Kurier

„Ein Dialog in dieser Phase wäre sinnlos“

Agnes Chow. Nach ihrer Haft spricht eine der führenden Aktivistin­nen der Protest-Bewegung über Angst, Wut und Forderunge­n

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Seit den Hongkonger Protesten vor fünf Jahren ist Agnes Chow in Hongkong eine Berühmthei­t, die Nachricht von ihrer Verhaftung am Freitag ging um die Welt. Der KURIER traf sie am Samstag, knapp vor dem Beginn der Proteste, zu einem Interview.

Sie wurden gestern, gemeinsam mit Joshua Wong und anderen Aktivisten festgenomm­en, später wieder freigelass­en – was hat die Hongkonger Regierung damit beabsichti­gt?

Ja, ich musste 10.000 Hongkong-Dollars

zahlen und habe von 23:00 bis 07:00 Uhr eine Ausgangssp­erre, die stichprobe­nartig kontrollie­rt wird.

Sie wurden zum dritten Mal verhaftet. Sind Sie nervös?

Als eine Aktivistin und Teil der Demokratie­bewegung in Hongkong war ich geistig darauf vorbereite­t, verhaftet zu werden, vielleicht sogar ins Gefängnis geworfen zu werden. Aber trotzdem bin ich zornig darauf, dass die Regierung keine rechtlich konformen Beweise einbringt, um jemanden zu verhaften.

Sie kämpfen mit politische­n Positionen, denken politisch. Aus diesem Grund kritisiere­n wir sowohl die Regierung in Peking, als auch die in Hongkong, denn sie zerstören unser Rechtssyst­em. Wie sollte die Regierung Ihrer Meinung nach auf die Proteste reagieren?

Es sollte einer Regierung wichtig sein, die Meinung ihrer Bürger zu respektier­en und auf sie zu hören. Denn wir haben unsere fünf Forderunge­n gestellt und Millionen von Menschen sind dafür auf die Straße gegangen. Seit drei Monaten demonstrie­ren wir dafür, aber die Hongkonger Regierung ignoriert uns. Das macht immer mehr Menschen wütend und bringt sie auf die Straße.

Werden Sie an den heutigen Protesten teilnehmen?

Ich werde heute arbeiten und nicht daran teilnehmen.

In internatio­nalen Medien werden Sie oft als „Ikone der Proteste“beschriebe­n – was sagen Sie dazu?

Die Bewegung in Hongkong ist führerlos und das ist gut und wichtig so. Wir kommunizie­ren über das Internet, tauschen uns aus, organisier­en uns. Ich bin nur eine Teilnehmer­in, obwohl ich Medien von früheren Protesten bekannt bin. Manchmal stehe ich an vorderster Front, trage eine Gasmaske, manchmal versorge ich hinten die Menschen.

Eine Bewegung ohne Führung – mit wem sollte Regierungs­chefin Carrie Lam sprechen, wenn sie das denn wollte?

Ein Dialog in dieser Phase wäre sinnlos, denn die Forderunge­n der Protestler – die 70 Prozent der Hongkonger unterstütz­en – sind ziemlich klar. Und während Carrie Lam sagt, dass sie mit ihnen reden will, lässt sie Aktivisten und Parlaments­abgeordnet­e festnehmen. Sie hat keinen Respekt für die Menschen in Hongkong und sucht nach Agnes Chow beim KURIERInte­rview mit Armin Arbeiter im Zentrum von Hongkong unmittelba­r nach ihrer Entlassung Wegen, die Bewegung zu unterdrück­en.

Wie sieht Hongkong Ihrer Meinung nach in zwei Monaten aus?

Das hängt von Carrie Lams Entscheidu­ng ab. Wir sehen nun, dass sie und Peking eine harte Linie Hongkong gegenüber fahren. Sie wird nicht auf die fünf Forderunge­n eingehen, gleichzeit­ig droht Peking mit Truppen an der Grenze. Ein Grundsatz einer Regierung sollte es aber sein, auf die Meinung der Menschen zu hören. Dieser Verantwort­ung wird Lam nicht gerecht.

Auch die Demonstran­ten sind aggressive­r geworden, es wurden Molotowcoc­ktails geworfen.

Die Hongkonger haben auf viele Arten und Weisen versucht, ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen. Friedlich, demokratis­ch. Wenn aber die Regierung friedliche Proteste mit einer brutalen Polizei unterdrück­t und Gewalt anwendet, ist es sehr schwierig zu vermeiden, dass einige wenige Menschen sich radikalisi­eren, um ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen.

Haben Sie Angst davor, dass die Proteste immer brutaler werden?

Ich hoffe, dass Carrie Lam Wege findet, die Wut der Bürger zu reduzieren.

In London und anderen Städten hat es am Samstag lautstarke Proteste gegen Premiermin­ister Boris Johnson gegeben. Tausende Demonstran­ten versuchten am Samstag, sich vor dem Regierungs­sitz in der Downing Street mit Trommeln und Pfeifen Gehör zu verschaffe­n. „Boris Johnson: Schäm Dich!“und „Trumps Marionette“riefen sie unter anderem. Einige hatten Schilder mit der blauen EU-Flagge dabei. „Stop the Coup“– stoppt den Putsch – war das Motto der Demonstrat­ion.

Im Handelsstr­eit mit China wird es US-Präsident Donald Trump zufolge trotz der anstehende­n Zollerhöhu­ngen für chinesisch­e Waren in den kommenden Wochen eine neue Gesprächsr­unde geben. Verhandlun­gsteams aus China und den Vereinigte­n Staaten hielten die Gespräche aufrecht und würden im September zusammentr­effen. Zugleich betonte er, die am Sonntag anstehende­n Zollerhöhu­ngen für chinesisch­e Waren würden sich nicht verzögern. „Wir werden den Kampf gewinnen.“

Ungeachtet laufender Gespräche über Wege zum Frieden in Afghanista­n haben Kämpfer der radikalisl­amischen Taliban die nördliche Provinzhau­ptstadt Kundus angegriffe­n. Provinzrät­en zufolge konnten sie mehrere Einrichtun­gen und Gebiete in der Stadt einnehmen, darunter das Provinzkra­nkenhaus und die Zentrale der Elektrizit­ätsversorg­ung. Der Angriff erfolgte inmitten der laufenden Gespräche zwischen den Taliban und den USA über eine Lösung des seit 18 Jahren andauernde­n Konflikts.

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