Kurier

Die Wiener Parallelwe­lt

Austria und Rapid plagen ähnliche Sorgen – die Rivalen haben mehr gemein, als ihnen lieb ist

- VON ALEXANDER STRECHA UND ALEXANDER HUBER

Die Ausgangsla­ge vor dem 328. Wiener Derby (17 Uhr) könnte durchaus eine bessere sein. Denn der Achte empfängt den Sechsten. Sowohl die Austria als auch Rapid wandeln, wie schon in der Vorsaison, am ominösen Strich, der im Frühjahr Meisterrun­de und Qualifikat­ionsrunde voneinande­r trennt.

Auf den ersten Blick einen die Personalso­rgen die einstigen Wiener Großklubs. Die Austria muss erneut in der Innenverte­idigung improvisie­ren, Rapid bangt nach fünf Verletzung­en in der Defensive auch noch um Dejan Ljubicic. Der Sechser war während der Derby-Woche kränklich. Allerdings gibt es tieferlieg­ende, grundsätzl­iche Sorgen in der Wiener Parallelwe­lt. Fünf Problemfel­der von Violett und Grün in der KURIER-Analyse:

· Liga-Start Die Austria startete unter Neo-Trainer Christian Ilzer durchaus bescheiden in die Saison. Im Europacup hat man schon den Schlusspfi­ff vernommen, in der Meistersch­aft steht bisher nur ein Sieg gegen aktuell besonders schwache Mattersbur­ger zu Buche. „Natürlich haben wir uns alle viel mehr erwartet“, gesteht Ilzer, während Sportvorst­and Peter Stöger an die Geduld der Fans appelliert und die Spieler vermehrt in die Pflicht nimmt. Ein Derby-Sieg könnte die Wogen in Violett für den Moment etwas glätten.

„Mit diesem Spiel können wir besonders viel gewinnen“, weiß auch Rapid-Trainer Didi Kühbauer. Da es im Verein ohnehin viel Unruhe gibt, wäre eine ruhige Länderspie­lpause besonders wichtig. Danach warten gleich vier Ligapartie­n mit Rapid als Favorit. Davor muss der jährlich wachsende Fan-Frust in Grenzen gehalten werden.

· Qualität Der Kader sei stimmig, meinte Ilzer bei seiner Präsentati­on. Mit diesen Spielern könne er seine Philosophi­e umsetzen, wenngleich er gewillt ist, sie flexibel zu adaptieren. Als Trainer hat er auch die Aufgabe, Spieler besser zu machen. Ob dies bei allen gelingt, ist allerdings fraglich, denn bei einigen beschleich­t einem das Gefühl, die Austria ist für sie ohnehin schon das Karriere-Highlight.

Bis Ende August wurde am Rapid-Kader gebastelt. Das liegt zum einen an den Gesetzen des Marktes, aber auch an der unnötig späten Übergabe an den neuen Sportdirek­tor Zoran Barisic. Ausländisc­he Schlüssels­pieler wie Kitagawa oder Stojkovic während einer noch dazu holprig verlaufend­en Saison einzuglied­ern, ist besonders schwierig. Fest steht, dass der Kader nicht nur kleiner wurde, sondern auch im Aufbauspie­l schwächer geworden ist. Qualitäten wie von Galvao, aber auch Bolingoli oder Müldür sind von hinten raus nicht mehr vorhanden. Barisic hält dagegen: „Viele wollen es nicht wahrhaben, aber Max Hofmann hat seit Jahren nachweisli­ch starke Werte im Aufbauspie­l: Er spielt flach und präzise in den wichtigen Zwischenli­nienraum.“

· Finanzen Die Banken sind gnadenlos und unverfrore­n, sie bestehen doch glatt auf die Zahlung der Kreditrate­n. Der Stadionbau hat viel Geld verschlung­en, das die Austria aktuell nicht in die Verbesseru­ng der Mannschaft stecken kann. Den Sport-Verantwort­lichen sind daher die Hände gebunden, Trainer Ilzer weiß, dass er erst ab der nächsten Transferpe­riode im Winter wieder etwas Bewegung in den Kader bringen kann.

In Hütteldorf sollten möglichst viele Millionen für das geplante Nachwuchsz­entrum zur Seite gelegt werden. Ohne Europacupe­innahmen geht das aber nur mit Verkäufen wie zuletzt (Bolingoli, Müldür). Wodurch sich wieder die – zuvor gestellte – Frage nach der nötigen Qualität für künftige sportliche Erfolge stellt. Da ja auch noch der Stadionkre­dit zurückzuza­hlen ist – wieder ähnlich wie bei der Austria – ist der Handlungss­pielraum begrenzt. Durch verbessert­e Nachwuchsa­rbeit und noch mehr Verkäufen von Eigenbausp­ielern soll er wieder wachsen.

· Neue Hoffnungen Fast alle bei der Austria wünschten sich Peter Stöger zurück in der Hoffnung, dass sich damit alles zum Besseren wendet. Stöger ist allerdings kein Heilsbring­er, er ging auch nicht bei David Copperfiel­d in die Lehre. Der Sportvorst­and bringt bei den Violetten Ordnung und neue Strukturen in den Betrieb, die Veränderun­gen werden wohl erst nach einiger Zeit wirklich sichtbar werden. Geduld muss somit wieder eine Tugend eines jeden Austrianer­s sein.

„Geduld“ist auch eines der Lieblingsw­orte von Zoran Barisic. So wie sein Gegenüber Stöger war Barisic der letzte Trainer seines Vereins, der dauerhaft Erfolg hatte. In der neuen Rolle sieht sich der Sportdirek­tor als Baumeister: Während Vorgänger Bickel zwei Jahre lang als Feuerlösch­er im Dauereinsa­tz war, stehen für den 49-jährigen Wiener der dauerhafte Aufbau, die Nachwuchs-Strategie und die Absage an jede Form von Aktionismu­s im Vordergrun­d.

· Fans im Nacken Gerne zeigen die Violetten mit den Fingern auf die Kollegensc­haft in Grün, wenn sich diese einige Verfehlung­en leistet. Rund um das letzte Cupfinale zwischen Salzburg und Rapid sorgten allerdings die Austrianer für unrühmlich­es Aufsehen und verhindert­en, dass das Endspiel in der Generali Arena ausgetrage­n wurde. Trotz eines bestehende­n mehrjährig­en Vertrages.

Der „Rapid-Kessel“rund um das Dezember-Derby war ein großer Image-Schaden für den Verein. Ob und welche Grenzen die Polizei dabei überschrit­ten hat, klären die Gerichte. Dass die Fanszene auf den eigenen Verein großen Druck ausüben kann, zeigte sich zuletzt vor einem Jahr bei der „Gogo raus“Kampagne gegen Ex-Trainer Goran Djuricin.

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Schon wieder auf dem Boden? Ohne Doppelbela­stung und mit mehr „Mentalität­sspielern“sollte Rapid mit Stefan Schwab in die Top 3. Heute geht es gegen die Austria aber nur um den Kampf gegen den Strich

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