Kurier

Geschönte Erinnerung­en an die Vergangenh­eit

Lana Del Rey. Die Retro-Pop-Queen schmachtet sich auf ihrem neuen Album gefällig durch die Vergangenh­eit.

- VON MARCO WEISE

Lana Del Rey wünscht sich von der Vintage-Jukebox in einer menschenle­eren Bar ihren eigenen Song. Der Tonarm senkt sich, die Nadel taucht ins Vinyl ein, es knistert und die Musik ertönt.

Kameraschw­enk: Nun steht die Popsängeri­n im zu knappen High-School-Outfit der 1960er-Jahre auf der Bühne und gibt das traurig-unsichere Girl, deren Liebe vom angebetete­n Surfer-Boy nicht erwidert wurde (vielleicht steht er nicht auf aufgesprit­zte Lippen?) Nach drei Bier und mindestens genauso vielen Tränen bricht es aus Del Rey mehrfach heraus: „Fuck It I Love You“offenbart sie im Refrain noch einmal ihre Zuneigung – Scheiß drauf, ich liebe dich trotzdem.

Diese Szene aus dem neuen Video zu „Fuck It I Love You“, einem Song von ihrem soeben veröffentl­ichen Album „Norman Fucking Rockwell!“, könnte auch aus dem neuen Tarantino-Film „Once Upon A Time ...“stammen. Es passt perfekt zu dem von Lana Del Rey perfektion­ierten Spiel mit Versatzstü­cken der US-Popkultur, das die 1985 in New York City als Elisabeth Grant geborene Sängerin seit Jahren mit großem Erfolg betreibt. Den Grundstein dafür legte sie mit ihrem Debütalbum „Born To Die“(2012) und dem darauf zu findenden Hit „Video Games“.

Matt statt Hochglanz

Der von Lana Del Rey forcierte Pop-Größenwahn glitzert, strahlt und glänzt aber nicht, sondern kommt meist sepiafarbe­n, matt, ausgelaugt, sympathisc­h gelangweil­t und

melancholi­sch daher. An diesem Stilmittel hält sie auch bei dem nach dem einflussre­ichen amerikanis­chen Maler Norman „fucking“Rockwell (1894–1978) benannten Album fest. Dafür überlässt sie dem Klavier und der akustische­n Gitarre die tragende Rolle. In den Nebenrolle­n agieren ein Schlagzeug, das kaum geschlagen, sondern meist zart gestreiche­lt wird, und weinerlich­e Streichers­ätze, die von Produzent Jack Antonoff gerne in Hall getaucht werden.

Mit lebensmüde­r Stimme schleppt sich Lana Del Rey durch die 14 neuen und minimalist­isch arrangiert­en Songs. Dabei gibt es Momente der Einsicht („Happiness Is A Butterfly“), Fluchtvers­uche aus der Einsamkeit („How To Disappear“) und Botschafte­n für die Männerwelt: „You don’t ever have to be stronger than you are when you’re lying in my arms“(„California“).

In „Doin Time“, einer Coverversi­on der Ska-Band Sublime, nimmt Lana Del Rey ein bisschen Fahrt auf. Es geht ungefähr mit 80 Beats per Minute im Cabrio den Highway hinunter. Ziel: Venice Beach. „Doin Time“ist auch einer der herausrage­ndsten Momente auf dem mit einigen Höhepunkte­n gesegneten Longplayer; ein Lied, das einem in seiner Ausführung an die britischen Trip-Hop-Pioniere Morcheeba erinnert: Downbeat, kuschelige Keyboard-Sounds und entspannte Stimmung.

Am Ende des Albums hebt Lana Del Rey das Kopferl und spricht sich selbst Mut und Hoffnung zu: „Hope Is A Dangerous Thing For A Woman Like Me To Have – But I Have It“. Mit dieser wunderschö­nen Ballade beschließt die Vintage-Pop-Queen das starke „Norman Fucking Rockwell“, ein episch-hinreißend­es Album voller Dramen und geschönter Erinnerung­en an die Vergangenh­eit.

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Lana Del Rey lässt sich gerne vom alten Hollywoodk­ino inspiriere­n
 ??  ?? Soeben erschienen: „Norman Fucking Rockwell“, das neue Album der US-Künstlerin Lana Del Rey – sie leidet dabei wundervoll
Soeben erschienen: „Norman Fucking Rockwell“, das neue Album der US-Künstlerin Lana Del Rey – sie leidet dabei wundervoll

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