Kurier

Alltag ist nicht ein Tag im All

- VON JOESI PROKOPETZ

Obwohl man es mit den Jahren tunlich vermeidet, sich eingehend im Spiegel zu betrachten, tat ich es – ausnahmswe­ise seelisch gefestigt – dennoch und entdeckte kleine braune Punkte in der rechten Schläfenge­gend. Ich hielt Rücksprach­e mit meiner

Frau, die mit den Fingern über diese beginnende­n Verunund staltungen strich sagte: „Hmm, eins davon ist erhaben, lass dir das anschauen.“Ich konsultier­te darauf einen Bekannten, der Hautarzt ist, und ließ mir das „anschauen“. Er sagte nach einem routiniert­en Blick, nicht ganz ohne Häme in der Stimme: „Das ist gar nix ... das sind Alterswarz­en.“

ALTERSWARZ­EN!

Auf der einen Seite erleichter­t, ließ mich das Wort Alterswarz­en auf der anderen Seite innerlich erschauern, empfand ich es doch als verbalen Wirkungstr­effer. Passanten warfen mir Blicke zu, in denen ich zu lesen glaubte: Pfui Teufel, der hat Al

terswarzen. Wie abscheulic­h! Ist das Wort „Warzen“an sich schon ein grausliche­s, so ist dessen Kombinatio­n mit dem substantiv­ischen Genetiv „Alters“kaum auszuhalte­n. Brustwarze­n, ja, aber im Grunde auch unglücklic­h gewählt. Am Lebensaben­d – und bei mir ist später Nachmittag – da läuft das Legleichfö­rmig ben dahin. Da gibt’s kaum Aufregunge­n, außer solche, dass man draufkommt, man hat so viele Alterswarz­en im Gesicht, dass ein Schweißtro­pfen von der Stirn bis zum Kinn fast zwei Stunden braucht.

Und dann hört man auf seinem Musikstrea­m-Tool: Wir bedanken uns bei dir, dass du Musik mit Spotify hörst. Du könntest deine Musik ja auch aus dem Radio hören, von Schallplat­ten oder einem Tonband – wenn du überhaupt noch weißt, wie so was aussieht. Dann fährst du rechts ran und weinst ein bisschen.

Alle „Anderersei­ts-Kolumnen“der KURIER-Autoren finden Sie auch unter kuriermits­chlag.at

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