Mit Musik geht alles leichter
Blinded by the Light. Rockmusik von Bruce Springsteen als Leitfaden durchs Migrantenleben
Blinded by the Light. GB 2019. 117 . Min. Von Gurinder Chadha. Mit Viveik Kalra, Kulvinder Ghir, Meera Ganatra, Aaron Phagura. KURIER-Wertung:
„Madman drummers bummers and Indians in the summer with a teenage diplomat...“Mit diesen und ähnlichen Zeilen wird Bruce Springsteen in diesem Film zum Lebens- und quasi auch so etwas wie Bewährungshelfer für ein 16-jähriges pakistanisches Einwandererkind in Großbritannien. Ein zeitgemäßes Thema mit Ohrwurmqualität – trotz gesellschaftskritischer Untertöne.
Springsteen steht für gefühlvollen Softrock. Er erzählt mitreißend von einsamen Herzen, einsamen Straßen und der großen Ruhelosigkeit eines Menschen, der sich nicht wirklich als Teil einer gesellschaftlichen Norm sieht. Kein Wunder, dass er Jav, einem pakistanisch-stämmigen Jugendlichen, der in den 80er-Jahren ausgerechnet in einer langweiligen englischen Kleinstadt aufwächst, quasi aus
der Seele singt. Es ist das Jahr 1987. Margaret Thatcher ist Premierministerin. In Großbritannien steigt die Arbeitslosigkeit täglich.
Alltagsrassismus
Das Leben des 16-jährigen Javed, genannt Jav, ist geprägt von Hoffnungslosigkeit und Alltagsrassismus. Eigentlich träumt er von einer Karriere als Schriftsteller, aber sein strenger Vater ist dagegen. Er ist nicht nach Großbritannien gekommen, um mit seiner Schufterei in minderen Jobs dem Sohn eine so brotlose Kunst wie Ly
rik-Schreiberei zu ermöglichen. Darüber hinaus fordert er Jav auf, sich von Mädchen fernzuhalten. Als ihn sein indischer Mitschüler mit Springsteen-Kassetten versorgt, kann Jav nicht glauben, dass ein singender Amerikaner ihm etwas über seine Empfindungen über das Pakistani-Dasein in England erzählen kann. Aber der Rockmusiker aus New Jersey singt über dieselben Ängste und Träume, die Jav beschäftigen. Wenn er über die Arbeit singt, die er hasst, über Menschen, die ihn nicht verstehen und über den Wunsch,
der Enge der Normalität zu entkommen. In all dem erkennt sich Jav wieder. Kein Wunder also, dass der aufgeweckte Teenager den Verlockungen verfällt, die ihm Springsteen ins Ohr schmeichelt. Der Film basiert auf der wahren Geschichte des britischen Journalisten und TV-Moderators Sarfraz Manzoor, der seine Jugend im Roman „Greetings From Bury Park“verarbeitet hat.
Feelgood-Film
Ohne gängige Filmklischees und ganz unaufdringlich veranschaulicht der Film die Probleme, die Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht nur in Großbritannien haben. Die indisch-britische Regisseurin Gurinder Chadha („Kick It Like Beckham“) kennt sich in dieser Lebenswelt bestens aus. Mit viel Lokalkolorit und Nostalgie zeichnet sie ein weitgehend glaubhaftes Bild. Javs Konflikt mit dem Vater wird gezeigt, ohne Partei zu ergreifen. Dass am Ende auch der gestrenge Vater von Jav unter Springsteens Rockklängen nicht nur weich, sondern sogar zum Fan wird, ist allerdings dann doch etwas zu viel an Feelgood-Movie-Stimmung.
Trotzdem ist der Film mehr als eine Bebilderung von Springsteens Ode an alle Außenseiter, die ihren Platz in der Welt suchen und an ihren Träumen festhalten wollen. Gerade in den Alltagsszenen, die sich in der Schule, auf den Straßen und bei Jav zu Hause abspielen und sich nicht (nur) um die Musik drehen. Bruce Springsteen gab übrigens seine Songs für den Film frei, nachdem er das Drehbuch gelesen hatte. Seinen Fans wird der Film sicher gefallen – schließlich besteht der Soundtrack fast ausschließlich aus Songs von „The Boss“. Seine Textzeilen wirbeln nicht nur durch Javeds Kopf, sondern buchstäblich auch über die Leinwand.