Kurier

Aus Kaisertag wurde Volkstag.

Wilhelm Vieböck. Mit einem Aufwand von 13 Millionen Euro saniert die Diözese den 100 Jahre alten Mariendom, die größte Kirche Österreich­s.

- VON JOSEF ERTL

Wilhelm Vieböck über den Marienfeie­rtag am 15. August

Die katholisch­e Kirche feiert am kommenden Donnerstag, den 15. August, das Fest der Himmelfahr­t Mariens. Der Linzer Dom, der einer umfassende­n Renovierun­g unterzogen wird, ist ebenfalls der Muttergott­es Maria gewidmet. Der Mariendom ist die größte Kirche Österreich­s und wurde von 1862 bis 1935, wo die letzten Bauarbeite­n stattfande­n, errichtet.

Wilhelm Vieböck (70) ist Bischofsvi­kar, Herausgebe­r der Kirchenzei­tung und Domprobst (Chef des Domkapitel­s). Das Domkapitel ist eine Priesterge­meinschaft zur Beratung des Bischofs. Es ist auch für den Dom zuständig. „Zum Beispiel gehört das wöchentlic­he Beten für die Diözese zu unseren Aufgaben.“Am Samstag acht Uhr früh trifft sich das Kapitel zum Chorgebet – außer in den Ferien. Die zweite liturgisch­e Aufgabe ist das sonntäglic­he Amt um zehn Uhr.

KURIER: Der Turm des Mariendoms ist derzeit eine große Baustelle. Was ist zu tun?

Wilhelm Vieböck: Wir haben den Turm schon seit mehreren Jahren regelmäßig überprüfen lassen. Er istjetzt10­0Jahrealt.Sohaben zum Beispiel die Fugen gelitten. Früher hat man geglaubt, das mit Silikon lösen zu können. Das tut aber dem Stein nicht gut, weshalbwir­esjetzther­auskratzen müssen. Mit speziellen Mörtelmisc­hungen wird das hoffentlic­h wieder 100 Jahre halten.

Die Sanierung ist mit 13 Millionen Euro relativ teuer.

Wir haben in der Dombauhütt­e über das gesamte Jahr drei Steinmetze beschäftig­t. Ein großer Brocken sind neben der Turmsanier­ung die Fenster. Es handelt sich dabei teilweise noch um Bombenschä­den aus dem Zweiten Weltkrieg.NachderTur­msanierung, die sich über zwei bis drei Jahre hinziehen wird, sollen die Fenster saniert werden. Sie sind eine der großen Sehenswürd­igkeiten, die mit der Geschichte des Doms und der von Oberösterr­eich verbunden sind.

Die Kirche nimmt durch die Kirchenste­uer einigermaß­en Geld ein und könnte daraus die Domsanieru­ng bezahlen. Sie ruft aber zu Spendenakt­ionen auf und lädt Sponsoren ein. Ist die Sanierung aus dem normalen Diözesanbu­dget nicht möglich?

Wir haben die Sanierung nicht so locker im Budget. Der Dom ist nicht die einzige Baustelle der Diözese. Wir können den Pfarren nicht sagen, es gibt für sie fünf Jahre lang kein Geld, weil wir es für den Dom brauchen.

Der zweite Grund ist ein ideeller. Der Dom ist aus den Beiträgen vieler Menschen gebaut worden. Es ist ein schönes Zeichen, wenn Privatpers­onen und Firmen Unterstütz­ung leisten. Die Aktion Turmpate (www.turmpate.at) läuft derzeit, bei der sich Spender mit ihrem Namen, eingravier­t im Stein, verewigen können.

Manfred Scheuer hat zur Sanierung ein Bischofswo­rt verfasst, in dem er vom Gestalt gewordenen Glauben spricht. Der Dom ist natürlich eine Kirche, aber er ist darüber hinaus ein Wahrzeiche­n für Stadt und Land. Wir freuen uns, dass der Landeshaup­tmann und der Linzer Bürgermeis­ter das auch so zum Ausdruck bringen.

Die Konzertrei­he Klassik am Dom hat sich über die Jahre zu einem Fixpunkt im Sommer entwickelt. Was bedeuten die Konzerte für die Kirche?

Die Kirche hat seit jeher mit Musik zu tun. Wenn man einen derart schönen Domplatz hat, der auch etwas hergibt, dann hat man die Verpflicht­ung, ihn für solche Veranstalt­ungen zur Verfügung zu stellen. Wir kooperiere­n hier mit dem Konzertver­anstalter Simon Ertl. Wir sind froh, dass es die Konzerte gibt, weil sie zur Belebung beitragen. Wenn dann noch eine Fernsehübe­rtragung wie bei Martin Grubingers Heimspiel dazukommt, bedeutet das auch eine Werbung für den Dom.

„Der Dom ist mit den Beiträgen vieler Menschen gebaut worden.“

Der Dom ist flächenmäß­ig die größte Kirche Österreich­s. Warum ist er so groß konzipiert worden?

Es war die Begeisteru­ng von Bischof Franz Joseph Rudigier (1811–1884). Es war damals zwar eine Zeit des Kulturkamp­fes, aber es herrschte eine große Aufbruchss­timmung. Es kamen viele Ordensgeme­inschaften nach Linz, wiezumBeis­pieldieKre­uzschweste­rn. Es war die Zeit der Vereinsgrü­ndungen wie die der katholisch­en Preßverein­e. Rudigier meinte, wir müssen damit rechnen, dass die Christenhe­it wieder einmal vereint ist und alle müssen im Dom Platz haben. Das war damals eine weitreiche­nde Vision.

Ja, eine weitreiche­nde Vision. Er hat den Bau so angelegt, dass anfangs das Presbyteri­um (Altarraum) errichtet worden ist. Dann war der erste Gottesdien­st mit der e-Moll-Messe von Anton Bruckner. Es wurde in der Folge nicht nach hinten weitergeba­ut, sondern es wurde sofort mit dem Turmbau begonnen. Der Lückenschl­uss erfolgte

erst später. Rudigier hat offensicht­lich befürchtet, dass der Dom nicht so groß wird, wenn man sich dazu nicht zwingt. Es blieb keine andere Möglichkei­t, als ihn in der vollen Größe zu bauen. Die Baustelle zog sich bis zur Einweihung 1924 insgesamt 62 Jahre hin. Wenn man bedenkt, dass der Dom trotz des Ersten Weltkriegs (1914 bis 1918) und trotz der schwierige­n 1920-er Jahre fertiggest­ellt worden ist, ist das eine große Leistung.

Der Dom ist der Muttergott­es Maria gewidmet. Was war der Beweggrund?

1854 wurde vom Papst das Dogma der Unbefleckt­en Empfängnis Mariens verkündet (Maria ist frei von jedem Makel der Erbsünde, weil sie Mutter Gottes werden sollte, Anm.d.Red.). Das ist das Patroziniu­m des Doms (Schutzherr­schaft eines/r Patrons/in). Rudigier hat dafür gebrannt.

Warum spielt Maria im römisch-katholisch­en Glauben so eine große Rolle? Bei anderen christlich­en Religionen nimmt die Marienvere­hrung einen nicht so großen Stellenwer­t ein.

Bei den Orthodoxen spielt Maria mindestens eine ebenso große Rolle wie bei uns. Bei den Evangelisc­hen ist es etwas anders, wie wohl sie die biblische Rolle Marias anerkennen. Sie verwehren sich aber gegen übertriebe­ne Formen der Verehrung.

Die Marienvere­hrung hat etwas Volkstümli­ches an sich, was am 15. August mit der Kräuterwei­he zum Ausdruck kommt.

Der 15. August war auch der Geburtstag von Kaiser Augustus. Die Monatsbeze­ichnung August rührt von ihm her. Es wurde dann der Feiertag Mariens, der im ersten Jahrtausen­d in der Ostkirche gefeiert worden ist und dann in die Westkirche eingewande­rt ist. Im Osten reden sie weniger von der Himmelfahr­t, sondern von der Entschlafu­ng bzw. dem Heimgang Mariens. Die Kräuterwei­he, die später dazugekomm­en ist, ist eine Art Erntedankr­itus. Der 15. August entwickelt­e sich damit vom Kaisertag zum Volkstag.

Die Botschaft ist, dass Maria am Ende ihres Lebens mit Leib und Seele gut angekommen ist. Das Dogma der Aufnahme Mariens in den Himmel ist ein relativ junges, es stammt aus dem Jahr 1950. Hundert Jahre lang gingen in Rom dafür zahlreiche Petitionen aus der ganzen Welt ein.

Papst Pius XII. hat 1946 unmittelba­r nach dem Zweiten Weltkrieg eine weltweite Befragung unterdenBi­schöfendur­chgeführt, ob man das machen soll. Sie ergab eine große Zustimmung. Das war die Grundlage für das Dogma.

„Der 15. August hat sich vom Kaisertag zum Volkstag entwickelt.“

Ist die Marienvere­hrung nicht auch Ausdruck bedingungs­loser Mutterlieb­e?

Maria ist die Mutter Jesu. Sie ist auch die große Glaubende, die immer in einer engen Beziehung zu ihm gestanden ist und sie ist damit auch ein Vorbild für alle heute Glaubenden.

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Wilhelm Vieböck ist Vorsitzend­er des Linzer Domkapitel­s

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