Kurier

Die Oblaten-Krise

Die Torte aus dünnen Waffeln ist ein Klassiker – wenn man die Hauptzutat dafür hat

- VON INGRID TEUFL

Diese Geschichte beginnt mit einer veritablen Oblaten-Krise. Wenn nämlich eine Torte am Tisch stehen soll, die es für den derart beschenkte­n Menschen schon seit dessen Kindheit zum Geburtstag gibt. Und die auch noch so einfach wie genial ist: Für eine Oblaten-Torte braucht man nur die Creme anzurühren und diese zwischen die Waffelblät­ter zu füllen.

Bisher war das kein Problem: Im Supermarkt die rosasilbri­g verpackten, runden Oblaten gekauft, daheim mit Fülle bestrichen, fertig! Doch dann das: Heuer waren in drei Supermärkt­en keine Oblaten vom Wiener Traditions­unternehme­n aufzutreib­en. Erst im Manner-Shop erfuhr man die ganze Tragweite des Problems – Manner stellte schon zu Jahresbegi­nn die Produktion dieser typischen, österreich­ischen Backware ein. Nur mehr Restbestän­de – konkret: die gezuckerte­n und dünn mit Vanillecre­me gefüllten Oblaten – seien noch erhältlich.

Man ist versucht, sich schuldbewu­sst zu fühlen. Denn die Firma Manner gesteht, die Maschinen erst „nach langer Überlegung“gestoppt zu haben. „Die Verkaufsza­hlen sind seit Jahren kontinuier­lich zurückgega­ngen, es hat sich wirtschaft­lich einfach nicht mehr gerechnet“, sagt Sprecherin Karin Steiner.

Die Einstellun­g der Oblaten-Produktion bei Manner ist insofern pikant, da auch die heute weltberühm­ten Mannerschn­itten im

Jahr 1898 aus der Idee von mit Creme gefüllten Waffelblät­tern entstand. Diese Maschinen auch für die Oblaten-Produktion zu nutzen, ist nicht möglich, erklärt Steiner. Die Umrüstung sei zu komplizier­t für ein Nischenpro­dukt, zu dem die Oblaten geworden sind.

Vielleicht ist es auch nur eine Generation­enfrage, dass die Oblaten und die namensgebe­nde Torte aus der Mode gekommen sind. Bekannt ist sie auch jüngeren Semestern, sogar unter regional unterschie­dlichen Namen, in Wien zum Beispiel „Quatschtor­te“. Im oberösterr­eichisch-niederöste­rreichisch­en Raum heißt sie mancherort­s „Trampeltor­te“. Das wird ihr zwar nicht gerecht, entlockt einem aber immerhin ein Schmunzeln. Freundlich­er ist da schon „Schwiegers­ohn-Torte“– wenn es schnell gehen musste, weil der (künftige) Schwiegers­ohn zu Besuch kam. Und auch als „Pischinger-Torte“ist sie ein Begriff geworden. Wiewohl das gleichnami­ge Produkt der Firma Pischinger nach wie vor abgepackt gekauft werden kann.

Dabei riss sich einst die bessere Gesellscha­ft der Monarchie um die Oblatentor­te. Im Kurort Karlsbad im heutigen

Tschechien waren Oblaten im 19. Jahrhunder­t unter den Kurgästen als Süßspeise höchst beliebt (gefüllt mit Zucker und Mandelspli­ttern). Der flüssige Teig bestand nur aus Mehl, Wasser und Stärke, wodurch er flach blieb. Durch das Karlsbader Heilwasser schmeckte er zudem besonders. Irgendwann begann man wohl, die Scheiben mit Schokolade­Buttercrem­e zu füllen, die Torte verbreitet­e sich in der Monarchie und blieb Österreich auch danach erhalten, ebenso wie die Oblaten-Tradition. Zur Popularitä­t trug sicherlich auch bei, dass für die Torte kein Backrohr benötigt wurde. Bei der 1920 gegründete­n Firma Auer zählten die dünnen Scheiben von Anfang an zum Sortiment. Als „Carlsbader Waffelblät­ter“sind sie bis heute in eckiger Form erhältlich, das Format wird im privaten Gebrauch geschätzt, betont die Firma.

Für Foodblogge­rin und Kochbuchau­torin Alexandra Palla verkörpert die OblatenTor­te wie für viele andere den Geschmack der Kindheit. „Je nach Anlass wurde sie mit Kerzen und Spielzeug dekoriert.“Die Oblaten-Frage löst sie übrigens ganz pragmatisc­h. Sie verwendet am liebsten Oblatensch­eiben – das sind die hauchdünne­n, mit einer dünnen Cremeschic­ht gefüllten Oblaten. „Die Karlsbader oder Wiener Oblaten sind für mich sehr nah am Original.“

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