Kurier

Hitzewelle? Eiszeit!

Welche fatalen Auswirkung­en die Buchstaben L und O auf das Dasein haben, und wie im Auto Seite an Seite die Regulierun­gsneurosen gelebt werden.

- VON GABRIELE KUHN & MICHAEL HUFNAGL

Sie

L wie lästig, O wie oha: Zwei Buchstaben, ein Dramolett. Sie ergeben den Begriff „LO“. Und der ist: heikel bis wolkig. Er ist immer da, wenn der Mann nebenan ins Auto steigt und die Elektronik anwirft. Da leuchten sie auf, diese zwei „LO“. Links eines und rechts eines, auf der Beifahrers­eite. Als Symbol für eisige Kälte mitten im Sommer sät das Duo Zwietracht und sorgt für Klimakrise­n: Es steht nämlich für eine Fahrzeugin­nentempera­tur von maximal 15,0 Grad. So mag er das, während eine steife Brise Nordwind sich in meinen Knochen verfängt, bis sie schmerzen.

Der Eisvogel Stimmt, das hatten wir schon – ich rege mich aber immer noch auf: Hier ist es wie in einer Gruft, nur mit dem Unterschie­d, dass wir leben – noch. Die Mimik des Eisvogels nebenan erstarrt. Unverständ­nis: Draußen hat es 34 Grad, du willst hoffentlic­h nicht, dass ich mit dem Lenkrad zu einer Skulptur verschmelz­e, über die dramatisch in der Zeitung berichtet wird, oder? Dann weiht er mich in das Geheimmir, nis seiner Klimaanlag­e ein und zeigt dass das Beifahrer-LO individuel­l regulierba­r sei, heißt: Du kannst deine Seite auf 18 Grad raufreguli­eren, aber bitte nicht wärmer, sonst komme ich um. In Folge muss ich mir die 323 km Richtung Süden depperte Witze anhören – über Menschen, die im Auto Angorasock­en tragen und um eine kleine Pause bitten. Nicht, um Lulu zu gehen, sondern um sich aufzuwärme­n. „Liebschaft­en, die mit der Hitze eines Feuers beginnen, enden oft in Eiseskälte“: Wie recht er doch hatte, der Seneca, denke ich mir einen Tag nach unserer Ankunft, lese, und sehe den Regentropf­en zu, wie sie in den See plumpsen. Warum habe ich Trottel keinen dicken Pulli mit?, höre ich ihn wehklagen. Doch mein Mitgefühl ist immer noch so eingefrore­n, dass mir nichts einfällt außer ein läppisches Woswaßi. Lesekabare­tt „Schatzi, geht’s noch?“: 30. 9., 26. 10. & 11. 11., Rabenhofth­eater; 3. 10. Bettfedern­fabrik, 11. 10., Burg Perchtolds­dorf gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKu­hn60

Er

L wie lustvoll, O wie ohja, so muss es natürlich heißen. Ich brauche das „LO“wie die Luft zum Atmen. Immer und überall, in meinem Leben kann es von früh bis spät gar nicht genug „LO“geben. Für einen Mann, zu dem die Hitze so gut passt wie ein Turbopunsc­h zur Sommerpart­y, ist „LO“mehr als nur ein Anker im Hafen des Alltagsglü­cks. Und während gnä Kuhn bei Temperatur­en jenseits der 30 Grad frohlocken­d durchs Land spaziert und es für einen Akt weiblicher Rebellion hält, im Bett keine Socken zu tragen, leide ich. Daher stelle ich mich in Ermangelun­g eines Hochgebirg­ssees auf der Terrasse unter die Gartendusc­he. Die nämlich hat die Funktion eines wunderbar feinen Sprühnebel­s, der in zehn Sekunden Gänsehaut-Effekte erzeugt, für länger anhaltende Kühlung sorgt und mich dazu verleitet, splitterna­ckt zu tanzen und laut zu tirilieren: „Und ich werd’ kalt und immer kälter ...“Die Liebste sagt dann gerne Sachen wie Du spinnst oder Geh’ bitte, wenn dich wer sieht, holt er fix die Polizei, aber das ist mir blunz’n.

Frau Heißsporn

Also gehen meine Frau und die Schwitzfig­ur an ihrer Seite in extremen Zeiten wie diesen eben öfter getrennte Wege. Sie macht etwa mit Vorliebe in der Morgensonn­e Yoga, während ich starr im Keller sitze und das Max-Goldt-Hörbuch „Nicht jede kalte Säge schafft es nach New York“höre. Problemati­sch wird es nur auf gemeinsame­n Autofahrte­n. Da habe ich die Gartendusc­he nicht mit, weshalb „LO“die einzige Möglichkei­t ist, nicht mit hochrotem Kopf und völlig verklebt am Ziel anzukommen. Doch neben mir sitzt Frau Heißsporn mit dem eingefrore­nen Gesicht der Anklage und sagt in ihrer Kälte-Hysterie: Du mit deiner HitzeHyste­rie! Dann schenke ich ihr als Kavalier ein paar Grade und summe vor mich hin: „Ich möchte ein Eisbär sein, im kalten Polar. Dann müsste ich nicht mehr schreien, alles wär’ so klar ...“Prompt entdecke ich bei ihr ein Lächeln. Und das ... wärmt mein Herz. michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9

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