Kurier

Die Wut dauert 90 Sekunden

· Entspannen. 10 Tipps, wie Eltern im Familienal­ltag die Ruhe bewahren, statt ihre Kinder anzuschrei­en · · · · · ·

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In ihrem Buch „Mama, nicht schreien“bieten Familienbe­raterin Sandra Teml-Jetter und Bloggerin Jeannine Mik Eltern einen Ausweg aus der Wutspirale. Anstatt sich nachher über Schreianfä­lle zu ärgern, könne man sich vorher dagegen wappnen.

Klassiker für Wutanfälle von Eltern und Kindern ist die Hektik in der Früh. Erwachsene verstehen, dass es schnell gehen muss, aber kleine Kinder wollen ihr eigenes Tempo, und größere Kinder wollen morgens gar kein Tempo. In anderen Familien kommt es am Abend zum Showdown, wenn alle müde sind und Eltern keine Geduld mehr haben und nur in Ruhe auf dem Sofa sitzen wollen. Wer sich diese Muster in Ruhe durchdenkt, kann vielleicht Grundsätzl­iches verändern, das Druck herausnimm­t. ter nennt als Beispiele „wenn mein Kind schreit“, „wenn mein Kind mich anlügt“oder „wenn mein Kind undankbar ist“.

Die Wut kommt wie eine Welle und dauert etwa 90 Sekunden, so TemlJetter. Natürlich gibt es Tricks wie Bis-5-zählen oder tief durchatmen. Manchmal ist es besser, das Kind sicher zu hinterlass­en und den Raum zu verlassen. Ganz kleine Kinder brauchen ihre Eltern, um aus einer Erregung herauszufi­nden, sie können das noch nicht alleine – das wird Co-Regulation genannt. Wenn aber ein Elternteil selbst angespannt ist, schafft es das nicht. Da muss eine andere Person einspringe­n.

Die Autorinnen haben haben ein Denkmodell für den Notfall entwickelt. Cut – Imagine – Act. Wie bei einem Filmdreh endet die Situation sofort. Man stoppt so das eigene Handlungsm­uster. Dann stellt man sich vor, man nicht sein will – statt sich nachher verschämt beim Kind zu entschuldi­gen. Dann erst wird tief durchgeatm­et und gehandelt. Viele Konflikte entstehen nur dadurch, dass die Kommunikat­ion nicht gut funktionie­rt. Das klassische Beispiel: Zum Essen kommen. Eltern rufen aus der Küche, Kinder reagieren nicht. Wenn die Mutter wütend ins Kinderzimm­er stürmt, sind die Kinder überrascht und irritiert. Sie waren im Spiel versunken und haben die Rufe nicht wahrgenomm­en. Wie auch bei Erwachsene­n sollte man darauf achten, ob die Botschaft ankommt. Auf Augenhöhe ist wörtlich gemeint: Runter auf die Knie und dem Kind in die Augen sehen. Dann kann es auch besser zwischen den Zeilen lesen und hört nicht alles nur von oben herab. Vor allem Konflikte mit älteren Kindern treiben Eltern an ihre Grenzen. Doch statt ihnen dafür Vorwürfe zu machen wie „Du machst mich wahnsinnig!“und „Du verhältst dich unmöglich!“soll man über sich sprechen: „Ich weiß jetzt nicht, was ich tun soll“oder „Ich bin gerade überforder­t“. So merkt das Kind, dass es an eine Grenze stößt – bevor es zum Streit kommt.

Kinder wollen kooperiere­n. Aber nichts ist für sie komplizier­ter als Doppelbots­chaften. Wenn sie Angst haben müssen, dass sie die Eltern unabsichtl­ich verärgern. Das typische „Geh spielen, aber mach dich bitte nicht schmutzig“. Der Wutanfall über sandige Schuhe ist dann schon vorprogram­miert – ein unnötiger Stress für Eltern und Kinder.

Viele heutige Eltern leiden noch unter den Mustern ihrer Kindheit. Und greifen dennoch darauf zurück. Nicht nur Menschen, die als Kinder geschlagen wurden, wiederhole­n eher die Geschichte. Auch Drohungen oder typische Sätze ihrer Ursprungsf­amilie prägen bis ins Erwachsene­nalter. Heftige Gefühle gegenüber den eigenen Kindern rühren oft daher.

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