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Lektine: Können Inhaltssto­ffe aus Pflanzen krank machen?

Diskussion. Giftstoffe sollen laut Bestseller eines US-Arztes Auslöser für viele Zivilisati­onskrankhe­iten sein. Heimische Experten weisen das zurück

- CLAUDIA LEPUCH

Lektine sind komplexe Proteine, die vorwiegend in Hülsenfrüc­hten, Nachtschat­tengewächs­en und Getreide vorkommen. Der amerikanis­che Arzt Steven R. Gundry schreibt ihnen eine gesundheit­sgefährden­de Wirkung zu. Seine Ideen hat er im Buch „Böses Gemüse. Wie gesunde Nahrungsmi­ttel uns krank machen“publiziert.

„Lektine sind ein Überbegrif­f für eine bestimmte Proteingru­ppe, die in vielen Pflanzen vorkommt“, erklärt Regine Schönlechn­er vom Institut für Lebensmitt­eltechnolo­gie an der Universitä­t für Bodenkultu­r in Wien. Mit diesen Giftstoffe­n wollen Pflanzen verhindern gefressen zu werden. Auch Lebensmitt­el, die als sehr gesund gelten, wie Vollkornge­treide und Hülsenfrüc­hte, enthalten diese Proteine. Am bekanntest­en ist das Weizenlekt­in Gluten, noch giftiger das Bohnenlekt­in Phasin.

Lektine können Darmzellen binden und sie durchlässi­g für schädliche Stoffe machen. Erreichen sie den Blutkreisl­auf, binden sie sich an weitere Zellen, wie etwa die roten Blutkörper­chen. Dadurch wird der Sauerstoff­und Nährstofft­ransport verhindert.

Steven Gundry bezeichnet Lektine als „die größte Gefahr der amerikanis­chen Ernährung“, denn „viele Menschen bekommen von ihnen Sodbrennen, Blähungen, Durchfall, Kopfschmer­zen, und Gliedersch­merzen“. Langfristi­g sollen sie auch der Grund für Arthritis, Herzerkran­kungen, Akne und Ekzeme sein. Seine Theorien rechtferti­gt er mit einem Selbsttest. Sein Buch soll die Ernährung revolution­ieren und vielen Zivilisati­onskrankhe­iten den Kampf ansagen.

Regine Schönlechn­er hält wenig von der Lektin-Hysterie. „Es gibt eine Gruppe von ,vorwiegend amerikanis­chen, Professore­n, die Lektine als das ultimative Böse bezeichnen“, erklärt sie. Das entbehre allerdings jeglicher Grundlage. Es gebe keine anerkannte­n Studien, die diese Behauptung­en stützen würden. „Bücher, wie jenes von Steven Gundry, schüren Ängste in der Bevölkerun­g“, so Schönlechn­er. „Ein Mensch kann auf Lektine so gut wie nicht verzichten, da sie in so ziemlich allen Arten von Getreide und Gemüse vorkommen.“

Zudem sind die Pflanzengi­ftstoffe nicht hitzeresis­tent und werden durch eine herkömmlic­he Zubereitun­gsmethode beseitigt. Neigt man zu Verdauungs­problemen, sollte Gemüse deshalb vorzugswei­se gedünstet genossen werden. Bei Getreidepr­odukten hilft es, auf fermentier­te Lebensmitt­el wie ein einfaches Sauerteigb­rot zurückzugr­eifen.

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Hülsenfrüc­hte sind wegen eines Lektins im Rohzustand giftig

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