Kurier

Nur das höchste Amt blieb ihm verwehrt

Er gilt als Retter des ÖGB: Ex-Sozialmini­ster Rudolf Hundstorfe­r, 67, ist tot

- VON MICHAEL BACHNER

Die Bawag war jahrzehnte­lang die legendäre Streik-Kassa des Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbundes. Nach dem Debakel der Bank strauchelt­e auch der ÖGB. Doch Rudolf Hundstorfe­r übernahm von Fritz Verzetnits­ch das Ruder und konnte sich ab 2006 mit einem harten Sanierungs­kurs als ÖGB-Retter profiliere­n.

Was dann folgte, hätte auf der Karrierele­iter ganz nach oben führen können: Hundstorfe­r wurde 2008 Sozialund Arbeitsmin­ister in der rot-schwarzen Regierung von Werner Faymann und war jahrelang der beliebtest­e rote Minister.

Ewige Personalre­serve

Auch in Zeiten der Finanzund Wirtschaft­skrise konnte er mit Konsensber­eitschaft und seinen besten Kontakten in die schwarze Reichshälf­te allzu heftige Auswirkung­en auf dem heimischen Arbeitsmar­kt oder für das Pensionssy­stem abwenden.

Der Gewerkscha­fter hätte Wiener Bürgermeis­ter werden können, Hundstorfe­r hätte auch SPÖ-Chef und vielleicht sogar Bundeskanz­ler werden können – doch es kam anders.

Als Faymanns Stern längst im Sinken war, wurde Hundstorfe­r im Jänner 2016 als SPÖ-Präsidents­chaftskand­idat präsentier­t. Er trat an, obwohl ihm nicht wenige Freunde abgeraten hatten.

Der allseits beliebte Sozialdemo­krat konnte im HofburgWah­lkampf nicht punkten, wirkte mürrisch bis grantig und bekam obendrein – wie ÖVP-Kandidat Andreas Khol – die Rechnung für eine immer unbeliebte­re Bundesregi­erung serviert. Mit nur elf Prozent kam Hundstorfe­r nicht in die Stichwahl und zog sich aus der Politik zurück.

Engagiert blieb das Gewerkscha­ftsund SPÖ-Urgestein. Er war zwar nicht Bundespräs­ident geworden, was ihn sehr schmerzte, doch es war nie falsch, den umgänglich­en „Rudi“mit „Herr Präsident“zu begrüßen. Er war nicht nur ÖGB-Präsident beziehungs­weise langjährig­er Präsident des Wiener Handball Verbandes gewesen, sondern nach seiner aktiven Politiker-Zeit Präsident der Bundes-Sportorgan­isation (BSO), und seit dem Vorjahr auch Präsident der Volkshilfe Wien, bei der er am vergangene­n Dienstag seinen letzten öffentlich­en Auftritt hatte.

Danach ging es in den gewohnten Urlaub nach Kroatien, wo er auf der Ferieninse­l Brač am Dienstag völlig überrasche­nd verstorben ist. An einem Herzinfark­t. Anzeichen dafür gab es keine, sagen Freunde – bis auf die viel zu vielen Zigaretten vielleicht, die er zeit seines Lebens mit Hochgenuss rauchte.

Hundstorfe­r hinterläss­t eine Frau, eine Tochter, zwei Stiefkinde­r und seinen Ivo. Den Hund hatte er auch vergangene Woche bei der Eröffnung der Volkshilfe-Einrichtun­g für Obdachlose in WienDonaus­tadt dabei.

Von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen abwärts rühmen Österreich­s Spitzenpol­itiker Hundstorfe­r über die Parteigren­zen hinweg als einen Sozialpart­ner der alten Schule und Minister, der sich in seiner siebenjähr­igen Amtszeit große Verdienste in der Sozialpoli­tik erworben hat. Vom Pensionsko­nto über die Mindestsic­herung, vom Pflegefond­s bis zur Sicherung der Pensionen. „Der Rudi hat sich immer eineg’haut für die Menschen. Das war seine DNA“, sagt ein Weggefährt­e.

Klares Menschenbi­ld

Der 1951 in relativ ärmlichen Verhältnis­sen in Wien geborene und aufgewachs­ene Hundstorfe­r erlernte den Beruf des Bürokaufma­nns. Er stieg vom Kanzleimit­arbeiter im Rathaus bis zum Chef der Gemeindebe­diensteten-Gewerkscha­ft auf, ohne die in Wien bis heute nur sehr wenig geht. Aber auch die späteren noch höheren Positionen und Funktionen änderten nichts an seinem Politikver­ständnis und Menschenbi­ld. Als Volkshilfe-WienPräsid­ent wollte er vor allem eines: „Hinsehen, wo andere wegsehen – helfen, wo sich andere taub stellen.“

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 ??  ?? Rudolf Hundstorfe­r (1951–2019): der 1. Mai auf dem Rathauspla­tz, die Bawag-Krise und mit Frau Karin Risser
Rudolf Hundstorfe­r (1951–2019): der 1. Mai auf dem Rathauspla­tz, die Bawag-Krise und mit Frau Karin Risser
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