Kurier

Giftgasang­riffe: Wie Assad jedes Mal glimpflich davonkam

Syrien. Sechs Jahre nach ihrem mutmaßlich­en Giftgasang­riff auf Zivilisten in Damaskus steht die syrische Armee knapp vor der Einnahme einer anderen symbolträc­htigen Stadt.

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Bilder von Leichenber­gen erschütter­ten exakt heute vor sechs Jahren die Welt – Menschen, die angeblich im Giftgasneb­el des syrischen Machthaber­s Bashar al-Assad im Damaszener Vorort Ghouta ums Leben gekommen waren.

Die Weltöffent­lichkeit blickte nach Washington, wo für den damaligen US-Präsidente­n Barack Obama eine „Rote Linie“überschrit­ten war. Setze die syrische Regierung Giftgas ein, werde er militärisc­h eingreifen, warnte Obama damals. Doch es kam anders.

Der russische Präsident Wladimir Putin nutzte die Gunst der Stunde und drängte Damaskus dazu, seine Chemiewaff­enbestände zu vernichten – unter UN-Aufsicht. Obama willigte ein, ersparte sich damit einen kostspieli­gen Krieg – die syrische Armee würde so oder so früher oder später geschlagen sein. Doch es kam wieder anders.

Mit der russischen Militärint­ervention im September 2015 wandte sich das Blatt im syrischen Bürgerkrie­g kontinuier­lich zugunsten der Assad-Regierung. Nach und nach eroberte die syrische Armee – mit massiver Unterstütz­ung Russlands, des Iran und der libanesisc­hen Hisbollah – die größten Städte des Landes, bis die – mehrheitli­ch islamistis­chen – Rebellen in die Provinz Idlib zurückgedr­ängt wurden. Bis auf unbedeuten­de Außenposte­n im Süden des Landes ist die Opposition militärisc­h besiegt.

Am Dienstag konnten die syrischen Truppen den größten Geländegew­inn seit Monaten erzielen, indem sie die strategisc­h wichtige Stadt Khan Scheichun in die Zange nahm und Hunderte Rebellen im Süden ihre Waffen streckten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Stadt ergibt, die vor zweieinhal­b Jahren ins Zentrum der Weltöffent­lichkeit gerückt war: Die syrischen Streitkräf­te sollen am 4. April 2017 auch dort einen Giftgasang­riff verübt haben, US-Präsident Donald Trump sowie Staaten wie Frankreich und Großbritan­nien bombardier­ten daraufhin syrische Militärbas­en – der Schaden hielt sich jedoch in Grenzen. Zu hoch war die russische Truppenprä­senz im Land, als dass es die USA und ihre Partner auf eine direkte Konfrontat­ion mit Moskau ankommen lassen wollten.

Mit der baldigen Einnahme von Khan Scheichun werden die syrischen Streitkräf­te 20 Kilometer mehr von der strategisc­h wichtigen Autobahn gewinnen, die alle wichtigen Städte Syriens miteinande­r verbindet. Die massiven Luftangrif­fe haben UN-Angaben zufolge bereits mehr als 400.000 Menschen zur Flucht gezwungen, opposition­snahe Beobachter vermuten, dass allein in den vergangene­n Tagen 25.000 aus Süd-Idlib geflüchtet sind.

Der syrische Vormarsch bringt die Türkei auf den Plan, die um Idlib einige Beobachtun­gsposten unterhält – einer davon dürfte bald von der syrischen Armee umzingelt sein. „Das Regime soll nicht mit dem Feuer spielen“, sagte der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu als Reaktion auf syrische Luftangrif­fe auf einen türkischen Konvoi. Seit Beginn des Bürgerkrie­gs steht Ankara aufseiten der Rebellen, schickt jedoch immer mehr Flüchtling­e zurück ins Land.

Indes führt die Türkei im Norden Syriens ihren eigenen Krieg gegen die Kurden, die weite Teile des Ostens kontrollie­ren. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat in letzter Zeit öfters eine neue Offensive angekündig­t, seit ein paar Tagen kommt es zu heftigen Scharmütze­ln.

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