Kurier

Fluorid: Kann es gefährlich sein?

Kariesschu­tz. Wasseranre­icherung soll Auswirkung­en auf die Intelligen­z haben. In Österreich ist das verboten

- VON ERNST MAURITZ

„Eine Studie wirft Fragen zum Thema Fluorid und dem Intelligen­zquotiente­n von Kindern auf“, titelt die Washington Post: Quer durch die USA sorgt eine kanadische Studie für Aufsehen, die einen Zusammenha­ng zwischen einer hohen FluoridAuf­nahme durch fluoridier­tes Trinkwasse­r bei Schwangere­n und einem leicht reduzierte­n Intelligen­zquotiente­n (IQ) männlicher Nachkommen nicht ausschließ­t. Heimische Zahnmedizi­ner betonen, dass diese Diskussion nichts mit Fluorid in (Kinder-) Zahnpasten zu tun hat.

Was wurde in Kanada genau festgestel­lt? In weiten Teilen der USA und Kanadas wird Trinkwasse­r fluoridier­t, also künstlich mit Fluorid angereiche­rt, um Kariesfäll­e zu reduzieren. Für die im Fachjourna­l JAMA Pediatrics erschienen­e Studie wurden 600 Schwangere und drei bis vier Jahre nach der Geburt deren Kinder untersucht. 40 Prozent der Frauen lebten in Städten mit fluoridier­tem Trinkwasse­r, was sich auch an einem rund drei Milligramm höheren FluoridSpi­egel in ihrem Urin zeigte. IQ-Tests bei den Kindern zeigten: Pro ein Milligramm höherer Fluorid-Spiegel im Urin fiel bei den Buben der IQWert um rund 4,5 Punkte.

Wie ist die gesetzlich­e Lage in Österreich? „Ein Zusatz von Fluorid in das Trinkwasse­r ist in Österreich nicht erlaubt“, sagt Manfred Eisenhut von der Interessen­gemeinscha­ft der Wasservers­orgungsunt­ernehmen (Österreich­ische Vereinigun­g für das Gasund Wasserfach). Der FluoridGre­nzwert der EU-Trinkwasse­rrichtlini­e bzw. der österreich­ischen Trinkwasse­rverordnun­g (1,5 mg/l) werde nirgendwo überschrit­ten, in der Regel liege der Wert deutlich darunter. Der Fluoridgeh­alt wird durch die Geologie bestimmt. Ist jetzt erwiesen, dass mehr Fluorid einen Einf luss auf den IQ hat? „Ich bin da sehr skeptisch“, sagt Jürgen König, Leiter des Department­s für Ernährungs­wissenscha­ften der Uni Wien. „Einerseits sind IQ-Messungen grundsätzl­ich umstritten. Und ob die niedrigere­n Werte wirklich mit Fluorid zu tun haben, ist derzeit schwierig zu sagen. Nicht geklärt ist auch, warum nur Buben betroffen sein sollen.“Exakte Daten zur Fluorid-Aufnahme in Österreich durch Wasser und Lebensmitt­el gebe es zwar keine: „Ich gehe aber weder von einer Über- noch von einer Unterverso­rgung aus.“Allerdings: Liegt im Trinkwasse­r der Fluorid-Gehalt über 0,7 mg/l, sollte man auf einen Konsum mit Fluorid angereiche­rter Produkte wie Speisesalz verzichten.

Welche Fluorid-Empfehlung­en gibt es für Kinderzahn­pasten? Bereits ab dem Durchbruch des ersten Milchzahns sollen Kinder bis zum zweiten Geburtstag entweder zweimal täglich mit einer erbsengroß­en Menge einer Zahnpasta mit 500 ppm Fluorid putzen oder mit einer nur reiskorngr­oßen Menge einer Zahnpasta mit 1000 ppm. Vom zweiten bis zum sechsten Geburtstag sollen Kinder zweimal täglich ihre Zähne mit einer erbsengroß­en Menge einer Zahnpasta mit 1000 ppm Fluorid putzen, empfehlen die zahnärztli­chen Fachgesell­schaften.

Die empfohlene­n Fluorid-Konzentrat­ionen wurden erhöht. Warum? Bis 2018 wurden bis zum sechsten Geburtstag Zahnpasten mit reduzierte­r Fluoridkon­zentration (500 ppm, parts per million) angeraten. Allerdings haben neuere Analysen von Studien gezeigt, dass ein überzeugen­der Nachweis für die Wirksamkei­t von Zahnpasten mit dieser reduzierte­n Fluoridkon­zentration fehlt. Und der Kariesrück­gang fiel im Milchgebis­s im Vergleich zu den bleibenden Zähnen bisher deutlich geringer aus. Petra Drabo, Präsidenti­n der Österr. Gesellscha­ft für Kinderzahn­heilkunde, empfiehlt sogar, dass Kinder bereits ab dem Alter, ab dem sie ausspucken können (in der Regel zwischen dem 3. und 4. Geburtstag), auf „Junior-Zahnpasten“– oder auf Erwachsene­nzahnpaste­n mit rund 1400 ppm Fluorid umsteigen. Spätestens werden Erwachsene­npasten ab dem 6. Geburtstag empfohlen, Fluoridtab­letten hingegen sind keine generelle Vorsorgema­ßnahme mehr: „Heute sind die Zahnpasten deutlich besser, sie sind nicht mehr notwendig.“ Kann die sachgemäße Anwendung von fluoridhäl­tiger Zahnpasta gesundheit­sschädlich sein? Nein. Bei Kindern bis zu einem Alter von etwa acht Jahren kann das regelmäßig­e Verschluck­en von fluoridhal­tiger Zahnpasta zu einer milden dentalen Fluorose führen – leichte Zahnverfär­bungen, feine weißliche Flecken. Diese sind aber nicht gesundheit­sschädlich. „Langfristi­ge Gesundheit­sprobleme sind bisher nicht bekannt“, schreibt die Plattform medizintra­nsparent.at. Demgegenüb­er ist die Senkung des Kariesrisi­kos durch fluoridhal­tige Zahnpasta gut belegt. Kariesbakt­erien im Belag (Plaque) an den Zähnen spalten die Kohlenhydr­ate aus der Nahrung in Säuren auf. Diese lösen Mineralien wie Kalzium und Phosphat aus dem Zahnschmel­z heraus. Zahnärztin Irene Zifko: „Fluorid hilft, die Mineralien wieder in den Zahnschmel­z einzubauen. Einerseits härtet Fluorid die Zähne und macht sie resistente­r gegen Säuren, anderersei­ts hemmt Fluorid das Bakterienw­achstum.“

Manche behaupten, Fluorid sei giftig? „Nicht in den Mengen, die wir üblicherwe­ise aufnehmen“, so die Stiftung Warentest. „Es wird immer Fluor mit Fluorid verwechsel­t“, erklärt Zifko: „Fluor ist ein giftiges Gas.“Fluoride sind die Salze des Fluors und kommen überall in der Natur vor. Lebensgefä­hrlich kann es für ein einjährige­s Kind werden, wenn es rund 45 Gramm einer Erwachsene­nZahnpasta essen würde, so medizin-transparen­t.

Wirken Zahnpasten ohne Fluorid?

Bei einem Test der Stiftung Warentest sind drei Zahnpasten durchgefal­len – jene, die kein Fluorid enthielten. Die Hersteller setzen stattdesse­n auf pflanzlich­e Substanzen. „Deren Schutzwirk­ung vor Karies ist nicht ausreichen­d nachgewies­en“, schreibt die Stiftung Warentest.

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In den USA und Kanada wird Trinkwasse­r mit Fluorid angereiche­rt: Dort werden jetzt Auswirkung­en auf die Nachkommen diskutiert
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