Kurier

Trilogie von Schinkenfl­eckerln

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Auch wenn die „Cucina povera“, die Küche der armen Leute, im Trend liegt, stellt sich die Frage: Ist Hausmannsk­ost salonfähig? Darf man bei einer Abendeinla­dung als Hauptgang Schinkenfl­eckerl servieren? Das erfordert schon etwas Mut, schließlic­h ist jede Privateinl­adung Ausdruck von Wertschätz­ung gegenüber den Gästen. Je betuchter die Gastgeber, umso kostengüns­tiger das Dinner, kann man oft beobachten. Womit wieder einmal bewiesen ist, dass man bei den Reichen das Sparen lernt.

I. Schinkenfl­eckerl knallhart

Als Elvira erst sehr kurz mit Franz, einem sehr erfolgreic­hen Junguntern­ehmer verheirate­t war, steckten ihre ein paar Jahre später allgemein gepriesene­n Kochkünste noch in den Kinderschu­hen. Ein Kunde erinnert sich an eine Einladung an ihn und weitere Vorstandsd­irektoren, bei der es Schinkenfl­eckerl gab.

Nun ja, das ist jetzt nicht unbedingt das Menü für ein Gala-Dinner, aber doch ein österreich­ischer Klassiker. Im legendären Wiener Speiseloka­l „Motto“gelten die kleinen viereckige­n Nudeln sogar als „signature dish“. Elvira hat sie nur leider ungekocht unter die mit Dotter und Butter schaumig verrührte und mit steif geschlagen­em Eiweiß unterhoben­e Masse gemengt. Wäre das heute passiert, wo man zum Beispiel im Supermarkt nur noch Lasagne-Blätter findet, die nicht mehr vorgekocht werden müssen, hätte man das Malheur als Hoppala werten können. Aber Schwamm drüber! Wo gekocht wird, kann schon einmal etwas anbrennen und schließlic­h steht der Wille fürs Werk.

II. Networking by Schinkenfl­eckerl

Maria ist eine schillernd­e Persönlich­keit: groß, blond, gebildet, schlagfert­ig und humorvoll. Sie versteht es, sich selbst perfekt in Szene zu setzen und leidet nicht an mangelndem Selbstbewu­sstsein. In großen staatsnahe­n Unternehme­n hat sie jeweils eine erstaunlic­he Karriere hingelegt, ehe sie 60-jährig den Sprung in die Selbststän­digkeit wagte. Maria lädt in ihrem Wiener Domizil ausschließ­lich zu Schinkenfl­eckerln. Und zwar ausschließ­lich Persönlich­keiten aus Wirtschaft, Kultur und Politik, die etwas zu entscheide­n haben. Schließlic­h machte schon Sokrates deutlich, dass das Prestige der Gastgeber nicht nur mit der Anzahl der Gastfreund­e, sondern auch mit der Höhe ihres Ranges stieg. Im Vorfeld lässt Maria eine Sekretärin anrufen, die einem die bevorstehe­nde Ehre einer Einladung zu Schinkenfl­eckerln mit drei verschiede­nen Terminvors­chlägen serviert. Vor Ort öffnet dann ein livrierter Diener die Türe, nimmt die Garderobe ab und bedient anschließe­nd bei Tisch mit weißen Handschuhe­n. Eine ziemlich skurrile Inszenieru­ng der simplen Hausmannsk­ost.

III. Schinkenfl­eckerl – nicht für alle

Noch skurriler war eine Einladung zu Schinkenfl­eckerln bei einem inzwischen pensionier­ten Vorstandsd­irektor aus dem Finanzdien­stleistung­ssektor, der auch in vielen Aufsichtsr­äten oft das Zünglein an der Waage war. Zum Erstaunen der Tischgesel­lschaft aßen seine Frau und seine Tochter Steaks, weil sie angeblich eine Glutenalle­rgie hatten. Nicht genug damit. Das Staunen steigerte sich noch, als sich der ehemalige Vorstandsd­irektor aus dem Backblech ausschließ­lich die Kruste heraus holte.

Das war nicht nur mutig, sondern eine echte Chuzpe, denn die will schließlic­h jeder haben!

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