Kurier

Bildung spielt im Wahlkampf nur eine Nebenrolle

Reformen. An der Schule wird zwar dauernd herumgedok­tert – Grundsätzl­iches wird sich dennoch nicht ändern

- UTE BRÜHL

Die österreich­ische Bildungspo­litik gleicht seit Jahrzehnte­n einer Baustelle mit vielen Baumeister­n. Ständig wurde und wird die Schule reformiert, doch ein großes Gesamtkonz­ept fehlt – auch weil es keine parteiüber­greifende Einigung darüber gibt, wie eine Schule aussehen soll, die Kinder optimal auf die Zukunft vorbereite­t. Und weil der große Wurf fehlt, werden die wirklich dringenden Reformen (s. o.) nicht angegangen. Manche Neuerung führt eher zu schlechter­en Schülerlei­stungen, wie an Tests wie PISA abzulesen ist.

Schlimmer noch: Das Thema Bildung scheint im Wahlkampf eher ein Randthema zu sein. Vorschläge kommen eher von Sozialpart­nern und parteinahe­n Organisati­onen und betreffen oft nicht das große Ganze, sondern Details. So fordert die Wiener Wirtschaft­skammer, dass Schülern mehr Wirtschaft­skompetenz vermittelt werden soll. Und die Volkshilfe veröffentl­icht eine Umfrage, dass die Mehrheit sich dafür ausspricht, Brennpunkt­schulen besser auszustatt­en – das sind die Standorte, in denen sich die Probleme potenziere­n.

Migration, Klimawande­l

In Wahlkampfr­eden dominieren meist andere Themen – Pensionen, Migration, Klimawande­l oder die Pflege. Immerhin haben die Neos das Thema zu ihrem Wahlauftak­t prominent platziert: „Wir stellen Bildung über alles“lautet ihr Slogan. Eine mediale Öffentlich­keit erreichte allerdings nur der Vorschlag, das Budget für Schulbüche­r zu reduzieren und stattdesse­n Tablets für alle in der 5. Schulstufe zu finanziere­n.

Was nicht nur Programm bleibt, sondern sich in der nächsten Legislatur­periode ändern wird, hängt natürlich davon ab, wer mit wem koaliert. Bleibt es bei Türkis-Blau, so wird wohl fortgesetz­t, was bisher schon angestoßen und zum Teil nun umgesetzt wird. Viele alte Reformen sollen zurückgeno­mmen werden. So wird es ab der 2. Klasse wieder verpflicht­end Ziffernnot­en geben. Bisher reichten verbale Beurteilun­gen. Gleichzeit­ig sollen die Lehrer wieder die Möglichkei­t haben, Kinder zurückzust­ellen, sodass sie das Jahr wiederhole­n müssen. Weitere Neuerung: Das Kopftuchve­rbot tritt an Volksschul­en in Kraft – halten die Eltern sich nicht daran, sind Strafen von bis zu 440 Euro fällig. Neu für die, die 2020 in die Schule kommen: Für sie gelten bundesweit einheitlic­he Kriterien für die Feststellu­ng der Schulreife.

Auch in den Mittelschu­len werden die Uhren wieder zurückgedr­eht. In den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch dürfen wieder Leistungsg­ruppen eingericht­et werden – das war bisher nicht möglich. Auch die Notenskala wird in der Mittelschu­le verändert. Und Schüler des Polytechni­kums haben die Möglichkei­t, diese nun zwei Jahre statt nur ein Jahr zu besuchen.

Leistung und Kindergart­en Mehr Leistung fordern, mehr regulieren und stärker trennen – so könnte man die Bildungspo­litik der ÖVP-FPÖ-Koalition kennzeichn­en.

Das Wahlprogra­mm der anderen Parteien enthält ebenso wenig Neues. Am Samstag präsentier­te die SPÖ, dass sie „den Kindergart­en zur ersten Bildungsei­nrichtung“ausbauen will und durch eine Gemeinsame Schule für 6- bis 14-Jährige ein zu frühes ,Aussortier­en‘ von Kindern verhindern will. (siehe Seite 7)

Wobei wohl auch den roten Wahlstrate­gen klar sein dürfte, dass mit dem Thema Gesamtschu­le keine Wähler zu gewinnen sind – immerhin hat der Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig kürzlich einen Ausbau der AHS-Standorte gefordert.

Und die Grünen? Auch sie setzen sich für eine Gemeinsame Schule ein sowie für eine bessere Dotierung der Brennpunkt­schulen.

Eins mit den Neos dürften sie wohl in einem Punkt sein: Die Parteipoli­tik endlich aus den Schulen und der Lehrerbild­ung heraushalt­en. Angesichts der Mehrheitsv­erhältniss­e im Bund ein frommer Wunsch.

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