Der Fischer vom Millstätter See
Seit Generationen hat eine Kärntner Familie Fischereirechte am tiefsten See Österreichs. Ruder- statt Motorboot, See- statt Poolwasser: Das ist die traditionelle Devise von Uli Sichrowsky – Naturmensch, Hotelier, Wirtschaftsdoktor und leidenschaftlicher Fischer VON MARIA GURMANN Das alte Bootshaus der Villa Postillion in Millstatt direkt am See. Juniorchef Peter Sichrowsky hat in neue, moderne Zimmer und einen Außenpool – sollte der See doch zu kalt zum Schwimmen sein – investiert enn der Junior-Chef krank ist, übernimmt eben der Senior das Ruder. Ulrich Sichrowsky (72) marschiert bloßfüßig, in kurzer Hose, T-Shirt und Kapperl auf den Steg vom Hotel Villa Postillion am Millstätter See und macht sein Holz-Ruderboot startklar. Um ihn herum tummeln sich schon die Kinder, die in Schwimmwesten gepackt und von Eltern begleitet in die grünen Plastik-Ruderboote steigen. „Als Land- und Forstwirtschaftlicher Betrieb
Wdürfte ich ein Motorboot haben. Vielleicht zehn Leut’ am ganzen See dürfen eines haben. Aber ich will keines“, sagt Sichrowsky, der das geschäftliche Ruder schon an die nächste Generation abgegeben hat. Niemanden lässt er aber ans Ruder, wenn er auf dem Weg zu seinen Fischgründen am Südufer des Millstätter Sees ist, wo seine Netze ausgelegt sind.
Genau wie einst sein Urgroßvater, der letzte K.u.K.-Hoffischer, der bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Kaiser und die Geistlichkeit mit frischem Fang beglückt hatte. „1874 ist die Eisenbahnverbindung von Wien nach Meran fertig geworden. Der Urgroßvater hat auf Anordnung des Kaiserhauses schöne Lachsforellen fangen müssen, die haben sie da drüben gleich ausgenommen, mit Brennnesseln ausgestopft, mit Fichtenästen fest zu einem Packerl zusammengebunden und zur Eisenbahn gebracht. In fünf Stunden hat der Kaiser einen frischen Fisch auf dem Teller gehabt“, erzählt Uli, wie ihn Einheimische und Gäste nennen. Aus Dankbarkeit bekam sein Urahn eine Auszeichnung von seiner Majestät. „Die mit Diamanten besetzte Nadel hat heute mein Cousin.“
Reinanken statt Lachsforellen
Im wildromantischen Wasserschutzgebiet „Natura 2000“mit Seegräsern, quakenden Enten und vielen Wasserläufern angekommen, ärgert sich Uli, dass eine der Bojen, an die das Netz befestigt wird und seinen Fischgrund markiert, verschwunden ist. Die Kinder in den anderen Booten werden schon zappelig. Sie wollen die Fische im Netz sehen. Der Senior lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, holt das Netz ein, entwirrt es – und endlich, die erste Reinanke hängt im Geflecht. Er wirft sie in den Plastikkübel, die Kinder jubeln, Uli erzählt: „Die Seeforelle oder auch Lachsforelle genannt, war in Zeiten meines Großvaters der wichtigste Fisch. Jetzt sind es die Reinanken.“Zwanzig bis dreißig Fische holt er oder sein Sohn Peter pro Tag aus den Netzen.
64 Hektar ist das Fischereilehen der Hoteliersfamilie. „Das ist größer als der Vatikanstaat, der hat nur 44 Hektar.“Ein kleiner Schmunzler vom Herrn Doktor der Wirtschaft folgt. Studiert haben auch seine zwei Töchter und sein Sohn. „Wir haben sie überall in der Welt herumgeschickt, da sind sie nachher wieder gerne nach Hause gekommen.“
Bescheiden sind die Sichrowskys, die sich die Fischereirechte am Millstätter See mit zwanzig weiteren Lehen teilen. „Mein Großvater hatte drei Töchter. Jeder Tochter hat er ein Trumm von seinem Fischereirecht übertragen. Und die eine Tante hat den Posthof, die andere die Forelle und meine Mutter das Postillion bekommen.“Keiner hier am See würde je die Fischereirechte verkaufen. Obwohl es kein Eigentum ist, hätte man schon vor Jahren 15.000 Euro pro Hektar bekommen.
Uli rudert schwitzend zurück zum Bootshaus und philosophiert über die Sinnhaftigkeit der Natur und des Fischens: „Statt fernzuschauen sind wir immer hinausgerudert. Sobald es familientherapeutisch etwas gibt, ist das Fischen ideal.“
Der weise Fischer und Unternehmer hat Prinzipien: „Ich würde nie in einem Pool schwimmen gehen.“Nach einer kurzen Pause gesteht er: „Nur ein Mal, bei der Einweihung von unserem neuen HotelPool, bin ich kurz eingetaucht.“Sagt’s und hupft in den Millstätter See – der hat erfrischende 21 Grad.