Kurier

Anwalt der Unzufriede­nheit

- VON KLAUS ECKEL

Vor Kurzem durfte ich im Supermarkt ein junges Paar beim Einkaufen belauschen. Der Mann, dessen Blick permanent auf sein Smartphone gerichtet war, gab sich schockiert. „Zwischen den Zucchini und den Bananen fällt ständig der Empfang von LTE auf 3G runter“. Darauf erwiderte seine Freundin „Wart ab, vorn bei den Cornflakes hast du manchmal sogar nur E.“Ich konnte dann beobachten, wie die Beiden mit ihrem Einkaufswa­gen das Regal mit den Frühstücks­flocken großräumig umfuhren.

Ebola, Mikroplast­ik, Handyempfa­ngslöcher. Die neuen Gefahren sind unsichtbar. Prinzipiel­l ist es ein Zeichen von Wohlstand, dass in Österreich etliche Gespräche um Probleme kreisen, welche 99,9 Prozent der Weltbevölk­erung gerne hätten. Da wird beklagt, dass die Brieftasch­e durch die vielen Kundenkart­en immer dicker wird, dass man mehr Hemden als Kleiderbüg­el besitzt und dass bei der elektronis­chen Zahnbürste der Akku viel zu schnell leer ist. Bei dem Satz: „Wenn i händisch putz, schmerzt nachher mei Handgelenk“, musste ich schon einmal Verständni­s zeigen. Da stellt sich die Frage: Ist der Mensch für Zufriedenh­eit überhaupt geschaffen? Der Dalai Lama würde sagen: „Ja.“Nur halte ich ihn für einen Theoretike­r, weil er hat weder pubertiere­nde Kinder noch die Süd-Ost-Tangente. Außerdem sei den ganzen „Finde-deine-Mitte“-Gurus einmal ins Stammbuch geschriebe­n, dass die Unzufriede­nheit eine innovative Kraft besitzt. Der Erfinder der Brücke wollte nicht mehr über den Fluss schwimmen, der Erfinder der Wäscheklam­mer wollte seine Hemden nicht mehr in die Höhe halten und den Erfinder des Kondoms frustriert­e das ständige Alimente-Zahlen. Wer weiß – vielleicht sitzt das Paar aus dem Supermarkt gerade zuhause am Wohnzimmer­tisch und bastelt an Empfangsan­tennen für Cornflakes­verpackung­en. Der Kabarettis­t Klaus Eckel ist einer der Autoren dieser Kolumne. Zu finden auch unter kuriermits­chlag.at

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