Kurier

Dauerbaust­elle: Warum es Lkw trotzdem auf den Brenner zieht

Tirol. Niedrige Maut und Billig-Diesel: Dafür schicken Frächter ihre Laster gerne auf den Umweg durch Tirol

- VON CHRISTIAN WILLIM

Die Brenneraut­obahn ist eine Dauerbaust­elle. An irgendeine­m Stück der 35 Kilometer langen A13 durch das Tiroler Wipptal muss die Asfinag immer herumflick­en. Im heurigen Sommer wird der Belag auf dem Herzstück – der Europabrüc­ke – saniert. Das sorgt zwar regelmäßig für Staus. Dem Lkw-Verkehr tut es aber keinen Abbruch.

Über 2,5 Millionen Lastwagen dürften heuer auf der Strecke über den Brenner rollen – Rekord. Trotz all der Maßnahmen der Tiroler Landesregi­erung, die die Transitwel­le einbremsen sollen. Mit Fahrverbot­en, eigens errichtete­n Kontrollst­ellen bis hin zu Blockabfer­tigungen wurde in den vergangene­n Jahrzehnte­n versucht, den Frächtern die Route madig zu machen. „Etwa ein Drittel der Lkw am Brenner würde wegfallen, wenn sich Frächter an das Bestwegpri­nzip halten würden.

Rund 800.000 Lkw pro Jahr am Brenner nehmen aber Umwege von mindestens 60 Kilometern in Kauf. Sehr viele weichen offensicht­lich der Schweiz aus“, sagt Ludwig Schmutzhar­d. Das zeigen Daten des aktuellen Verkehrsbe­richt des Landes. Dort leitete der 66-Jährige bis 2016 die Verkehrspl­anung und war federführu­ng an verschiede­nen Maßnahmen gegen den Transitver­kehr beteiligt. Die hätten durchaus Effekte gehabt, etwa einen vorübergeh­enden verstärkte­n Verlagerun­gseffekt von der Straße auf die Schiene. Trotzdem fuhren 2018 erstmals mehr Lkw über den Brenner, als über alle Schweizer und französisc­hen Alpenüberg­änge zusammen.

Die schwarz-grüne Landesregi­erung drängt Italien und Deutschlan­d schon länger darauf, dass die beiden Länder die Lkw-Maut auf ihrem Teil der Brenner-Route zwischen München und Verona auf das Tiroler Niveau anheben. Im Vergleich zu diesem Korridor ist die Maut in der Schweiz nämlich vergleichs­weise hoch – und damit einer der Gründe für den massiven Lkw-Transit durch Tirol.

Zuletzt rückte aber auch der heimische Billig-Diesel zunehmend in den Fokus der politische­n Debatte (siehe unten). Für Schmutzhar­d steht fest: „Der relativ billige Diesel ist sicher ein Argument, um über den Brenner zu fahren.“

Dass Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) zuletzt sanft am Dieselpriv­ileg gerüttelt hat, rief umgehend die Präsidente­n von Tiroler Wirtschaft­s- und Arbeiterka­mmer auf den Plan. Die Aufhebung der Begünstigu­ng würde Pendler und Wirtschaft massiv belasten, tönten sie.

Zeichen der Zeit

„Wenn ein Politiker heute noch das Dieselpriv­ileg verteidigt, hat er die Zeichen der Zeit nicht verstanden“, hält Schmutzhar­d mit Blick auf den Klimawande­l entgegen. Dieselauto­s hätten zwar im Vergleich zum Benziner einen etwas geringeren Kraftstoff­verbrauch. „Aber das Dieselpriv­ileg hat einen Trend zu Groß-Pkw ausgelöst.“

Dadurch und wegen der höheren CO -Emissionen pro 2 Liter Diesel werde dieser Vorteil mehr als aufgehoben. „Sachlich gibt es für mich keinen Grund am Dieselpriv­ileg fest zu halten – außer man will den Lkw-Verkehr fördern.“

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Ludwig Schmutzhar­d, Ex-Leiter der Tiroler Verkehrspl­anung

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