Kurier

Debatte um Fahrtaugli­chkeit

Senioren. Auf der Straße gelten alte Menschen häufig als Gefahr. Laut Experten zu Unrecht. Sie fordern Alternativ­en.

-

BIRGIT SEISER MARKUS STROHMAYER Binnen sieben Tagen gab es in Österreich zwei tödliche Verkehrsun­fälle, an denen 90Jährige beteiligt waren. Am vergangene­n Sonntag lenkte einer der Pensionist­en sein Auto in eine Gruppe von Kirchgänge­rn vor einer Kapelle in Salzburg-Gneis. Eine Vierjährig­e wurde dabei getötet. Am Dienstag starb ein 90jähriger Motorradfa­hrer bei Köflach in der Steiermark, nachdem er mit einem Lkw kollidiert war. In beiden Fällen muss nun geklärt werden, was die Unfälle verursacht hat und vor allem, wer die Schuld trägt.

Werden Pensionist­en nämlich in Unfälle verwickelt, wird schnell der Ruf der Öffentlich­keit nach schärferen Gesetzen für ältere Autofahrer laut. Derzeit gibt es in Österreich kein gesetzlich­es Alterslimi­t für den Führersche­in. Die Polizei kann Lenker nur im Verdachtsf­all zu einer Kontrolle durch den Amtsarzt verpflicht­en. Ist das nicht der Fall, kann man Autofahren so lange man eben möchte – oder muss.

In vielen Regionen ist man ohne Auto nämlich quasi von der Außenwelt abgeschnit­ten. „Es müssen endlich auch ländliche Gebiete mit dem öffentlich­en Verkehr vernetzt werden. Nicht einmal alle 124 regionalen Zentren, die es in Österreich gibt, sind mit Bahn oder Bus erreichbar. Es braucht Gemeindebu­sse und bedarfsori­entierte Sammeltaxi­s, um Mobilität auch im Alter sicherzust­ellen“, sagt Christian Gratzer vom Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ).

Autostoppe­nde Senioren In den Ländern herrscht durchaus Bewusstsei­n für die Mobilitäts­hürden älterer Menschen. Niederöste­rreich setzt deshalb auf eine Kombinatio­n aus öffentlich­em Verkehr und Nachbarsch­aftshilfe.

Speziell im ländlichen Bereich werden die Anbindunge­n ständig ausgebaut, heißt es aus dem Büro des zuständige­n Landesrate­s Ludwig Schleritzk­o: „Seit 5. August haben wir allein die Anzahl an Busrouten im Waldvierte­l um elf Prozent erhöht.“Erwird klärtes Ziel ist es zudem, künftig alle Bahnlinien zumindest im Stundentak­t fahren zu lassen.

Gleichzeit­ig heißt es vom Land, auch die Gemeinden seien mit bedarfsori­entierten Begleitang­eboten gefordert. Gemeint sind damit etwa die von Gratzer angesproch­enen Sammeltaxi­s, die mancherort­s bereits gut funktionie­ren. Ein anderer Zugang, der in Ternitz (Bezirk Neunkirche­n) verfolgt wird, ist das „Mitfahrban­kerl“. Das Konzept ähnelt dem klassische­n Autostoppe­n, nur dass es deutlich markierte Bankerl gibt, von denen aus Menschen etwa mit zum nächsten Lebensmitt­elgeschäft fahren können.

Im Burgenland wiederum auf Senioren Rücksicht genommen, indem diese Taxigutsch­eine im Zuge des Projekts „60plusTaxi“zum halben Preis erwerben können. Ein ähnliches Modell schlägt auch VCÖ-Experte Gratzer vor: In Deutschlan­d Viele Pensionist­en in ländlichen Gebieten sind auf das Auto für tägliche Wege angewiesen werden Senioren in einigen Gemeinden Taxigutsch­eine angeboten, wenn sie ihren Führersche­in freiwillig abgeben.

Viele Senioren als Opfer Die Garantie für mehr Mobilität ist aber auch unter dem Aspekt wichtig, dass ältere Menschen auch oft zu Opfern werden. Schaut man auf die Unfälle mit Fußgängern, ist jeder zweite Verletzte über 65 Jahre alt. Heuer starben im Verkehr schon 77 Pensionist­en. Wichtig wäre es laut Experten, dass Mediziner ihre Patienten drauf ansprechen, wenn es Bedenken rund um die Verkehrsta­uglichkeit gibt. So könnte die Zahl von Unfällen minimiert werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria