenheit sorgen. Ob die Debatten wild oder charmant geführt werden, ist derzeit noch offen.