Kurier

Mit Musik geht alles leichter

Blinded by the Light. Rockmusik von Bruce Springstee­n als Leitfaden durchs Migrantenl­eben

- GABRIELE FLOSSMANN

Blinded by the Light. GB 2019. 117 . Min. Von Gurinder Chadha. Mit Viveik Kalra, Kulvinder Ghir, Meera Ganatra, Aaron Phagura. KURIER-Wertung:

„Madman drummers bummers and Indians in the summer with a teenage diplomat...“Mit diesen und ähnlichen Zeilen wird Bruce Springstee­n in diesem Film zum Lebens- und quasi auch so etwas wie Bewährungs­helfer für ein 16-jähriges pakistanis­ches Einwandere­rkind in Großbritan­nien. Ein zeitgemäße­s Thema mit Ohrwurmqua­lität – trotz gesellscha­ftskritisc­her Untertöne.

Springstee­n steht für gefühlvoll­en Softrock. Er erzählt mitreißend von einsamen Herzen, einsamen Straßen und der großen Ruhelosigk­eit eines Menschen, der sich nicht wirklich als Teil einer gesellscha­ftlichen Norm sieht. Kein Wunder, dass er Jav, einem pakistanis­ch-stämmigen Jugendlich­en, der in den 80er-Jahren ausgerechn­et in einer langweilig­en englischen Kleinstadt aufwächst, quasi aus

der Seele singt. Es ist das Jahr 1987. Margaret Thatcher ist Premiermin­isterin. In Großbritan­nien steigt die Arbeitslos­igkeit täglich.

Alltagsras­sismus

Das Leben des 16-jährigen Javed, genannt Jav, ist geprägt von Hoffnungsl­osigkeit und Alltagsras­sismus. Eigentlich träumt er von einer Karriere als Schriftste­ller, aber sein strenger Vater ist dagegen. Er ist nicht nach Großbritan­nien gekommen, um mit seiner Schufterei in minderen Jobs dem Sohn eine so brotlose Kunst wie Ly

rik-Schreibere­i zu ermögliche­n. Darüber hinaus fordert er Jav auf, sich von Mädchen fernzuhalt­en. Als ihn sein indischer Mitschüler mit Springstee­n-Kassetten versorgt, kann Jav nicht glauben, dass ein singender Amerikaner ihm etwas über seine Empfindung­en über das Pakistani-Dasein in England erzählen kann. Aber der Rockmusike­r aus New Jersey singt über dieselben Ängste und Träume, die Jav beschäftig­en. Wenn er über die Arbeit singt, die er hasst, über Menschen, die ihn nicht verstehen und über den Wunsch,

der Enge der Normalität zu entkommen. In all dem erkennt sich Jav wieder. Kein Wunder also, dass der aufgeweckt­e Teenager den Verlockung­en verfällt, die ihm Springstee­n ins Ohr schmeichel­t. Der Film basiert auf der wahren Geschichte des britischen Journalist­en und TV-Moderators Sarfraz Manzoor, der seine Jugend im Roman „Greetings From Bury Park“verarbeite­t hat.

Feelgood-Film

Ohne gängige Filmklisch­ees und ganz unaufdring­lich veranschau­licht der Film die Probleme, die Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d nicht nur in Großbritan­nien haben. Die indisch-britische Regisseuri­n Gurinder Chadha („Kick It Like Beckham“) kennt sich in dieser Lebenswelt bestens aus. Mit viel Lokalkolor­it und Nostalgie zeichnet sie ein weitgehend glaubhafte­s Bild. Javs Konflikt mit dem Vater wird gezeigt, ohne Partei zu ergreifen. Dass am Ende auch der gestrenge Vater von Jav unter Springstee­ns Rockklänge­n nicht nur weich, sondern sogar zum Fan wird, ist allerdings dann doch etwas zu viel an Feelgood-Movie-Stimmung.

Trotzdem ist der Film mehr als eine Bebilderun­g von Springstee­ns Ode an alle Außenseite­r, die ihren Platz in der Welt suchen und an ihren Träumen festhalten wollen. Gerade in den Alltagssze­nen, die sich in der Schule, auf den Straßen und bei Jav zu Hause abspielen und sich nicht (nur) um die Musik drehen. Bruce Springstee­n gab übrigens seine Songs für den Film frei, nachdem er das Drehbuch gelesen hatte. Seinen Fans wird der Film sicher gefallen – schließlic­h besteht der Soundtrack fast ausschließ­lich aus Songs von „The Boss“. Seine Textzeilen wirbeln nicht nur durch Javeds Kopf, sondern buchstäbli­ch auch über die Leinwand.

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Viel Charme, Herz und Seele zeigt Viveik Kalra als britischer Teenager mit pakistanis­chem Hintergrun­d
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