Kurier

„Er hat alle Unmöglichk­eiten, aber wir sind ein gutes Team“

Reit-EM. Der Steirer Pepo Puch startet in Rotterdam in die Mission Titelverte­idigung in der Para-Dressur.

- VON

Angenehm, wenn man Freude, Sport und Gesundheit­sförderung verbinden kann und am Ende auch noch Medaillen dabei herausscha­uen. Im Falle des Steirers Pepo Puch freilich ist das Reiten mehr als nur Mittel zum Zweck: „Ich danke den Pferden, dass ich durch sie die Möglichkei­t habe, mich so zu bewegen, wie ich es kann.“

2008 ist der frühere Vielseitig­keitsreite­r, der zwölf Jahre lang für das kroatische Team startete, bei einem Bewerb im deutschen Schenefeld schwer gestürzt und brach sich dabei dritten und vierten Halswirbel, seither hat er eine inkomplett­e Querschnit­tlähmung. „Darunter spüre ich meinen Körper nicht“, sagt der 53-Jährige, „aber mit der erweiterte­n Hippothera­pie bekomme ich den Gehreflex hin, die Beine folgen meinem Oberkörper. Das läuft über die Emotionen und nicht über die normalen Nervenbahn­en.“

Jedoch erlebt er auch immer wieder Spastiken, „das ist wie ein Wadenkramp­f“, und das Pferd muss erst einmal verstehen, was das zu bedeuten hat. „Die Spastiken werden immer schlimmer“, weiß Puch. „Irgendwann werd’ ich mich nicht mehr bewegen können.“

Umso bemerkensw­erter, wie der zweifache Paralympic­ssieger in der Para-Dressur mit seinem Leben umgeht. Mit seiner Schweizer Frau und der gemeinsame­n Tochter, die ebenfalls reiten, lebt er in der Nähe von Zürich. „Das ist eine starke, nette Reiterfami­lie“, sagt der Rauchfangk­ehrermeist­er, der noch immer seinen Betrieb in seiner Heimat leitet. Jedoch: Seine Arbeit als gerichtlic­h beeideter Sachverstä­ndiger kann er seit seinem Unfall nicht mehr machen. „Ich bin nur noch der Bürohengst, aber diese Arbeit kann ich eigentlich von überall aus erledigen.“

Bei der letzten EM in Göteborg holte er Gold auf Fontaineno­ir, den Puch liebevoll den „Neymar des Pferdespor­ts“nennt, „er ist ein wahnsinnig­es Sensiberl, er legt sich immer wieder hin und sagt aua, aua“.

Seit vergangene­m Jahr macht Puch nun mit Sailor’s Blue gemeinsame Sache, und dieser Elfjährige – wie Fontaineno­ir ein Hannoveran­er Rappwallac­h – ist das genaue Gegenteil. „Er beißt, er schlägt, er hat alle Unmöglichk­eiten, die man sich vorstellen kann. Und auch für die Zucht war er nicht wirklich zu gebrauchen. Aber zusammen sind wir ein gutes Team.“Und das auch auf Reisen: „Er ist gern unterwegs, das sehe ich auch dank der Kamera, die wir im Lastwagen montiert haben.“

In Rotterdam geht es für das Duo nicht nur um Medaillen, sondern auch um die Qualifikat­ion für die Paralympic­s im kommenden Sommer. Und natürlich geht es Teamplayer Puch darum, im kommenden Jahr in Tokio auch ein österreich­isches Team am Start zu haben.

Dieses umfasst neben dem sechsfache­n Europameis­ter Julia Sciancalep­ore, Bernd Brugger und Michaela Kuntner, derzeit liegen sie in der Qualifikat­ion an vierter Stelle. „Es ist kaum möglich, dass uns noch so viele Teams überholen, dass wir es nicht schaffen.“

Am Mittwoch wird es für Pepo Puch und Sailor’s Blue um 9 Uhr ernst, am Freitag folgt der Teambewerb, am Sonntag folgt noch die Kür. Und geritten wird – natürlich – zu George Gershwins „Rhapsody in Blue“. Irgendwie auch logisch, denn „er ist schon ein bissl musikalisc­h“, sagt Mensch über das Tier. Klar ist jedenfalls: „Wir müssen alles riskieren. Mit dem Niveau von London 2012 wäre ich 2016 in Rio nicht in die Top fünf gekommen, und heuer ist es noch höher.“

 ??  ?? Erfolgstyp: 2016 holte Pepo Puch mit Fontaineno­ir Paralympic­s-Gold (Bild links), 2018 Silber bei den Weltreiter­spielen mit Sailor’s Blue
Erfolgstyp: 2016 holte Pepo Puch mit Fontaineno­ir Paralympic­s-Gold (Bild links), 2018 Silber bei den Weltreiter­spielen mit Sailor’s Blue

Newspapers in German

Newspapers from Austria