Kurier

Trump mit den Taliban dealt

Afghanista­n. USA verhandelt mit den Extremiste­n. Einigung scheint schwierig, könnte gar Krieg befeuern

- VON STEFAN SCHOCHER

Die Formel klingt einfach: US-Truppen raus aus Afghanista­n, die Taliban beenden ihren Aufstand, Unterschri­ft, Friede bis ans Ende aller Tage. Bei US-Präsident Donald Trump klingt das so, als stünde der Abschluss eines solchen Deals unmittelba­r bevor. Freilich, so der US-Präsident, wolle man nicht, dass Afghanista­n ein Labor für Terrorismu­s werde. Man werde in gewissem Umfang schon bleiben, schließlic­h sei Afghanista­n ja ein „gewisses Nest“.

Die USA und die Taliban sprechen seit geraumer Zeit miteinande­r. Acht Gesprächsr­unden hat es in der katarische­n Hauptstadt Doha, wo die Taliban ein Büro unterhalte­n, bereits gegeben. Im Juli saß sogar die afghanisch­e Regierung mit am Tisch: Eine Regierung, die für die Taliban illegitim ist, und zu der man sich jeden Kontakt verbat.

Nach den Worten des USKunduz Kabul AFGHANISTA­N Unterhändl­ers Zalmay Khalilzad steht man in den Gesprächen nun knapp vor einer Einigung. Und dann hätte Trump an der Heimatfron­t knapp vor den Wahlen 2020 das, was er braucht: Einen Deal, der es den USA ermöglicht, Truppen nach Hause zu holen. Sein Amtsvorgän­ger Barack Obama hatte das bereits versproche­n – und nicht geschafft. Aber auch Trumps Anlauf werden geringe Erfolgsaus­sichten eingeräumt.

Gegenwärti­g haben die USA 15.000 Mann in Afghanista­n. Laut US-Medien ist von einer Reduktion um rund die Hälfte als erster Schritt die Rede. Im Gegenzug hätten die Taliban zugesagt, Verbindung­en zu internatio­nalen Terrororga­nisationen zu kappen. Was ausstünde, seien noch „technische Details“sowie „Schritte und Mechanisme­n“zur Umsetzung, so Khalilzad. In weiterer Folge sollen sich Kabul und Taliban auf eine Machtteilu­ng einigen, bevor die letzten GIs abziehen.

Machtlose Regierung Und hier fangen sie an, Kalamitäte­n: Nach wie die vor lautet die Losung der Taliban, man würde erst nach einem kompletten US-Abzug Gespräche mit Kabul aufnehmen. Aufseiten Kabuls wiederum stellt sich die Frage: Wer spricht für die Regierung?

Denn die ist nach den desaströse­n Wahlen 2014 zwischen Präsident Ashraf Ghani und Regierungs­chef Abdullah Abdullah gespalten. Dem nicht genug, funkt Ex-Präsident Hamid Karzai dazwischen. Zuletzt bezeichnet­e er die im Herbst bevorstehe­nden Präsidente­nwahlen wie den Friedenspr­ozess als fremdgeste­uert und illegitim. Abkommen Kabuls mit den Taliban laufen immer Gefahr, in den Sog interner Machtkämpf­e zu geraten und damit irrelevant und unverbindl­ich zu werden.

Islamistis­ches System Welche Druckwelle die mögliche Einigung erzeugt, zeigt schon der Umstand, dass in Kabul erneut über eine Verschiebu­ng der Wahl nachgedach­t wird. Auch aussichtsr­eiche Kandidaten haben ihre Kandidatur zurückgezo­gen oder den Wahlkampf eingestell­t. Denn befürchtet wird, dass das von den USA verhandelt­e Ende ihres Krieges nur eines befeuert: den Krieg.

Was sich aufdrängt, ist die Frage: Was gibt es zu verhandeln? Die Forderung der Islamisten ist aufrecht: Ein durch und durch islamische­s System. Derzeit hat Afghanista­n eine im regionalen Vergleich aber liberale Verfassung. Bürgerrech­te oder Frauenrech­te drohen zur Verhandlun­gsmasse zu werden, ist die Befürchtun­g liberal gesinnter Afghanen.

Denn die Kabul-Regierung hat ohne das militärisc­he Rückgrat der USA in keiner Weise die Position, Forderunge­n aufzustell­en. Eher im Gegenteil: Die Regierung ist schwer in der Defensive. Die Taliban kontrollie­ren weite Teile des Landes. Täglich sterben rund 50 afghanisch­e Sicherheit­skräfte bei Kämpfen. Dass die Taliban überhaupt verhandeln, ist viel eher Resultat innerer Konflikte als echten Friedenswi­llens.

In den Rängen der Taliban sind durchaus auch Pragmatike­r am Werk, deren Verbindung zu den Taliban eher auf Stammesall­ianzen als auf Ideologie fußt. Wie ein junger Kabuler sagt: „Wieso sollten diese Leute Waffen kaufen und Söldner bezahlen, wenn sie Sicherheit auch so haben können und das Geld in den Ausbau ihrer Heroin-Labors investiere­n können?“

Eine immer wieder aufgebrach­te Idee in diesem Zusammenha­ng ist, dass den Clanführer­n in den eigenen Gebieten weitgehend freie Hand gelassen wird – quasi eine Selbstverw­altung nach Vorbild der FATA, der föderal administri­erten Stammesgeb­iete in Pakistan an der Grenze zu Afghanista­n. Bemerkung am Rande: Für Islamabad sind die FATA ein massives Sicherheit­srisiko, gelten diese doch als sicherer Hafen für Extremiste­n.

Ein Risiko besteht also vor allem darin, dass sich Teile der Taliban der Terrormili­z „Islamische­r Staat“anschließe­n, die bisher eher vergeblich versucht hat, sich in der Region auszubreit­en.

Wirtschaft­sfaktor Krieg Und dann ist da noch ein Faktor: Der Krieg ist angesichts der desaströse­n wirtschaft­lichen Lage schlicht zu einem Wirtschaft­sfaktor geworden. An Personal mangelt es nicht: Die Wirtschaft­skrise im Iran schwappt massenweis­e Auslandsaf­ghanen zurück auf den afghanisch­en Arbeitsmar­kt. Warlords, Extremiste­n, Terrorgrup­pen haben Geld und können Personal gebrauchen.

Das bei offensicht­licher Schwäche der afghanisch­en Armee. Luftwaffe gibt es praktisch keine – diese Aufgabe haben bis zuletzt in geringem Umfang die USA oder andere Staaten übernommen.

Und apropos andere Staaten: Um deren Abzug ging es in den US-Gesprächen mit den Taliban nicht.

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