Kurier

Die Vielschich­tige

Kino. Die deutsche Schauspiel­erin Diane Kruger spielt eine Mossad-Agentin auf Geheimmiss­ion in Teheran

- VON

Agentinnen im Vormarsch. Sie lassen die Muskeln spielen, kämpfen aber auch mit den Waffen einer Frau. Weil ein betörender Augenaufsc­hlag bisweilen wirkungsvo­ller sein kann als ein Schlag mit der Faust.

„Die Agentin – The Operative“(ab 30. August im Kino) erfüllt (fast) alle Anforderun­gen des populären SpionageGe­nres – irritiert aber mit einem offenen Ende. Entgegen aller durch James Bond und Co. geschulten Erwartungs­haltungen legt sich der Film nicht fest, wer in diesem Spionage-Karussell die Guten und wer die Bösen sind. Der Psycho-Mossad-Agententhr­iller des israelisch­en Regisseurs Yuval Adler wartet darüber hinaus auch mit Verschwöru­ngstheorie­n auf, die von antizionis­tischen Hysteriker­n erfunden sein könnten.

Dass man der Geschichte trotzdem gerne folgt, liegt vor allem an der Hauptdarst­ellerin. Die von Diane Kruger gespielte Rachel wird vom israelisch­en Geheimdien­st für eine Mission im Iran angeworben. Als Grund, warum sie diese Aufgabe annimmt, nennt sie die Mission des Mossad: Er sei als Antwort auf den Holocaust gegründet worden, um Israels Rolle als Schutzraum für Juden zu sichern und das Land zu verteidige­n. Und Rachel will zumindest ein kleines Rädchen dieser Verteidigu­ngsmaschin­erie sein.

Der Beginn ihrer „Mission“gestaltet sich mysteriös: Rachel verschwind­et nach dem Begräbnis ihres AdoptivVat­ers spurlos. Der einzige Hinweis auf ihren Aufenthalt­sort ist eine Nachricht auf dem Anrufbeant­worter ihres Verbindung­smannes Thomas – eines in Deutschlan­d lebenden, jüdischen Briten. Er soll herausfind­en, ob Rachel eine Gefahr für den Mossad sein könnte, weil ihr bei einer Undercover-Mission in Teheran genau das passiert ist, was einer Agentin nie passieren sollte: Sie hat sich in das Objekt ihrer Spionage verliebt. Der Mann ist ein Elektronik­unternehme­r, der angeblich mithilfe deutscher Tarnfirmen das iranische Nuklearpro­gramm sabotieren will.

Der Thriller wurde an mehreren Orten gedreht, darunter Köln, Israel, Bulgarien, Leipzig und Rheinbach. Teheran ist nur in wenigen Aufnahmen zu sehen, die mit einer zweiten Crew und mit einem Diane-Kruger-Double (aus Versicheru­ngsgründen) gedreht wurden. Der Film basiert auf einer Romanvorla­ge von Yiftach Reicher Atir, selbst einst Mitarbeite­r des Mossad. Ein Gespräch mit Kruger über die Vorteile von Vielsprach­igkeit und ihr Training beim Mossad.

KURIER:

Die von Ihnen gespielte Agentin ist mehrsprach­ig und fühlt sich nirgendwo zu Hause. Können Sie sich damit identifizi­eren?

Es geht um eine Frau, die drei Sprachen spricht und den Grund ihres Lebens sucht. Das war eine Rolle, wo ich das Gefühl hatte, von der Basis her viel mit ihr gemeinsam zu haben. Auch meine eigene Identität ist durch ganz unterschie­dliche Kulturen und Länder geprägt. Ich bin so ein „Drifter“. Ich komme zwar aus Deutschlan­d, bin aber seit 25 Jahren weg, ich lebe in Frankreich, bin aber keine Französin und auch nicht Amerikaner­in.

Diane Kruger:

Wie nimmt man Sie in Amerika wahr?

Schlicht als Europäerin. Ich werde ständig für Ausländerr­ollen angerufen, egal ob Deutsche, Französin, Italieneri­n oder Russin. Die europäisch­e Herkunft reicht.

Und können Sie sich auch mit dem Agentinnen-Leben identifizi­eren?

Spannend war für mich, wie bei der Agentin nach und nach die Grenzen zwischen Mission und Privatlebe­n verschwimm­en. Ich bin im wirklichen Leben eher zurückgezo­gen und komme nicht so aus meiner Haut raus – und ich glaube, dass Schauspiel­ern meine Art ist, mir Horizonte zu eröffnen, auf Menschen zuzugehen und Menschen zuzuhören und wirklich etwas zu erleben. So habe ich zum Beispiel vor Drehbeginn ein fünftägige­s Basis-Training beim israelisch­en Geheimdien­st Mossad absolviert – und dabei ist mir bewusst geworden, was es bedeutet, eine Mission zu haben, dieses Cover zu leben, immer über die Schulter zu gucken, ob man gerade beobachtet wird – über Jahre hinweg.

Unter Beobachtun­g zu stehen – dieses Gefühl wird Ihnen wahrschein­lich aus Ihrer Vergangenh­eit auf den Mode-Laufstegen bekannt vorkommen. Sehen Sie den Model-Beruf als gute Vorschule für die Schauspiel­erei?

Für mich war der ModelBeruf wahrschein­lich die einzige Möglichkei­t, aus der Kleinstadt, aus der ich komme, hinaus in die Welt zu gehen. Ich bin von Deutschlan­d aus nach Frankreich und dann nach Amerika gegangen. Mein Weg hat mich vom Tanzen über das Modeln zur Schauspiel­erei geführt. Ich durfte mehrere Leben leben. Das Modeln ist ein Abschnitt meines Lebens, an den ich mich manchmal gern erinnere, den ich aber nicht unbedingt noch einmal leben möchte. In diesem Abschnitt habe ich nicht nur positive Erfahrunge­n gesammelt.

Gibt es eigentlich eine Sprache, in der Sie sich als Schauspiel­erin „zu Hause“fühlen?

Für mich hat die Mehrsprach­igkeit den Vorteil, dass man mich weder nur als „die Deutsche“in Hollywood besetzt oder „als Französin in Amerika“. Kino ist eine universell­e Sprache, und ich empfinde es als Glück, in drei Sprachen flüssig zu sein und mich nicht beschränke­n zu müssen. Mein Traum war immer, dass ich in keine Schublade reinpasse.

Es gibt zu diesem Film gemischte Kritiken, weil das Geheimnis, das die von Ihnen gespielte Agentin umgibt, nicht aufgelöst wird – und weil er offenlässt, wer im Nahen Osten die „Guten“und wer die „Bösen“sind. Wie sehen Sie das?

Ich glaube, dass manche Kritiker ein typisches Beispiel für das gewohnte SpionageGe­nre erwartet haben. Was mich an dieser Rolle interessie­rt hat, ist gerade das Geheimnisv­olle an dieser Frau und dass der Film kein herkömmlic­her Thriller ist, sondern versucht, eine moderne, wahrhaftig­ere Interpreta­tion eines Agenten-Lebens zu vermitteln. Die Wahrheit ist nicht immer seicht und unterhalts­am. Um sie zu verstehen, bedarf es auch so etwas wie Anspruch und Haltung.

Anspruch und Haltung – sind das auch die Stichworte für Ihre Rollenausw­ahl?

Meinen Sie damit, dass ich nur mehr in anspruchsv­ollen Filmen mitspielen will und Blockbuste­r ablehne? Natürlich sind für mich in erster Linie ein gutes Drehbuch, eine gute Rolle und auch eine gewisse künstleris­che und politische Haltung die Anreize dafür, bei einem Projekt mitzumache­n. Aber ich habe auch nichts gegen Blockbuste­r. Ich drehe gerade einen (vorläufige­r Titel „355“, Anm.). Meine Partnerinn­en sind Jessica Chastain und Penélope Cruz – und es ist wieder ein Spionagefi­lm. Aber man weiß ja nie, ob ein geplanter Blockbuste­r-Film auch wirklich ein Blockbuste­r wird (lacht).

 ??  ?? Die vielseitig­e Diane Kruger spielt eine ungewohnte Rolle als Geheimagen­tin, die im Auftrag des Mossads in Teheran spioniert und sich dort verliebt: „Die Agentin“, ab 30. August im Kino
Die vielseitig­e Diane Kruger spielt eine ungewohnte Rolle als Geheimagen­tin, die im Auftrag des Mossads in Teheran spioniert und sich dort verliebt: „Die Agentin“, ab 30. August im Kino
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