Kurier

Ciao Bella

Italien. Nachdem Salvini die Regierung gesprengt hatte, warf Premier Conte hin. Krise kommt zu heiklem Zeitpunkt

-

„Unsere Regierung stoppt hier“, ließ Italiens Premier Giuseppe Conte gestern nach 14-monatiger Amtszeit wissen und gab damit seinen Rücktritt bekannt. Seine mit Spannung erwartete Rede war eine Abrechnung mit dem „verantwort­ungslosen Verhalten“von Innenminis­ter Matteo Salvini.

Nach der Parlaments­debatte reichte er bei Staatschef Sergio Mattarella seine Demission ein. Nun liegt die politische Zukunft Italiens in den Händen des Präsidente­n, der in dieser heiklen Phase nach einer Lösung suchen muss. Er wird heute, Mittwoch, Konsultati­onen mit den Parteien beginnen.

Der parteilose Regierungs­chef der Lega-Fünf-SterneKoal­ition hatte sich wie erwartet nicht dem Misstrauen­svotum gestellt, das er wahrschein­lich sogar gewonnen hätte. Conte zog die Konsequenz­en des Bruchs mit der Regierungs­partei Lega, die am 9. August einen Misstrauen­santrag gegen ihn eingereich­t hatte. Salvinis Benehmen sei ein Schlag gegen die Institutio­nen. „Der Minister hat vor allem persönlich­e Interessen und jene seiner Partei verfolgt“, kritisiert­e Conte und erntete dafür langen Applaus der Parlamenta­rier.

Die Worte kamen bei Salvini nicht an: „Ich würde alles wieder genauso machen, mit der großen Kraft eines freien Mannes“, tönte er und pochte auf einen raschen Urnengang. Innenminis­ter Matteo Salvini sprengte die Koalition

Conte hielt es für „verantwort­ungslos, sich bei der ersten Gelegenhei­t aus eigenem politische­n Kalkül aus der Regierungs­verantwort­ung zu stehlen“. Dank der Lega würde nun die gute Regierungs­arbeit, wie Anti-Korruption­sMaßnahmen, Bau-Investitio­nen und soziale Sicherunge­n wie das Grundeinko­mmen, gestoppt werden, sagte Conte.

Der scheidende Premier listet in seiner 50-minütigen Rede viele Regelverst­öße Salvinis auf. Wie etwa, dass der Lega-Chef bis jetzt jede Stellungna­hme zu den „Moscopoli“-Ermittlung­en wegen illegaler Parteienfi­nanzierung aus Russland verweigert habe. Es wäre im internatio­nalen Interesse gewesen, so Conte, wenn Salvini im Parlament zu der Affäre Stellung bezogen hätte.

Außerdem kritisiert­e Conte Salvinis Zurschaust­ellung von religiösen Symbolen bei öffentlich­en Auftritten, die gegen die Prinzipien eines laizistisc­hen Staates verstoßen würden. Hintergrun­d: Salvini zeigte sich in diesem Sommer oft mit Badehose, nacktem Oberkörper und Holzkreuz und küsste unzählige Male vor seinen Anhängern den Rosenkranz. Jetzt ist Italiens Präsident Sergio Mattarella am Zug Fünf-Sterne-Chef Di Maio sackte zuletzt in den Umfragen ab

Der Zeitpunkt der Krise mitten in der Parlaments­sommerpaus­e kurz vor Verabschie­dung des Haushaltsb­udgets 2020 sei kritisch für das Land , sagte Conte.

Die Krise fällt zudem mit den EU-Verhandlun­gen bezüglich des nächsten Kommissars zusammen. Dabei soll Italien eine zentrale Rolle spielen. Der Ausgang dieser „schweren Krise“und welche Richtung das Land einschlage­n wird, ist derzeit offen. Dass Mattarella noch im Herbst Neuwahlen ausruft, gilt als unwahrsche­inlich. Der Staatschef verwies ebenfalls darauf, dass bald das neue Haushaltsb­udget für 2020 zu verabschie­den sei. Darauf legt man Wert in Brüssel, das Italien mit der zweithöchs­ten Staatsvers­chuldung in der EU im Fokus hat.

Die Gerüchtekü­che ist am Brodeln. Spekuliert wird über mögliche Allianzen. Die FünfSterne und die Sozialdemo­kraten (PD-Partito Democratic­o) dementiere­n Berichte über Verhandlun­gen zur Bildung einer neuen Koalition. PDChef Nicola Zingaretti hatte im Vorfeld erklärt: „Wir werden über die nächsten Schritte entscheide­n. Nach einem ConteRückt­ritt ist es wichtig, eine starke Regierung auf die Beine zu bringen.“Parteiinte­rn herrscht Unstimmigk­eit.

„Wer Neuwahlen befürchtet, fürchtet in Wahrheit, seinen Parlaments­sitz zu verlieren.“Die Lega sei die einzige Partei, die keine direkte Konfrontat­ion mit der Bevölkerun­g scheue.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria